Live-Blog zu den Wahlen:Kramp-Karrenbauer räumt "eigene Fehler" ein

  • Die Christ- und Sozialdemokraten werden nach erheblichen Verlusten erstmals nicht mehr in der Lage sein, alleine eine Mehrheit im Europaparlament zu stellen.
  • Rechte EU-Skeptiker, Liberale und Grüne gewinnen europaweit dazu.
  • In Deutschland verlieren CDU und SPD massiv an Stimmen - die Ursachen sehen sie unter anderem in Defiziten beim Thema Klimaschutz.
  • Die Grünen sind die großen Gewinner - und werden von der AfD scharf angegriffen.
  • In Österreich fährt die FPÖ nach dem Strache-Video leichte Verluste ein. Der Ex-Parteichef könnte aber dennoch ins EU-Parlament einziehen.
  • Die rechtsradikale Partei "Rassemblement National" von Marine Le Pen hat in Frankreich laut Prognosen mehr Stimmen geholt als die Partei von Präsident Emmanuel Macron.
  • Nach der Wahl stellt sich nun verstärkt die Frage: Wer steht künftig an der Spitze der EU-Kommission?

Von SZ-Autoren

Alle Entwicklungen im Liveblog:

Philipp Saul
Philipp Saul

Erstplatzierte nach Ländern und Sitzen


Wie einflussreich sind die jeweils erstplatzierten Parteien in den EU-Ländern? Eine normale Karte mit den jeweiligen Erstplatzierten zeigt das nicht. Der Einfluss lässt sich vor allem an der Zahl der Parlamentssitze ablesen, die die jeweiligen Parteien bekommen.

Sortiert ist die Grafik nach den meisten Sitzen. So hat die Brexit Party (Sonstige) in Großbritannien 29 Sitze, in Deutschland erreichen CDU und CSU (EVP) ebenfalls 29 Sitze. Den geringsten Einfluss haben die Erstplatzierten in kleinen EU-Ländern wie Estland, Lettland, Luxemburg und Zypern mit je zwei Sitzen.
Philipp Saul
Philipp Saul

Strache könnte ins EU-Parlament einziehen


Österreichs Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kann nach seinem Rücktritt als Vizekanzler und Parteichef laut Medienberichten ins EU-Parlament einziehen. Der 49-Jährige erhielt nach Angaben des österreichischen ORF-Journalisten Martin Thür besonders viele Vorzugsstimmen und hat damit trotz eines schlechten Listenplatzes Anspruch auf ein Mandat.

Mit Vorzugsstimmen können Kandidaten unabhängig von der Aufstellung der Liste unterstützt werden. Strache stand auf der FPÖ-Liste auf dem 42. Platz. Nicht bekannt ist, ob Strache ein Vorzugsstimmenmandat annehmen wird.
Benedikt Peters
Benedikt Peters

FDP: "Es wird auf die Liberalen ankommen"


Nun hat sich auch FDP-Chef Christian Lindner geäußert. Im Haus der Bundespressekonferenz sagt er zum Europawahl-Ergebnis seiner Partei: "Das ist eine gute Basis, auf der wir uns weiterentwickeln möchten." Die FDP hatte 5,4 Prozent erhalten und sich damit im Vergleich zu 2014 um etwa zwei Prozentpunkte verbessert. Für Lindner zeigt das Ergebnis der Europawahl in Deutschland eine Polarisierung auf. Während in manchen Städten die Grünen dominierten, sei in anderen Gegenden, "nicht nur in Ostdeutschland" die AfD stärkste Kraft geworden. Damit gebe es "zwei vollkommen gegensätzliche Pole". Die FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer warb mit Blick auf das starke Abschneiden der Liberalen in Europa für Margrethe Vestager, die sich um das Amt der Kommissionspräsidentin bewirbt. "Es wird auf die Liberalen ankommen."
Markus C. Schulte von Drach
Markus C. Schulte von Drach

Nahles schließt Rücktritt aus


"Die Verantwortung, die ich habe, spüre ich, die will ich aber auch ausfüllen." Mit diesen Worten hat SPD-Chefin Andrea Nahles auf der Pressekonferenz in Berlin einen Rücktritt vom Parteivorsitz ausgeschlossen. Der Parteivorstand habe eingeräumt, dass die 15 Prozent in der Europawahl auch in den vergangenen 15 Jahren entstanden seien.
Philipp Saul
Philipp Saul

Salvini will Rechtsfraktion mit 100 bis 150 Mitgliedern


Der Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, will europaskeptische Parteien im EU-Parlament zu einer bis zu 150 Mitglieder starken Fraktion zusammenführen. Er zähle auf die Brexit-Partei des britischen Nigel Farage und darauf, dass die Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán die EVP verlasse und sich seiner "Europäischen Allianz der Völker und Nationen" anschließe, sagte der italienische Vize-Ministerpräsident in Mailand. Er hoffe auf eine Fraktion mit mindestens 100 Mitgliedern. Wenn sich Parteien aus Tschechien, Finnland, Schweden, Dänemark und Spanien anschlössen, könnten es sogar 150 werden. Dazu müssten die einzelnen Parteien ihre Befindlichkeiten überwinden.

In der europäischen Wirtschaftspolitik fordert Salvini eine Lockerung der Defizitregeln: "Es ist an der Zeit, alte und veraltete Regeln, die Europa geschadet haben, völlig neu zu diskutieren." Niedrigere Steuern seien für die Italiener "das Schlüsselthema" und würden die Grundlage für den Haushalt des nächsten Jahres bilden. Dieser werde im Herbst vorgelegt, sagte Salvini.
Markus C. Schulte von Drach
Markus C. Schulte von Drach

Nichts Neues von Barley

SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley zeigt sich auf der Pressekonferenz in Berlin traurig - insbesondere weil die Stimmung an der Basis im Wahlkampf doch "ausgesprochen gut" gewesen sei. Wie bereits am Wahlabend sagt sie: "Ich habe alles gegeben, was ich hatte und was ich konnte", sagt sie. Gescheitert sei die SPD vor allem daran, dass es schwierig gewesen sei, den Menschen zu erklären, wie wichtig ein soziales Europa sei. Auch habe die SPD die Menschen beim Thema Klimawandel mit ihren Antworten nicht überzeugen können.
Markus C. Schulte von Drach
Markus C. Schulte von Drach

Nahles für Timmermans als Kommissionspräsident


Zur Situation in Brüssel erklärt Nahles, man habe eine klare pro-europäische Mehrheit im Europäischen Parlament erreicht. Nun werde die SPD dafür streiten, dass der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans auch Präsident der Europäischen Kommission werde.
Markus C. Schulte von Drach
Markus C. Schulte von Drach

Debatte in der SPD über die Profilbildung

Insbesondere angesichts der anstehenden Halbzeitbilanz der großen Koalition habe man die Profilbildung der SPD in der Regierung debattiert, sagt Nahles. Immerhin hatte sie einige Erfolge vorzuweisen: Mancherorts, etwa in Cuxhaven, Wiesbaden und Saarbrücken, habe die SPD bei den Kommunalwahlen gut abgeschnitten.
Markus C. Schulte von Drach
Markus C. Schulte von Drach

Nahles: "Der Ernst der Lage ist allen vollkommen klar"

Die Sozialdemokraten, betont die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles bei der Pressekonferenz in Berlin, haben die Ergebnisse der Wahlen intensiv beraten. "Der Ernst der Lage ist allen vollkommen klar!" Antworten hat die SPD allerdings offensichtlich bislang nicht gefunden. Die Debatte würde Anfang Juni auf einer Klausur fortgesetzt, so Nahles. Drei Themen werden ihr zufolge dort auf der Tagesordnung stehen: Die mangelnde Strategiefähigkeit der Partei sowie die Positionierung bei den Themen Klima und Arbeit.
Benedikt Peters
Benedikt Peters

Die Konsequenzen


Kramp-Karrenbauer kündigt an, die CDU werde die "sehr offene und ehrliche Analyse" fortsetzen – "und auch die Ableitung daraus". Auf der für Sonntag und Montag angesetzten Klausurtagung werde es etwa um das Thema "asymmetrischer Wahlkampf" und um die Präsenz der CDU im Netz gehen, "nicht nur, was das Thema Youtube anbelangt". Die CDU arbeite daran, noch in diesem Jahr ein Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Bis zum Spätherbst 2020 und dem dann stattfindenden Bundesparteitag will die CDU ein neues Grundsatz- und ein Regierungsprogramm erarbeiten und die organisatorischen Vorbereitungen für das geplante nächste Wahljahr 2021 treffen, auch das erwähnt die Parteichefin.

Das ist zwar keine Neuigkeit, aber Kramp-Karrenbauers Botschaft ist, dass die Lektionen aus der Europawahl dort einfließen könnten. Die Frage sei, ob die CDU ein ähnliches Schicksal wie Konservative aus anderen Ländern ereilen könnte, das heißt, "ob wir in dieser Lage zerrieben werden". Die CDU müsse dem entgegenwirken und versuchen, als Volkspartei verschiedene Pole zusammenzubringen. "Ob wir dieser Aufgabe gerecht werden, liegt an uns selbst. Darauf werden wir uns als Partei ganz stark konzentrieren."
Benedikt Peters
Benedikt Peters

Kramp-Karrenbauers Analyse


Die Parteichefin spricht darüber, dass die CDU gerade bei Jungwählern "massiv verloren" habe. Die Partei sei nicht präsent gewesen bei einer ganzen Themenpalette, die junge Wähler "für sich in Anspruch genommen haben." Das gelte etwa für den Klimaschutz und für die Urheberrechtsdebatte. Und sie nennt auch "den Umgang und die Reaktion auf das Rezo-Video". Hinzu komme, dass der Eindruck entstanden sei, "dass die Union einen Rechtsruck hingelegt hat". Die konservative "Werteunion" habe dazu ebenso einen Beitrag geleistet wie die Junge Union und "auch Äußerungen von mir", sagt sie. "Das haben wir sehr offen und freundschaftlich im Bundesvorstand besprochen." Ein weiteres, längerfristigeres Problem seien Streitereien zwischen den Koalitionsparteien, früher zwischen CDU und CSU, nun zwischen CDU und SPD.
Benedikt Peters
Benedikt Peters

CDU-Chefin räumt "eigene Fehler" ein

Mit ein paar Minuten Verspätung tritt CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer kurz vor 14 Uhr in Berlin vor die Presse. Sie scheint froh zu sein, erst über das "uneingeschänkt positive Ergebnis" reden zu können, dass die Christdemokraten in Bremen geholt haben, sie wurden dort erstmals stärkste Partei. Sie dankt dem Spitzenkandidaten Carsten Meyer-Heder, der neben ihr steht, der Quereinsteiger aus Bremen sei "genau der Richtige" für den Wahlkampf gewesen.

Dann aber kommt der unangenehme Teil. Kramp-Karrenbauer spricht nun über das schlechte Abschneiden bei der Europawahl, und sie sagt: "Das ist nicht das, was meinem Anspruch als Vorsitzende der Partei gerecht wird." Sie räumt "eigene Fehler" ein, und es wirkt, als meine sie die Partei, ein Stück weit aber auch sich selbst. In der Wahlkampagne sei es nicht gelungen, "eigene Themen in den Mittelpunkt zu stellen". Als dann in den letzten Tagen vor der Wahl der Klimaschutz dominiert habe, habe es die CDU ebenfalls nicht vermocht, "aus einer Offensivposition heraus diese Debatte zu führen."
Markus C. Schulte von Drach
Markus C. Schulte von Drach

CDU-Chef Strobl in Baden-Württemberg nicht Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2021

Der Chef der CDU in Baden-Württemberg, Thomas Strobl, wird zur Landtagswahl 2021 nicht als Spitzenkandidat antreten, berichtet die dpa – und betätigt damit einen Bericht der Stuttgarter Zeitung (Online). Strobl zieht damit Konsequenzen aus den jüngsten Wahlergebnissen. Antreten soll statt Strobl offenbar Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU).
Markus C. Schulte von Drach
Markus C. Schulte von Drach

"Dramatischer Befund"


Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, diagnostiziert der Parteienlandschaft ein "Systemproblem". Im sogenannten "Morning Briefing" von Gabor Steingart legt Röttgen einen "dramatischen Befund" dar, nämlich, dass "mit dem, was das politische System anbietet, wir unangemessen sind gegenüber der wirklichen Dimension und Gefährlichkeit der Herausforderungen, die diesem Land und Europa gegenüberstehen."
Markus C. Schulte von Drach
Markus C. Schulte von Drach

Umweltministerin Schulze (SPD) will endlich etwas für den Klimaschutz tun


Eigene Schlüsse zieht Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) aus den Ergebnissen bei der Europawahl: Die Regierung müsse endlich etwas für den Klimaschutz tun. Deshalb schickt sie nun - gegen den Willen des Kanzleramts - ihren Entwurf eines Klimagesetzes zur Abstimmung an die anderen Ressorts. "Als Ressortchefin für Klimaschutz kann ich nicht länger auf die Befindlichkeiten in der Union Rücksicht nehmen", so Schulze.
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