Koalition:FDP liebäugelt mit Schwarz-Gelb

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Bijan Djir-Sarai: "In Sitzungen mit Vertretern von CDU und CSU müsste ich nicht jedes Mal die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft erklären." (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Führende Liberale äußern sich mit wachsender Kälte über die Ampel. Der FDP-Generalsekretär wird besonders deutlich.

Von Henrike Roßbach, Berlin

An diesem Montag kommt der Bundestag zur ersten Sitzungswoche nach der Wahl zusammen - der Mini-Bundestagswahl, die vergangenen Sonntag in 455 Berliner Wahlbezirken stattgefunden hat, weil es dort bei der eigentlichen Bundestagswahl 2021 Unregelmäßigkeiten gegeben hatte. Wegen dieser Nachwahl müssen nun drei Berliner Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen und Linken ihre Mandate an Nachrücker aus anderen Bundesländern abgeben. Auch ein Liberaler scheidet aus - allerdings, ohne dass jemand nachrücken würde. Die FDP-Fraktion schrumpft netto.

Für die Liberalen ist das ein schlechter Start in die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Und vermutlich hat dieser neue Schlag seinen Anteil an der wachsenden Kälte, mit der führende FDP-Politiker sich derzeit über die Ampel äußern.

Parteivize Wolfgang Kubicki sagte der Süddeutschen Zeitung am Wochenende: "Selbstverständlich wurde intern über das Ergebnis der Wahl gesprochen." Allen Beteiligten sei klar, "dass das Ruder zügig herumgerissen werden muss". Noch deutlicher klangen die jüngsten Einlassungen des Generalsekretärs Bijan Djir-Sarai. "Ich bin fest davon überzeugt, dass eine bürgerliche Koalition aus CDU, CSU und FDP in der Lage wäre, die Probleme des Landes nicht nur gemeinsam richtig zu analysieren, sondern tatsächlich auch gemeinsam Lösungen zu finden", sagte er der Bild am Sonntag. "In gemeinsamen Sitzungen mit Vertretern von CDU und CSU müsste ich nicht jedes Mal die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft erklären."

Keine realistische Machtoption für die Union und die FDP im Bund

Djir-Sarai hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ihm Schwarz-Gelb lieber ist als jede andere Kombination. Nur gibt es derzeit im Bund keine realistische Machtoption für CDU/CSU und FDP. Die Liberalen liegen in den Umfragen unter fünf Prozent, und die Union trotz fataler Zustimmungswerte für die Ampel nur knapp über 30. CDU-Chef Friedrich Merz weiß das, weshalb er vergangene Woche bei einer Aschermittwochsveranstaltung in Thüringen sagte: "Wir werden einen Teufel tun, uns alle Optionen zu verschließen und damit jeden Handlungsspielraum zu nehmen." Am liebsten sei ihm die FDP, aber wenn die nicht mehr dabei sei, blieben eben nur SPD und Grüne.

In der FDP selbst hat Parteichef Christian Lindner zuletzt eine gewisse Sehnsucht nach einem politischen Leben jenseits der Ampel erkennen lassen. Vor einer Woche sagte er im ZDF, dass die FDP "in besonderer Weise" darunter leide, einer "sehr unbeliebten Regierung" anzugehören. In die nächste Bundestagswahl werde sie eigenständig gehen, was sehr wichtig sei für ihren Wahlerfolg. Viele Schwächen der Liberalen hingen damit zusammen, dass sie nicht als eigenständige Kraft gesehen würden, sondern nur als Teil der Ampel. Im Wahlkampf aber werde sich das "zum Glück von selbst erledigen".

Immer deutlicher zeichnet sich derweil ab, dass aus Sicht der FDP Wohl und Wehe der Ampel am Umgang mit der wirtschaftlichen Lage hängt. Diese Woche wird der Jahreswirtschaftsbericht vorgestellt, in dem die Regierung ihre Wachstumserwartungen abermals nach unten korrigieren musste - auf magere 0,2 Prozent. "Es ist offensichtlich, dass die ökonomische Schwächephase des Landes vor allem mit der FDP in der Regierung verbunden wird", sagte Kubicki der SZ. "Insofern ist es hauptsächlich unsere Verpflichtung, gerade im Bereich der Wirtschaftspolitik deutlich zu machen, dass der von Robert Habeck markierte Weg zum Teil sehr weit weg von dem ist, was das Land aktuell benötigt."

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Auch Djir-Sarai betonte, dass es für ihn "von enormer Bedeutung" sei, welche Schlussfolgerungen die Koalitionspartner aus der wirtschaftlichen Lage zögen. "Mein Eindruck ist bis jetzt, dass die Grünen bisher nicht auf dem Weg sind, diese zu ziehen und diese Notwendigkeiten auch umzusetzen." Und Lindner sagte beim Aschermittwoch der brandenburgischen FDP vergangene Woche, für ihn sei es "unvorstellbar", dass aus der einmütigen Analyse von ihm und Wirtschaftsminister Habeck zur Schwäche der deutschen Wirtschaft nichts folge.

Geht es nach Lindner und der FDP, würde mit dem Haushalt 2025 gleich auch ein Wachstumsprogramm auf die Beine gestellt werden. Das Problem ist nur: Während Grüne und SPD unter so etwas, grob gesagt, schuldenfinanzierte Subventionen für bestimmte Technologien und Branchen verstehen, hat die FDP Bürokratie- und Steuererleichterungen für die gesamte Wirtschaft im Sinn - unter Einhaltung der Schuldenbremse. Eine Kompromisslinie? Bislang nicht sichtbar.

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