EU-Treffen zur Flüchtlingspolitik:EU-Gipfel liegt Konzept für Lager in Afrika vor

Lesezeit: 3 Min.

Angela Merkel und Sebastian Kurz bei dem Gipfel in Brüssel. (Foto: REUTERS)
  • Der EU-Gipfel hat begonnen. Zwei Tage wollen die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder in Brüssel über die Flüchtlingspolitik reden.
  • Für Auffanglager in nordafrikanischen Ländern liegt offenbar schon ein Konzept vor. Vertreter der EU versuchen dennoch, die Erwartungen an den Gipfel zu dämpfen.
  • Am Rande des Gipfels äußern sich dennoch einige, wie Österreichs Kanzler Kurz, optimistisch. Italiens Regierungschef Conte droht hingegen mit einer Blockade.
  • Griechenlands Ministerpräsident Tsipras signalisiert Bereitschaft, mit Deutschland die Rücknahme von bereits in seinem Land registrierten Asylbewerbern zu vereinbaren.

Zwei Tage wollen die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Länder ab heute über die Flüchtlingspolitik reden. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel geht es dabei um nicht mehr oder weniger als die Zukunft Europas, wie sie am Vormittag im Bundestag sagte.

Den Teilnehmern des Gipfels in Brüssel liegt offenbar ein erstes Konzept für Migranten-Auffanglager in nordafrikanischen Ländern vor. Nach Angaben der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini wurde es in den vergangenen Tagen gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und der Organisation für Migration (IOM) entwickelt. Sie habe dafür direkt mit UNHCR-Chef Filippo Grandi und IOM-Generaldirektor William Swing zusammengearbeitet, sagte Mogherini. Details teilte sie nicht mit. Sie betonte lediglich, dass die sogenannten Anlandestellen nicht gegen internationales Recht oder Menschenrechte verstoßen würden.

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Hinter den Lagern steht die Idee, die Migration über das Mittelmeer zu stoppen. Menschen, die sich illegal auf den Weg nach Europa machen, würden dann nach der Aufnahme durch Schiffe im Mittelmeer nicht wie bisher nach Europa, sondern in solche Auffanglager in anderen Staaten gebracht. Von dort aus können sie Asyl beantragen.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte vor neokolonialen Tönen. Die in Frage kommenden Länder "mögen es nicht, fremdbestimmt zu werden", sagte er. Es dürfte nicht der Eindruck erweckt werde, "dass es hier Neokolonialismus geben würde". Wenn die Botschaft der EU sei, "dass die Afrikaner zu tun haben, was wir wollen, dann wird das schiefgehen".

Mogherini versuchte am Rande des Gipfels vergeblich, die Wogen zu glätten: "Viele reden von einer Krise. Aber wir reden von Zahlen, die derzeit um rund 80 Prozent unter denen des Vorjahres liegen. Wir reden also über Zahlen, die problemlos beherrschbar sind. Wir sollten nicht in Panik verfallen."

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani warnte dennoch im Handelsblatt, das Problem bedrohe die Stabilität der EU inzwischen mehr, als die Eurokrise es getan habe. "Wenn jedes Land nur noch an seinen eigenen Vorteil denken würde, dann wäre die EU am Ende."

Nach den Worten von Ratspräsident Donald Tusk sollten die EU-Staats- und Regierungschefs deshalb auf dem Gipfel dringend Lösungen finden. In Brüssel sagte er: "Manche denken, ich sei in meinen Migrations-Vorschlägen zu hart. Aber vertraut mir: Falls wir uns darauf nicht einigen, werdet ihr einige wirklich harte Vorschläge von wirklich harten Jungs sehen."

Bereits unmittelbar vor dem Gipfel zeichneten sich die Gräben zwischen den Staaten erneut ab, die nun zugeschüttet werden müssen. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte signalisierte schon die Bereitschaft, mögliche Beschlüsse zu blockieren, wenn die eigenen Forderungen nicht erfüllt würden. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plädierten dagegen für eine gemeinsame europäische Lösung. Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel warnte, wenn manche Länder auf ihren roten Linien beharrten, sei eine Einigung unmöglich.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht eine gute Chance für eine Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik. "Wir könnten heute die Trendwende in der Politik einleiten", sagt er.

Griechenland ist bereit, Asylbewerber zurückzunehmen

Der slowakische Ministerpräsident Peter Pellegrini betonte die Bedeutung der Sicherung der EU-Außengrenzen. Erst wenn man das Problem gelöst habe, könne man darüber sprechen, was innerhalb der EU passiere, sagt Pellegrini in Brüssel.

Ähnlich hat sich auch Merkel unmittelbar vor dem Gipfel geäußert: Der Schutz der europäischen Außengrenzen sei ein vorrangiges Ziel der Flüchtlingspolitik. Beim Eintreffen in Brüssel betonte sie die geplante Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und die Notwendigkeit, die sogenannte Sekundärmigration von Asylbewerbern innerhalb der EU zu begrenzen.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras signalisierte unterdessen die Bereitschaft, mit Deutschland die Rücknahme von bereits in seinem Land registrierten Asylbewerbern zu vereinbaren. "Wenn es hilft, macht es uns nichts aus, dass wir vielleicht einige Rückführungen aus Deutschland haben werden", sagte Tsipras der Financial Times. Ein solches Vorgehen könne "ein Signal an Schleuser" sein.

Tsipras bezog sich dabei auf den Wunsch Merkels, mit mehreren EU-Ländern "bi- oder trilaterale" Abkommen zur Rückführung von Asylbewerbern schließen, die bereits in einem anderen Staat registriert sind. Diese "Sekundärmigration" ist nach der sogenannten Dublin-Verordnung zu den EU-Asylregeln normalerweise untersagt. Flüchtlinge müssen ihren Asylantrag in dem Land stellen, in dem sie als erstes europäischen Boden betreten.

Neben Griechenland wäre für Merkel vor allem eine Vereinbarung mit Italien wichtig, das derzeit das wichtigste Ankunftsland in der Mittelmeerregion ist. Die dortige Regierung aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega stellt in der Flüchtlingsfrage aber weitgehende Forderungen. Sie will erklärtermaßen die Dublin-Regeln "überwinden" - also die Zuständigkeit des Erstaufnahmelandes für Asylanträge abschaffen.

© SZ.de/dpa/Reuters/AP/AFP/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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