Es ist ein ziemlich ungewöhnlicher Lebensweg, der Fatou Bensouda in die Rolle der obersten Verteidigerin der Menschenrechte gebracht hat. All die autoritären Herrscher und Unterdrücker, die Juntamitglieder und afrikanischen Putschisten, die sie heute als Chefanklägerin des Weltstrafgerichts auf die Anklagebank bringt - einst war dies auch ihre, Fatou Bensoudas, eigene Welt.
Bevor die Juristin im Jahr 2004 an den Internationalen Strafgerichtshof nach Den Haag kam, war sie eine wichtige Politikerin in ihrem Heimatland gewesen, dem westafrikanischen Gambia. Ihre Geschichte ist nicht die romantische einer Menschenrechtlerin reinen Herzens, die es nach ganz oben geschafft hat; sondern die einer Ex-Justizministerin, was in Gambia gleichbedeutend ist mit Generalstaatsanwältin. Sie herrschte über alle Anklagen; auch gegen Oppositionelle.
Wegen Ermittlungen gegen Amerikaner:USA verhängen Sanktionen gegen Chefanklägerin des Strafgerichtshofs
Trumps Außenminister Pompeo verkündet, dass Konten von Fatou Bensouda eingefroren werden, weil sie mögliche US-Kriegsverbrechen in Afghanistan untersucht. Human Rights Watch spricht von einer "erstaunlichen Pervertierung" des Prinzips der Sanktionen.
Es war eine Zeit in den 1990er-Jahren, als sich gerade ein junger Offizier an die Macht geputscht hatte, Yahya Jammeh. Und man kann der Juristin Bensouda zugutehalten, dass ihre Ernennung zur Ministerin in die Anfangszeit fiel, als dieser Offizier noch für Integrität und Modernität stand. Man kann ihr indes anlasten, dass sie blieb - auch als der Offizier sich wandelte. Amnesty International begann bald, von politischen Gefangenen, Folter und mysteriösen Todesfällen unter Regimekritikern zu berichten.
"Schon als Mädchen, das als Gerichtsschreiberin beim Obersten Gerichtshof Gambias arbeitete", so hat Bensouda der Süddeutschen Zeitung einmal erzählt, "hatte ich erlebt, wie sich mutige Frauen im gambischen Rechtssystem gegen sexuelle Gewalt wehrten." Schon damals sei sie "im Herzen Juristin" gewesen, habe gelernt, "dass das Recht die Kraft hat, die Niedergetretenen zu beschützen und ihnen etwas Gerechtigkeit zu verschaffen". Über ihre eigene Verwicklung mit dem gambischen Diktator, dessen Kabinett sie zwar im Jahr 2000 verließ, zu dessen Regierung sie aber weiter auch öffentlich Kontakt hielt - kein Wort.
2012 an die Spitze aufgerückt
Die Juristin Bensouda, heute 59 Jahre alt, ist deswegen nie als strahlende Moralistin angetreten. Sondern als Pragmatikerin. Stärkt das ihre Position gegenüber den vor allem afrikanischen Potentaten, die sie heute vor Gericht stellt, Leuten wie dem Präsidenten Kenias? Jedenfalls immunisiert es sie zum Teil gegen den wohlfeilen Vorwurf, der Strafgerichtshof sei bloß ein Projekt von Weißen, die aus luftiger Höhe auf den afrikanischen Kontinent herabblicken würden.
Dem Vorwurf, dass der Gerichtshof bis heute nicht die Traute habe, sich mit den wirklich Mächtigen wie den USA anzulegen, ist Bensouda in jüngerer Zeit entgegengetreten. 2012 ist sie von der Position der stellvertretenden Chefanklägerin an die Spitze aufgerückt. Sie hat dann versucht, Ermittlungen auch wegen möglicher amerikanischer Kriegsverbrechen in Afghanistan einzuleiten - beharrlich und im Streit gegen manche Ermittlungsrichter in Den Haag, denen die Traute offensichtlich fehlt.
Die Regierung der USA hat von Beginn an abgeblockt. Am Mittwoch nun hat US-Außenminister Mike Pompeo zudem eine Drohung wahrgemacht und Fatou Bensouda sowie einen hochrangigen Mitarbeiter auf die Sanktionsliste gesetzt. Das heißt, sie werden gleichgesetzt mit Terroristen, ihr Vermögen in den USA kann eingefroren werden. Solche Sanktionen hatte zuletzt auch Israels Regierung gefordert, die verärgert ist über - allerdings nur sehr verhaltene - Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen in Gaza. Nach außen hin protestierte das Gericht am Donnerstag gegen diese "Attacke auf unsere Unabhängigkeit".
Intern hieß es aber auch: Das sei eben "Teil der Jobbeschreibung" einer Chefanklägerin, dass sie sich bei Mächtigen unbeliebt mache. Wer Fatou Bensouda kennt, deren Amtszeit 2021 abläuft, fürchtet jedenfalls nicht, dass sie jetzt anders agieren wird.