EU-Türkei-Beziehungen:"Menschenrechtsthemen sind nicht verhandelbar"

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Die EU lotet einen möglichen Ausbau der Beziehungen zur Türkei aus. Bei einem Treffen mit Präsident Erdoğan stellt Kommissionspräsidentin von der Leyen Bedingungen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel sind an diesem Dienstag zu politischen Gesprächen mit dem Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in die Türkei gereist. Hintergrund der Reise sind die Beschlüsse des EU-Gipfels am 25. März, auf dem die Staats- und Regierungschefs sich darauf verständigt hatten, die Beziehungen zur Türkei schrittweise weiter auszubauen. So sollen unter anderem die Vorbereitungen für eine Ausweitung der Zollunion begonnen werden.

Beide Seiten haben ein wirtschaftliches Interesse daran. Die Verhandlungen sollten schon vor mehreren Jahren beginnen, doch bisher haben die EU-Staaten der Kommission kein Mandat für die Aufnahme solcher Verhandlungen erteilt. Grund dafür sind die anhaltenden Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit in der Türkei.

Die EU will darüber hinaus eine weitere Eskalation von Konflikten mit der Türkei abwenden. Zuletzt hatten der Austritt der Türkei aus dem Abkommen zum Schutz von Frauen und der Erdgasstreit zwischen der Türkei und Griechenland die Beziehungen zwischen dem Land und der EU belastet. Die EU fürchtet, dass die Regierung in Ankara die Zusammenarbeit in der Migrationspolitik einstellen und die mehreren Millionen Flüchtlinge aus Syrien im Land zur Weiterreise in Richtung EU animieren könnte.

Die Regierung in Ankara wünscht sich einen Ausbau der Zollunion mit der EU und fordert einen Wegfall der Visapflicht für Türken bei Reisen in die EU sowie mehr EU-Unterstützung für die Versorgung von Syrien-Flüchtlingen. In allen drei Punkten zeigt sich die EU nun für Gespräche offen.

Die Gespräche mit Erdoğan seien sehr offen gewesen, sagte Michel. "Das strategische Interesse der EU bleibt, ein sicheres und stabiles Umfeld im östlichen Mittelmeerraum und eine Beziehung in beiderseitigem Nutzen mit der Türkei." Man habe in den letzten Tagen Deeskalation erlebt, die weitergeführt werden müsse. Die EU habe eine Zusammenarbeit angeboten, die auf drei Säulen beruhe: Wirtschaft, Migration und Mobilität von Volk zu Volk. "Rechtstaatlichkeit und Respekt der Grundrechte sind Kernwerte der Europäischen Union", so Michel. Man habe Erdoğan die Besorgnis der EU mitgeteilt, was die Entwicklung in dem Land angehe. Michel sprach dabei unter anderem die Pressefreiheit an. "Wir reichen unsere Hand mit dieser Agenda und nun ist es an der Türkei, diese zu ergreifen", so der EU-Ratspräsident.

Die Türkei habe Bereitschaft signalisiert, die Gespräche auf konstruktive Weise wieder aufzunehmen, sagte von der Leyen. Die EU-Delegation sei in die Türkei gereist, um den Beziehungen neuen Schwung zu verleihen. Man arbeite an "innovativen Wegen", um die Zollunion zu modernisieren und auch die private und öffentliche Zusammenarbeit zu stärken, zum Beispiel beim Klimaschutz.

Zum Thema Migration sagte von der Leyen, das gemeinsame Statement der EU und der Türkei bleibe in Kraft und habe positive Effekte gezeigt. Man erwarte jedoch, dass die Türkei ihren Teil zum Funktionieren beitrage, zum Beispiel bei der Unterstützung von Rückführungsaktionen von den griechischen Inseln in die Türkei. Von Seiten der EU sei man bereit, die Flüchtlinge weiter zu unterstützen.

Die EU werde nicht zögern, schlechte Entwicklungen in Bezug auf die Menschenrechtslage in Türkei aufzuzeigen, sagte von der Leyen, Menschenrechtsthemen seien "nicht verhandelbar". Aus diesem Grund habe die EU auch sehr deutlich gemacht, dass sie den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention für falsch halte. Der Fortlauf des Gesprächsprozesses hänge auch davon ab, wie sich die Türkei in diesen Feldern verhalte.

Die EU-Spitzen kamen auch mit Vertretern der internationalen Organisationen für Migration (IOM) und anderen Menschenrechtsorganisationen zusammen.

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