Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine:Möglichst unbürokratisch

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Flüchtlingsunterkunft im Landkreis Peine in Niedersachsen: Hunderttausende sind bereits in Deutschland, mit vielen weiteren wird gerechnet. (Foto: Moritz Frankenberg/dpa)

Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, wie sie die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine finanzieren wollen. Insgesamt sind sechs Milliarden Euro vorgesehen

Von Roland Preuß und Henrike Roßbach, Berlin

Am späten Donnerstagabend konnten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) eine Einigung verkünden: Bund und Länder wissen nun, wie sie die Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen aus der Ukraine verteilen wollen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie soll den Ukraine-Flüchtlingen geholfen werden?

Von Juni an werden sie direkt nach ihrer Registrierung in die Grundsicherung aufgenommen. Für Kinder und erwerbsfähige Erwachsene bedeutet das Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, sprich: Hartz IV. Ältere Menschen wiederum bekommen die Grundsicherung im Alter entsprechend dem Sozialgesetzbuch XII.

Ist das eine Abweichung vom üblichen Vorgehen?

Ja, denn Asylsuchende werden eigentlich nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unterstützt. Es sieht geringere Sätze vor als Hartz IV, auch die medizinische Versorgung ist beschränkt auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzen. Asylbewerber können zudem nicht einfach in Deutschland arbeiten.

Welchen Vorteil hat es für die Geflüchteten, dass sie schnellen Zugang zur Grundsicherung haben?

Sie erhalten mehr Geld und sie können sich direkt an die Jobcenter wenden - wie einheimische Bezieher von Grundsicherung auch. "Soziale Unterstützung, Arbeitsvermittlung, Unterstützung bei der Kinderbetreuung und psychosoziale Angebote kommen so aus einer Hand", sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Freitag.

Was wird noch getan, um die Geflüchteten schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren?

Ihre beruflichen Fähigkeiten und Abschlüsse sollen unkompliziert anerkannt werden. Bund, Länder und die Dachverbände der Wirtschaft haben sich darauf verständigt, dass ukrainische Geflüchtete ihre Qualifikation selbst einschätzen dürfen, wenn es um sogenannte nicht reglementierte Berufe geht - wie Maurer oder Kauffrau oder auch akademische Berufe wie etwa Mathematiker. Bei reglementierten Berufen, wie Ärztin oder Lehrer, soll es eine "schnelle und einheitliche Anerkennung" ukrainischer Abschlüsse geben. Normalerweise ist die Anerkennung ausländischer Abschlüsse oft ein mühsames und langwieriges Unterfangen.

Ist es nicht ungerecht, dass für ukrainische Flüchtlinge andere Regeln gelten als für Geflüchtete aus anderen Ländern?

In der Tat werden die Vertriebenen aus der Ukraine sofort wie anerkannte Asylsuchende behandelt. Das begründen Bund und Länder damit, dass sie - anders als andere Flüchtlinge - sofort Anspruch auf einen Aufenthaltstitel hätten, nämlich auf "Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz" auf Grundlage von § 24 des Aufenthaltsgesetzes. Das wiederum geht auf einen Beschluss des Europäischen Rates vom 4. März zurück. Laut dem Beschlusspapier vom Donnerstag ist deshalb eine Entscheidung über einen Asylantrag gar nicht nötig - weshalb der Asylbescheid auch nicht zur Voraussetzung für den Grundsicherungsbezug gemacht werden kann. "Das Aufenthaltsrecht existiert", sagte Scholz, "und deshalb ist das auch der richtige Regelkreis, um die Integration und den Aufenthalt hier zu ermöglichen." Mit "Regelkreis" ist in dem Zusammenhang die Grundsicherung in Abgrenzung zum Asylbewerberleistungsgesetz gemeint, das einen anderen "Regelkreis" darstellt.

Wer zahlt jetzt was?

Die Grundsicherung, also die monatlichen Regelsätze, trägt der Bund. Darüber hinaus übernimmt er derzeit bis zu 74 Prozent der Kosten für Heizung und Unterkunft. Zusätzlich zahlt der Bund den Ländern und Kommunen dieses Jahr pauschal zwei Milliarden Euro: 500 Millionen, um den Kommunen bei den Unterkunftskosten stärker zu helfen, 500 Millionen Euro als Abschlagszahlung an die Länder für diejenigen Kosten, die bis Juni entstanden sind und noch entstehen. Und eine Milliarde als Beteiligung an den Integrationskosten, etwa für Kita- und Schulplätze und die Gesundheitsversorgung.

Wo kommt das Geld her?

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wird zusätzliche Schulden machen und hat einen "Ergänzungshaushalt" angekündigt. Die Flüchtlingskosten dürften dabei etwa sechs Milliarden Euro ausmachen, hinzu kommen rund 17 Milliarden Euro für die geplanten Entlastungen der Bürger angesichts der gestiegenen Energiepreise.

Ist der Ergänzungshaushalt damit komplett?

Nein. Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben am Freitag noch Unternehmenshilfen angekündigt; Lindner sprach von einem "wirtschaftspolitischen Stoßdämpfer". Dazu gehören ein KfW-Kreditprogramm über sieben Milliarden Euro, erweiterte Bürgschaftsprogramme und befristete Kostenzuschüsse für Unternehmen, deren Energiekosten gegenüber dem Vorjahr um mindestens 100 Prozent gestiegen sind. "Besonders relevante Unternehmen" können im Einzelfall auch durch eine Beteiligung des Bundes gestützt werden. Schließlich ist ein Kreditvolumen von 100 Milliarden Euro vorgesehen für Unternehmen, die angesichts der Kostensteigerungen mehr Kapital brauchen, um ihre Verträge abzusichern. Für den Ergänzungshaushalt relevant sind nur die Zuschüsse, Lindner rechnete mit rund fünf Milliarden Euro. Hinzu kommen werden noch Ausgaben für humanitäre Hilfe im Ausland sowie möglicherweise "Ertüchtigungshilfe" für die ukrainische Armee.

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