Bundesregierung:Faeser sieht sich entlastet, die Opposition dagegen noch Fragen offen

Lesezeit: 3 min

Innenministerin Nancy Faeser auf dem Weg zur Ausschusssitzung am Mittwoch. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die Innenministerin stellt sich in der Debatte über die Abberufung des früheren BSI-Chefs Schönbohm dem Parlament. Die Union ist unzufrieden und kündigt eine genaue Prüfung an: "Sie hat bei Weitem nicht alle Fragen beantwortet." Kritik kommt auch aus den Ampelparteien.

Von Nicolas Richter, Berlin

In der Debatte über die Abberufung des früheren Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) entlastet. Nach einem mehrstündigen Auftritt im Innenausschuss des Bundestages sagte sie über die Kontroverse: "Für mich ist es mit dem heutigen Tag beendet." Die Opposition dagegen ist unzufrieden und sieht noch immer offene Fragen. "Sie hat bei Weitem nicht alle Fragen beantwortet und sie hat teilweise auch die Widersprüche nicht aufgehoben, sondern teilweise sogar verstärkt", sagte Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Throm schloss nicht aus, dass die Union einen Untersuchungsausschuss fordern könnte. "Wir werden das alles sehr genau prüfen", sagte er.

Faeser hatte Ende 2022 den damaligen BSI-Präsidenten, Arne Schönbohm, abberufen. Sie wies auf mangelndes Vertrauen hin sowie auf eine verdächtige Nähe Schönbohms zu russischen Kreisen. Schönbohm leitet nun die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung. Beim BSI wurde er von Claudia Plattner abgelöst. Die Union wirft Faeser vor, sie habe Schönbohm im vergangenen Herbst voreilig und ohne ausreichende Tatsachengrundlage aus dem Amt entfernt, im Wesentlichen ausgelöst durch einen kritischen Beitrag in der satirischen Sendung "ZDF Magazin Royale".

Politisch brisanter ist ein zweiter Vorwurf: Offenbar war Faeser Anfang dieses Jahres unzufrieden, weil es ihrem Ministerium nicht gelungen war, genug belastendes Material über Schönbohm zu sammeln, um dessen Versetzung nachträglich zu begründen. Daraufhin soll Faeser verlangt haben, abermals beim Bundesamt für Verfassungsschutz nachzufragen, ob es dort Informationen über Schönbohm gebe. Dies legt ein interner Vermerk aus dem März 2023 nahe, der kürzlich bekannt wurde. Die Union warf Faeser daraufhin vor, sie habe den Inlandsgeheimdienst instrumentalisieren wollen, um einen unliebsamen Beamten zu diskreditieren.

Das Innenministerium hat den Verfassungsschutz nach der Sendung kontaktiert

Am Mittwoch im Ausschuss schilderte der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, den Ablauf aus seiner Sicht. Demnach habe seine Behörde den damaligen BSI-Chef Schönbohm in den Jahren 2016 und 2021 routinemäßig überprüft und nichts gefunden. Im Herbst 2022 nach der ZDF-Sendung dann habe das Innenministerium beim Verfassungsschutz angefragt, ob es neue Erkenntnisse zu Schönbohm gebe. Dies sei nicht der Fall gewesen. Daraufhin habe es in der Sache keinen Kontakt mehr mit Faesers Ministerium gegeben.

Aus Sicht der CDU entlastet diese Aussage des Geheimdienstchefs Faeser nicht, da ihr eigenes Verhalten im Unklaren bleibe. So habe die Innenministerin bei ihrer Befragung im Ausschuss den Inhalt des Vermerks bestritten - sie habe also nicht verlangt, beim Geheimdienst weitere Informationen über Schönbohm einzuholen. Auch habe sie bestritten, Geheimunterlagen über Schönbohm angefordert zu haben. "Insofern haben wir heute nahezu mehr Unklarheit als Klarheit", sagte Unionsexperte Throm.

Aus seiner Sicht haben auch die Aussagen von Verfassungsschutzchef Haldenwang die Ministerin nicht voll entlastet. Es gehe nämlich nicht um ein möglicherweise illegales Verhalten beim Geheimdienst, sondern um das "Amtsverständnis" der Innenministerin. Der Vermerk vom März 2023 stamme von einem ihrer engsten Mitarbeiter und zeige, dass Faeser damals sichtlich unzufrieden gewesen sei, weil sie die Abberufung Schönbohms nicht mit Tatsachen habe unterlegen können. Deswegen sei zu klären, ob Faeser bereit gewesen wäre, den Verfassungsschutz noch mal anzufragen. Da Faeser aber den Inhalt des Vermerks bestreite, "haben wir an dem Punkt eher mehr als weniger Fragen", sagte Throm. Ähnlich äußerten sich Vertreter von Linke und AfD.

Faeser hingegen verteidigte ihr Vorgehen. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine gebe es eine "völlig veränderte Sicherheitslage", auch bei der Cybersicherheit, sagte sie. In dieser Lage sei hundertprozentiges Vertrauen erforderlich. "Dieses Vertrauen war im Oktober 2022 nicht mehr gegeben", sagte Faeser. Schon vor ihrem Amtsantritt habe es Zweifel an Schönbohm gegeben, diese hätten dann auch sie erfasst. Dann seien in verschiedenen Medien Vorwürfe hinzugekommen über eine mögliche Russland-Nähe von Personen in seinem Umfeld. Die ZDF-Sendung habe "das mediale Echo nur verstärkt, war aber alles andere als der einzige Faktor". Sie habe Schaden vom BSI abwenden wollen, sagte die Innenministerin.

Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP sahen Faeser nach der Ausschusssitzung weitgehend entlastet, aber es gab es auch Kritik. Konstantin Kuhle, stellvertretender Fraktionschef der FDP, monierte, Faeser habe sich zu lange Zeit gelassen, um sich den Fragen im Innenausschuss zu stellen. Der Auftritt sei "zu spät" gekommen, die Vorwürfe stünden bereits seit Monaten im Raum. Faeser räumte ein, dass dies unglücklich war, und entschuldigte sich beim Ausschuss dafür.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKrise auf dem Wohnungsmarkt
:Zum Steinerweichen

Klara Geywitz war angetreten, die Wohnungsprobleme der Menschen in Deutschland zu lösen, zumindest deutlich zu lindern. Das hat erkennbar nicht geklappt. Welchen Anteil die Bauministerin am Desaster hat - und was sie nicht beeinflussen kann.

Von Angelika Slavik

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: