FDP:Der Ampel entkommen

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Gute Stimmung in Stuttgart: Christian Lindner mit den lokalen FDP-Größen Michael Theurer (links) und Hans-Ulrich Rülke (rechts) beim Dreikönigstreffen 2019. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

In Baden-Württemberg wollte die FDP sehr gerne mit Grün und Rot regieren - und bekam eine Abfuhr. Heute ist sie darüber erleichtert. Doch wie steht die Landespartei zur Bundesregierung?

Von Roland Muschel, Stuttgart

Mit dem "Räuber Hotzenplotz" hat die Staatsoper Stuttgart an Dreikönig ein eher vergnügliches Stück im Programm. Zuvor aber wird auf der Bühne eine Aufführung geboten, die mehr ins Ernsthafte bis Existenzielle tendiert: das Dreikönigstreffen der FDP. Die Bundespartei balanciert in Umfragen auf der Fünf-Prozent-Hürde, bei den diesjährigen Landtagswahlen in Ostdeutschland droht der Partei die nächste Enttäuschung. Dagegen ist die Lage beim Gastgeber des liberalen Jahresauftakts fast schon heiter: Für die FDP Baden-Württemberg machten Demoskopen zuletzt acht Prozent Zustimmung aus, Tendenz: steigend.

Nun versteht sich der zweitgrößte Landesverband traditionell als "Stammland" des Liberalismus. Der stellte bei der Gründung Baden-Württembergs 1952 den bundesweit ersten Ministerpräsidenten mit FDP-Parteibuch, Reinhold Maier. Bei der jüngsten Bundestagswahl erzielte die Südwest-FDP im Ländervergleich das beste Zweitstimmenergebnis.

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Die bessere Stimmungslage beruht aktuell vor allem auf der Tatsache, dass die FDP in Stuttgart nicht mitregiert. "Unsere Wähler im Land sehen uns als Gegenpart zum grünen Politikentwurf, während wir im Bund als Teil einer gemeinsamen Koalition mit den Grünen gesehen werden", sagt Baden-Württembergs FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Der 62-Jährige ist als scharfzüngiger Kritiker der Grünen berüchtigt, die ihm aufgrund seiner Verbalattacken den Beinamen "Brüllke" verpasst haben.

Bei der Mitgliederbefragung über den Verbleib in der Ampel haben die Funktionsträger im Land an der Basis gleichwohl für Zustimmung geworben, vor allem mit Verweis auf die Steuererleichterungen. Sie warnten die Mitglieder zugleich, dass ein Koalitionsbruch ins politische Abseits führe.

Eine länderspezifische Auswertung der Mitgliederbefragung fehlt zwar. Indizien, dass die Stimmung in Baden-Württemberg ampelfreundlicher sein könnte als im Rest der Republik, hat die Parteiführung um Rülke und FDP-Landeschef Michael Theurer aber auch nicht gesammelt. Theurer sagt, die Mitglieder im Land seien "sauer über Dinge, die uns die Grünen eingebrockt haben". Allen voran die Debatte über das Gebäudeenergiegesetz.

Die FDP hofft auf die Zeit nach der Ära Kretschmann

Im Südwesten arbeiten sich die Liberalen bereits seit 2011 an der Ökopartei ab. Die Wahl von Winfried Kretschmann zum ersten grünen Regierungschef der Republik markierte vor 13 Jahren nicht nur für die CDU, sondern auch für deren Juniorpartner FDP eine Zäsur. Nach zähen Jahren in der Opposition erschien den Liberalen nach der Landtagswahl 2021 aber sogar die Aussicht auf eine Stuttgarter Ampel unter grüner Führung verlockend. Als sich Kretschmann dann erneut für eine Koalition mit der CDU entschied, war die Enttäuschung groß.

Heute trauert der verpassten Chance wohl kein Liberaler mehr nach, Rülke schon gar nicht: "Ich bin nach den gescheiterten Sondierungen in Stuttgart 2021 noch keine Nacht hochgeschreckt mit dem Gedanken: Oh, nein, ich bin nicht Teil einer Ampelkoalition. Ich schlafe im Gegenteil sehr ruhig."

Dazu dürfte auch beitragen, dass in Baden-Württemberg die Ära Kretschmann ausklingt, der bis 2026 gewählt ist. Die Liberalen wittern nun ihre Chance. Mit dem Landes- und Fraktionschef der Südwest-CDU, Manuel Hagel, war Rülke im Sommer medienwirksam wandern. Beide eint der Wille zur Macht und die Sorge, dass der als möglicher Kretschmann-Nachfolger gehandelte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ihre Ambitionen noch gefährden könnte. Das schlimmste Szenario wäre aus dieser Sicht ein vorzeitiger Stabwechsel noch in diesem Jahr. Dann könnte Özdemir, so die Befürchtung, 2026 vom "Amtsbonus" profitieren.

Präventiv hat Hagel deshalb ausgeschlossen, dass die CDU während der Legislaturperiode einen Kretschmann-Nachfolger wählen würde. Aktuell liegt die Südwest-CDU in Umfragen deutlich vor den Grünen. Erste Liberale träumen angesichts der Entwicklung bereits von einer Rückkehr zum alten schwarz-gelben Zweierbündnis.

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