Nach dem Fischsterben in der Oder:Kleine Fische

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Auf der polnischen Seite der Oder bei Frankfurt geht der Ausbau des Flusses weiter. (Foto: Winfried Mausolf/IMAGO)

Grüne fordern einen Ausbaustopp an der Oder. Sie argwöhnen, dass es um Platz für größere Schiffe statt um Hochwasserschutz geht.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Die Sache mit dem Hochwasserschutz an der Oder halten die Grünen für vorgeschoben. Und zwar die polnischen wie auch die deutschen Grünen. Die polnische Regierung wolle schlicht die Oder viel stärker für die Lastenschifffahrt nutzen. Der angebliche Hochwasserschutz diene nur dazu, Fördergelder zu bekommen. Tatsächlich gibt es Pläne des polnischen Infrastrukturministeriums, die einen Ausbau des deutsch-polnische Grenzflusses modellieren - für deutlich größere Lastenschiffe als jetzt. Das passt zu dem Vorhaben der polnischen Regierung, einen Containerhafen in Świnoujście (Swinemünde) an der Ostsee zu bauen, der dann als Umschlaghafen zwischen Oder und Ostsee dienen könnte.

Der Ausbau muss aufhören - das war die zentrale Forderung der Veranstaltung am Montag in Frankfurt an der Oder, zu der die Grünen aus dem Landtag Brandenburg und dem Bundestag eingeladen hatten. Polnische Regierungspolitiker waren nicht dabei, die Grünen hatten sie erst gar nicht eingeladen. Man wolle "zusammenarbeiten und gemeinsam Dinge vorantreiben" - und das gehe mit den Politikern der regierenden Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) derzeit schlecht. Das von der FDP geführte Bundesverkehrsministerium habe die Einladung ausgeschlagen, merkten die Veranstalter etwas verschnupft an. Immerhin ein tschechischer Regierungsvertreter ist zugeschaltet und erklärt stolz, dass sein Land die milliardenschweren Pläne für einen Donau-Oder-Elbe Kanal nun aufgegeben habe. Der Naturschutz gehe vor.

Von der Katastrophe im Sommer hat sich der Fluss noch nicht erholt

Es geht der Oder nicht gut. Nach dem massenhaften Sterben von Fischen, Muscheln, Schnecken im vergangenen Sommer hat sich der Fluss noch längst nicht erholt. Was der Gewässerbiologe Christian Wolter vom Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Potsdam besonders bedenklich findet, sind die "Dauerstadien" der Goldalge Prymnesium Parvum auf einer Länge von 300 Kilometern.

Diese Alge hatte sich vergangenen Sommer, begünstigt durch Hitze, niedrigen Wasserstand, hohe Sonneneinstrahlung, besonders aber durch viel zu hohen Salzgehalt im Wasser, rasant ausgebreitet - ihre für die Wassertiere giftige Blüte führte schließlich zur Katastrophe. "Es kann sein, dass diese Alge im Sommer auf 300 Kilometern gleichzeitig anfängt zu blühen", sagt Wolter, allerdings sei noch zu wenig bekannt über die offenbar extrem resistente Alge.

Die Weltbank will das Projekt erneut prüfen. Könnte Zweckentfremdung vorliegen?

Da Grüne und Naturschützer in Frankfurt im Wesentlichen unter sich bleiben, ist die Stoßrichtung klar: kein weiterer Ausbau der Oder, weniger Abwassereinleitungen, am liebsten gar keine mehr. Das Bundesverkehrsministerium hatte auf Anfrage der SZ erklärt, dass von einem Ausbau der Oder hin zu einer Wasserstraße höherer Klassifizierung, also für schwerere Kähne, keine Rede sein könne. Lediglich Instandhaltungsmaßnahmen seien vorgesehen. Polen und Deutschland hatten 2015 ein Abkommen über "die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet" geschlossen.

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Es sollte auch besseren Hochwasserschutz bringen, weil im Winter Eisbrecher besser durchkämen. Allerdings lägen den Planungen längst überholte Daten zugrunde, kritisiert etwa Piotr Nieznański von der Initiative "Retten wir die Flüsse". Um den Ausbau zu finanzieren, so Nieznański, setze die Regierung nun auf Kredite von der Weltbank - unter Verweis auf den Hochwasserschutz. Die Weltbank will das Projekt nun einer erneuten Prüfung unterziehen. Polnische und deutsche Grüne hatten gemeinsam eine "mögliche Zweckentfremdung der für Hochwasserschutz bewilligten Mittel" angeprangert. Hochwasser würden angesichts jüngerer Wetterdaten durch die polnischen Planungen sogar wahrscheinlicher.

"Es würde uns helfen, wenn Deutschland klar Stellung beziehen würde, dass das ein schlechter Vertrag ist", sagt Radosław Gawlik, polnischer Grünen-Politiker in Frankfurt an der Oder. Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte dazu in Frankfurt nur: "Ich sehe den Oder-Ausbau auf polnischer Seite kritisch, aber auch die Planungen auf deutscher Seite." Die sind Sache von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Für Polen hofft Gawlik auf eine neue Regierung.

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