Fall Nawalny:Deutschland weist russischen Diplomaten aus

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Ein Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin muss Deutschland verlassen. (Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP)

Auch Schweden und Polen reagieren auf die Entscheidung Russlands, drei europäische Diplomaten auszuweisen - darunter einen Deutschen. Moskau warf ihnen vor, sie hätten an Protesten gegen Putin teilgenommen.

Die Festnahme des Kremlkritikers Alexej Nawalny in Russland führt zu einem unschönen Wechselspiel auf diplomatischer Ebene: Nachdem Russland einen deutschen, einen polnischen und einen schwedischen Diplomaten ausgewiesen hat, die angeblich an regierungskritischen Protesten teilgenommen haben sollen, reagieren nun deren Heimatländer.

So muss ein Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin Deutschland verlassen. Das Auswärtige Amt teilte am Montag mit, dass der russische Diplomat zur "unerwünschten Person" (persona non grata) erklärt worden ist. Die Antworten aus Schweden und Polen sehen entsprechend aus: "Wir haben den russischen Botschafter darüber informiert, dass eine Person aus der russischen Botschaft gebeten wird, Schweden zu verlassen", teilte die schwedische Außenministerin Ann Linde am Montag auf Twitter mit. Polen weist einen Mitarbeiter des russischen Generalkonsulats in Poznan aus.

Nicht Demo-Teilnehmer, sondern Beobachter

Hintergrund ist die Vergiftung Nawanlys, dessen Leben durch die Behandlung in Deutschland gerettet wurde, und dem die russische Justiz vorwirft, er habe gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen. Schließlich habe er sich nicht in Moskau persönlich gemeldet. Nachdem Nawalny nach Moskau zurückgekehrt war, hatte ihn ein Gericht dort zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Am 23. Januar hatten in ganz Russland Zehntausende Menschen für seine Freilassung und gegen Präsident Wladimir Putin demonstriert. Dabei waren Tausende festgenommen worden. Das russische Außenministerium hatte danach drei europäische Diplomaten zu "unerwünschten Personen" erklärt, weil sie in Moskau und St. Petersburg an nicht genehmigten Protesten teilgenommen haben sollen. Die Regierungen der betroffenen Staaten weisen das zurück; die Vertreter seien nicht Teilnehmer, sondern Beobachter gewesen, hieß es.

Das russische Staatsfernsehen führte die Diplomaten dagegen wie Kriminelle vor: Sie veröffentlichten Bilder von Überwachungskameras, kreisten die Diplomaten mit Grafiksymbolen auf der Straße in der Menschenmenge ein und nannten sie mit vollem Namen und Funktion. "Er ging mit Absicht zielgerichtet ins Epizentrum der Ereignisse und begab sich dorthin, wo fast die meisten Leute waren", kommentierte der Sprecher der Nachrichtensendung.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell war zu Gesprächen in Moskau, um die Freilassung Nawalnys zu fordern, als die Entscheidung Russlands bekannt wurde. In einem Blog-Eintrag vom Sonntagabend schrieb er, er habe den Russischen Außenminister Sergej Lawrow sofort dazu aufgefordert, die Entscheidung rückgängig zu machen - allerdings vergebens.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte erklärte, der betroffene deutsche Diplomat sei seiner im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vorgesehenen Aufgabe nachgekommen, sich mit rechtmäßigen Mitteln über die Entwicklung vor Ort zu informieren. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Ausweisung der Diplomaten "ungerechtfertigt". Kritik an dem russischen Vorgehen war zudem unter anderem aus dem US-Außenministerium sowie vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron gekommen.

Die Politik wirkt sich auch auf die Zusammenarbeit innerhalb der Wissenschaft aus. Die deutsche Helmholtz-Gemeinschaft hat wegen der politischen Spannungen ihre "Wintergespräche" mit russischen Forschern abgesagt. Die schmerzhafte Entscheidung sei getroffen worden, um für die Teilnehmer unbequeme Situationen zu vermeiden, teilte die Gemeinschaft mit. Wegen der "nicht ganz günstigen politischen Atmosphäre" solle der für Dienstag geplante Wissenschaftsdialog auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden. Die Absage einer wissenschaftlichen Veranstaltung gilt als ungewöhnlicher Schritt, zumal Deutschland und Russland stets betonen, dass der Dialog in der Wissenschaft, Bildung und Kultur trotz politischer Spannungen nicht abreißen solle.

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