Asylpolitik:Georgien und Moldau sollen "sichere Herkunftsstaaten" werden

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Ein Mädchen spielt in der Erstaufnahme-Einrichtung Eisenhüttenstadt. Mehr als jeder zehnte abgelehnte Asylantrag kommt laut Innenministerium von Menschen aus Georgien oder Moldau. (Foto: Maja Hitij/Getty)

Die Regierung winkt einen Gesetzentwurf von Innenministerin Faeser durch, der Abschiebungen in die beiden Länder erleichtert. Pro Asyl kritisiert dies als "Abschreckungskonzept".

Von Constanze von Bullion, Berlin

Monat für Monat wächst der Druck auf die Bundesregierung, die Einreise von Asylbewerbern zu drosseln - irgendwie. Kommunen sehen sich am Rand ihrer Kapazitäten, die AfD heizt den Volkszorn an. Aber auch in der Union erwecken führende Köpfe inzwischen den Eindruck, unerwünschte Einwanderer könnten einfach ausgesperrt werden, auch durch Abschaffung des geltenden Asylrechts.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sucht sich der Umklammerung nun durch einen nächsten Schritt in der Migrationspolitik zu entziehen. Die Sozialdemokratin will die osteuropäischen Staaten Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsstaaten erklären lassen. Ein Gesetzentwurf, der Abschiebungen beschleunigen soll, wurde bei der Kabinettsklausur in Meseberg beschlossen.

Nur 0,15 Prozent der Asylanträge von Moldauern werden anerkannt

"Wir werden unserer humanitären Verantwortung gegenüber den Menschen gerecht, die vor Verfolgung, Krieg und Terror flüchten", erklärte die Innenministerin am Mittwoch. Migranten aus der Kaukasusrepublik Georgien und dem Ukraine-Anrainer Moldau aber bräuchten einen solchen Schutz meistens gar nicht: "In beiden Staaten droht Menschen in aller Regel keine politische Verfolgung." Mehr als jeder zehnte abgelehnte Asylantrag in Deutschland komme von Menschen aus einem dieser beiden Länder. Im ersten Halbjahr seien 6612 Anträge von georgischen und 1910 von moldauischen Staatsangehörigen gestellt worden, aber nur 0,15 Prozent seien anerkannt worden. "Hier können wir also sehr schnell irreguläre Migration wirksam reduzieren."

Was Faeser am Mittwoch verkünden ließ, hatte 2019 noch zu harten Konflikten mit den Grünen geführt. Schon damals sollte Georgien zu einem sicheren Herkunftsland erklärt werden, zusammen mit Marokko, Tunesien und Algerien. Widerstand kam damals von Parteichefin Annalena Baerbock, aber auch aus Bundesländern, in denen Grüne mitregierten. Faesers aktuelles Gesetz betrifft nun Georgien und Moldau. Es soll Abschiebungen erheblich erleichtern, wenn im Herkunftsland "generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten" ist.

Wo das gilt, hat 1996 das Bundesverfassungsgericht umrissen. Komme der Gesetzgeber nach sorgfältiger Prüfung zur Überzeugung, dass in einem Staat "weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet", und gehe er davon aus, dass dies "innerhalb eines überschaubaren Zeitraums" so bleibe, könne er den Staat zum sicheren Herkunftsland erklären.

Asylbewerber aus solchen Ländern würden trotzdem angehört, betont Faeser in dem Entwurf. Anders als sonst üblich wird für diese Heimatländer aber eine "Verfolgungssicherheit" angenommen. Diese bei der Anhörung zu widerlegen, ist schwierig, die Beweislast dreht sich um. Wird ein Antrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt, verkürzt sich die Ausreisefrist auf eine Woche, eine Klage hat keine aufschiebende Wirkung mehr.

Es wird "Verfolgungssicherheit" angenommen, sagt Faeser

Weder in der Bundestagsfraktion noch an der Parteispitze der Grünen mochte man sich auf Anfrage zu Faesers Plänen äußern. Einwände meldete die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl an: Sowohl in Georgien als auch in Moldau gebe es Regionen, die von der Zentralregierung nicht kontrolliert würden. Hier könne sie für Rechtsstaatlichkeit nicht garantieren. In Georgien schütze der Staat zudem queere und homosexuelle Menschen nicht vor "gewaltsamen Übergriffen". In Moldau würden Roma "stark ausgegrenzt und diskriminiert". Die Organisation forderte, "auf das Abschreckungskonzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu verzichten".

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Amnesty International hatte zuletzt die Menschenrechtslage in Georgien kritisiert: Die Meinungsfreiheit sei 2022 "noch stärker unter Druck" geraten. Oppositionelle würden "Opfer selektiver Rechtsanwendung und politisch motivierter strafrechtlicher Verfolgung". Auch Faesers Entwurf erwähnt "Defizite" und "Rückschritte im Bereich Demokratie" in Georgien, wo es im März zu schweren Protesten kam. Dennoch setze das Land "seinen Reformweg konsequent fort", um der EU beitreten zu können. Ähnliches gelte für den EU-Kandidaten Moldau. Dort werde die Volksgruppe der Roma zwar benachteiligt, erfahre aber keine "unmittelbare staatliche Diskriminierung".

Auch den Einwand, dass die Regierungen von Georgien und Moldau nur Teile ihres jeweiligen Staatsgebiets kontrollieren, lässt Innenministerin Faeser nicht gelten. Zur Feststellung eines sicheren Herkunftsstaates sei es laut Verfassungsgericht nicht erforderlich, dass "absolute Verfolgungsfreiheit besteht und keine Einzelfälle von Verfolgung stattfinden". Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gehen Faesers Pläne nicht weit genug. Auch Länder wie Armenien, Indien und die Maghreb-Staaten müssten als sichere Herkunftsstaaten gelten, die Anerkennungsquote für Asylanträge liege unter fünf Prozent.

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