Nordrhein-Westfalen:Rücktritt nach der Party

Lesezeit: 3 min

Neun Tage nach der Jahrhundertflut feierte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) auf Mallorca. (Foto: Roberto Pfeil/dpa)

Nur wenige Tage nach der Flutkatastrophe feierte die NRW-Umweltministerin ein Fest auf Mallorca. Mit dabei: drei weitere Mitglieder der Landesregierung. Nun muss Ursula Heinen-Esser gehen.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Wegen ihres umstrittenen Mallorca-Aufenthalts unmittelbar nach dem Jahrhunderthochwasser im vergangenen Juli ist Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) am frühen Donnerstagabend zurückgetreten. Ihre Reise hatte die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen zunehmend belastet. Fünf Wochen vor der Landtagswahl an Rhein und Ruhr hatte Heinen-Esser einräumen müssen, sie habe neun Tage nach der Flut drei andere CDU-Mitglieder der Landesregierung auf die Insel eingeladen, um dort gemeinsam den Geburtstag ihres Ehemanns zu feiern.

Forderungen der Opposition von SPD und Grünen nach ihrem Rücktritt hatte Heinen-Esser zwar noch gegen Mittag abgelehnt. Nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Nachmittag gab die Ministerin dann doch auf. Sie wolle ihre Familie schützen und "Schaden vom Amt abwenden". Der Flut waren im Juli 2021 allein in NRW 49 Menschen zum Opfer gefallen. Die größte Naturkatastrophe des Bundeslandes hatte Schäden von geschätzt 13 Milliarden Euro verursacht.

Heinen-Esser hatte sich in den vergangenen Wochen wiederholt in Widersprüche verstrickt. Ende Februar hatte die 56-jährige Kölnerin vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags zunächst eingeräumt, sie sei nach der Flut vom 14. und 15. Juli 2021 und einer Krisensitzung des Landeskabinetts am 16. Juli für "vier Tage" zurück zu ihrer Familie nach Mallorca geflogen. Nach weiteren Ermittlungen des Ausschusses zu ihren präzisen Flugdaten (auch unter Einschaltung des Bundeskriminalamts) korrigierte die Ministerin, sie sei neun Tage auf der Insel geblieben. Zur Begründung gab sie wiederholt an, sie habe sich dort um ihre 15-jährige Tochter und deren Freundinnen kümmern müssen.

Am Donnerstag bestätigte sie nun einen Bericht des Kölner Stadtanzeigers, dass sie am 23. Juli mit befreundeten Kabinettskollegen den 76. Geburtstag ihres Ehemanns gefeiert habe. Die Ministerin beteuerte erneut, sie habe ihre Amtsgeschäfte auch von Mallorca aus vollumfänglich wahrgenommen.

"Scampi und Weißwein unter der Sonne"

Im Düsseldorfer Landtag war seit Tagen auch aus Kreisen der Regierungsfraktionen von CDU und FDP zunehmende Kritik an dem "unglücklichen bis unverständlichen Informationsgebaren" der Ministerin zu hören. In einer Textempfehlung des CDU-Landesverbands für christdemokratische Wahlkämpfer hieß es am Nachmittag, ein Geburtstagsessen auf Mallorca nach der Flut sei "kein glückliches Bild".

Weitaus schärfer äußerte sich die Opposition. Heinen-Esser habe "das Parlament belogen", sagte die Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer. Thomas Kutschaty, der SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl am 15. Mai, sprach von einem "instinkt- und pietätlosen Verhalten". Der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, Stefan Kämmerling, dessen Wahlkreis in den Flutgebieten östlich von Aachen liegt, fügte hinzu: "Scampi und Weißwein unter der Sonne, während Zehntausende Menschen im Land im Dreck sitzen - das ist ein Scherbenhaufen."

Brisant für die weiteren Ermittlungen ist, dass neben Stephan Holthoff-Pförtner, dem Minister für Europa-Angelegenheiten, und Serap Güler, der damaligen Staatssekretärin für Integration, auch die Heimatministerin an der Wochenendreise nach Mallorca teilnahm. Ina Scharrenbach ist seit der Flut für den Wiederaufbau in den Flutgebieten zuständig. Heinen-Esser hatte ihre Parteifreundin damals als Stellvertreterin in Düsseldorf für eventuelle "Kabinettsangelegenheiten" benannt. Nun stellt sich heraus, dass beide gleichzeitig drei Tage lang auf Mallorca waren.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung zeigt Scharrenbachs Dienstkalender, dass sie vom 23. bis 25. Juli 2021 auf Mallorca auch telefonisch oder digital keinerlei Termine wahrnahm, die mit dem Untersuchungsgegenstand des Ausschusses - also mit der Flut - zu tun gehabt hätten. Ein Tag ist sogar völlig frei von jedem Eintrag in ihrer Agenda. Für Nachfragen im Ausschuss dürfte zudem sorgen, dass die Heimatministerin bei ihrer Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss Anfang Februar den Eindruck erweckt hatte, sie sei im Juli 2021 nur drei Tage vor der Flut im Urlaub gewesen. Ihre Reise nach Mallorca erwähnte sie damals mit keinem Wort. Fraglich scheint zudem, ob Scharrenbach ihre dreitägige Abwesenheit ordnungsgemäß der Düsseldorfer Staatskanzlei gemeldet hatte. In der Geschäftsordnung der NRW-Landesregierung heißt es wörtlich: "Urlaubszeiten, Abwesenheiten von mehr als drei Tagen und Reisen nach Orten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland sind dem Ministerpräsidenten rechtzeitig vorher anzuzeigen."

Die Heimatministerin erklärte auf SZ-Nachfrage, sie ärgere sich maßlos über den Eindruck, der nun aus ihrem Wochenendbesuch entstehe. Europaminister Holthoff-Pförtner beteuerte, das Leid der von der Unwetterkatastrophe betroffenen Menschen habe ihn "tief getroffen". Sollte seine Mallorca-Reise "einen anderen Eindruck erweckt haben, so bedauere ich dies sehr". Auch Serap Güler, inzwischen CDU-Bundestagsabgeordnete, bestätigte der SZ ihre Spanien-Reise. Von Bedauern sprach sie nicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: