Weniger Trubel an der Börse: Rund um den Frankfurter Handelsplatz wird der Straßenverkehr demnächst entschleunigt. Von Anfang Dezember an gilt in Teilen der Innenstadt Tempo 20, gleichzeitig fallen Parkplätze am Straßenrand weg. Das soll zu weniger Autoverkehr im Zentrum führen. Es ist auch Zeichen eines Kulturwandels - weg von der Priorisierung des Autos.
Umweltverbände fordern seit Langem, Bussen, Fahrradfahrern und Fußgängern im Verkehr mehr Raum zu geben. Der Automobilclub von Deutschland (AvD) warnt vor existenziellen Folgen für Einzelhändler. Der ADAC mahnt lediglich ausreichend Stellplätze in Parkhäusern an und weist darauf hin, dass sich die Verkehrsregeln ändern: In Tempo-20-Zonen seien alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt, es gebe dementsprechend auch keine Querungshilfen mehr wie Zebrastreifen oder Ampeln.
Frankfurts Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) betont, das Ziel sei keine autofreie, sondern eine autoarme Innenstadt. Geplant ist die Tempo-Beschränkung nur in den Nebenstraßen; auf den Hauptstraßen solle der Durchgangsverkehr weiterhin fließen. Rechtliche Grundlage des Schleichtempos ist die Anordnung von sogenannten verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen.
Letztlich wird in Frankfurt wieder einmal die grundlegende Frage diskutiert: Wem gehört die Stadt? Ein Streit, der mindestens so alt ist wie das Auto selbst. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts musste in England ein Warnläufer mit rotem Wimpel vor dem knatternden Automobil herrennen - 20 Stundenkilometer in der City wären unvorstellbar schnell gewesen.
Als die Motorisierung begann, trabte, rollte oder spazierte alles wild durcheinander. Dann wurden die Städte allmählich immer autogerechter. Die Beschleunigung des Autoverkehrs galt als Zeichen einer modernen Urbanität.
Es gibt 20 Millionen Pendler: Ein neuer Höchststand
Heute stecken die Städte in einem Dilemma: Allen Klimadebatten und Krisen zum Trotz wächst die Autoflotte in Deutschland schneller als die Bevölkerung. Die Zahl der zugelassenen Pkw nähert sich erstmals der Marke von 50 Millionen Fahrzeugen. Ein Treiber dieses Wachstums ist die zunehmende Zahl von Pendlern - Folge steigender Mieten in den Städten und der Möglichkeiten zum Home-Office. Mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland fahren über die Gemeindegrenzen hinaus zur Arbeit. Ein neuer Höchststand, wie eine Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zeigt.
Damit verstärkt sich auch der Interessenkonflikt: Wer in der Stadt wohnt, will weniger Autoverkehr. Wer einpendelt, will nicht mit Tempo 20 oder 30 durch die Stadt schleichen.
Die "Shared Space"-Bewegung fordert genau das: "Fahre langsamer, damit du schneller durch die Stadt kommst". Schon seit zwei Jahrzehnten bauen Stadtplaner daher in europäischen Städten Ampeln und Verkehrsschilder ab und nivellieren die Bordsteine. Der gemeinsam geteilte öffentliche Raum bedeute nichts anderes, als Menschen als mobile Verkehrshindernisse zurück auf die Straßen zu holen: "Risiko schafft Sicherheit", davon ist die "Shared Space"-Bewegung überzeugt.
Frankfurts neue Tempo-20-Zonen sind ein Schritt in diese Richtung. Doch die Stadt bleibt vorsichtig, sie will den Verkehr langsam und häuserblockweise beruhigen.