Deutschland und Frankreich:Ziemlich gleichgültige Freunde

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Am Montag soll Frankreichs Staatspräsident mit militärischen Ehren im Garten des Residenzschlosses Ludwigsburg bei Stuttgart begrüßt werden. (Foto: Günther Bayerl/Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg)

Emmanuel Macron soll seinen Staatsbesuch in Ludwigsburg beginnen. Dort weiß man besonders gut, wie es um die deutsch-französischen Beziehungen steht: Nicht optimal.

Von Max Ferstl, Stuttgart

Die Frage, wie es um die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich steht, lässt sich auf unterschiedliche Arten beantworten, philosophisch, historisch, persönlich. Oder man kann sie demoskopisch vermessen, wie es das Deutsch-Französische Institut in Ludwigsburg in einer aktuellen Umfrage versucht. Aus Sicht des Instituts gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Zunächst die gute: Die Mehrheit der Deutschen (76 Prozent) und der Franzosen (63 Prozent) hält eine enge Zusammenarbeit für wichtig - keine Selbstverständlichkeit bei Menschen zweier Länder, die vor ein paar Jahrzehnten noch aus Schützengräben aufeinander feuerten.

Die nicht so gute Nachricht lautet allerdings: Viele der Befragten interessieren sich wenig bis gar nicht dafür, was beim Nachbarn los ist. Man schätzt sich also. Aber man ist sich auch ein bisschen egal geworden. Das ist in jeder Beziehung ein beunruhigender Befund.

Die Präsidentin des Deutsch-Französischen Instituts, Sylvie Goulard, betont zunächst das Positive: "Die Feindschaft ist überwunden, und diese Tatsache ist fantastisch". Aber das reicht ihrer Meinung nach nicht. Die Fähigkeit, die Sprache des anderen zu sprechen, sei rückläufig. Es gebe zu wenige Erasmus-Studenten. In der Umfrage gaben nur acht Prozent der Deutschen an, als Austauschüler in Frankreich gewesen zu sein. Umgekehrt sieht es nicht viel besser aus.

In Ludwigsburg, 15 Kilometer nördlich von Stuttgart, arbeiten sie im Deutsch-Französischen Institut daran, dass die mühsam errungene Freundschaft nicht sanft entschläft. Unterstützung dürften sie am kommenden Montag erhalten. Dann wollen Emmanuel Macron und Frank-Walter Steinmeier Ludwigsburg besuchen, als erste Station von Macrons Deutschlandreise. Die Präsidenten wollen im Forum am Schlosspark diskutieren - allerdings wohl nicht über das geringe gegenseitige Interesse, sondern über künstliche Intelligenz. Warum, wissen sie auch am Institut nicht so genau.

Aber Goulard freut sich natürlich trotzdem. Es ist nicht das erste Mal, dass ein französischer Präsident in Ludwigsburg vorbeischaut. 1962 hielt Charles de Gaulle hier seine "Rede an die deutsche Jugend", ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Élysée-Vertrag.

Bereits in den Jahren zuvor hatte sich Ludwigsburg um die Beziehung der beiden Länder verdient gemacht. Hier wurde 1948 das Deutsch-Französische Institut gegründet, "noch vor der Bundesrepublik Deutschland", wie der Direktor Frank Baasner betont. Wenig später entstand die erste Städtepartnerschaft zwischen Ludwigsburg und Montbéliard.

Der dortige Bürgermeister Lucien Tharradin hatte gegen die Nazis gekämpft, geriet in Gefangenschaft im Konzentrationslager Buchenwald, wurde aber trotzdem nicht bitter. In einem Artikel schrieb Tharradin später von der "wunderbaren Hoffnung", dass "unsere beiden kleinen Provinzen durch ihre natürlichen gemeinsamen Berührungspunkte unseren großen Nationen den schönen Weg zu einer gegenseitigen Verständigung zeigen." Die Freundschaft besteht noch heute und gedeiht, wie man hört, prächtig. Manches können Umfragen eben doch nicht messen.

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