Spanien:Stoppt die EU Pedro Sánchez?

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Neben Bundeskanzler Olaf Scholz, l., ist Pedro Sánchez die letzte große Stütze der Sozialdemokratie in der EU. (Foto: Moncloa Palace/Reuters)

EVP-Chef Weber organisiert Widerstand gegen den Pakt von Spaniens sozialdemokratischem Ministerpräsidenten mit katalanischen Separatisten. Es geht um Rechtsstaatlichkeit - und die Macht in Brüssel.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Das Europaparlament wird sich nächste Woche wohl in einer großen Debatte mit der Regierungsbildung in Spanien beschäftigen. Manfred Weber dringt als Vorsitzender der Europäischen Volkspartei darauf, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Er fordert zudem, die Europäische Kommission solle den Deal untersuchen, den der Sozialist Pedro Sánchez mit dem katalanischen Separatisten Carles Puigdemont geschlossen hat. Die Frage: Untergräbt Sánchez die Unabhängigkeit der spanischen Justiz, indem er, um seine Wiederwahl zu sichern, den Separatisten Straffreiheit gewährt?

Es geht um europäische Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, deshalb werden die Institutionen der Europäischen Union gar nicht anders können, als sich irgendwann mit dem spanischen Amnestiegesetz zu beschäftigen. Sonst würden sie in den Fällen Polen und Ungarn unglaubwürdig. Es geht bei dem Thema aber, mit Blick auf die Europawahl im Juni 2024, auch um die Macht in der Europäischen Union.

Kommt der Konservative Feijóo ins Amt, ändert das die Machtverhältnisse in der EU

Neben dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz ist Pedro Sánchez die zweite tragende Säule der europäischen Sozialdemokratie. Mit einem Stimmenanteil von 32 Prozent war er einer der großen Gewinner der Europawahl 2019. Sollte Sanchez' Deal mit Puigdemont wegen des großen öffentlichen Drucks - oder sogar einer Intervention der EU - im Parlament noch scheitern und am Ende doch sein Rivale Alberto Núñez Feijóo ins Amt kommen, hätten die Christdemokraten und Konservativen gemeinsam mit Giorgia Meloni mehr Macht bei der Vergabe der Spitzenposten in der EU. So sehen die Brüsseler Planspiele aus, auch deshalb werden die Debatten gerade so hitzig geführt.

"Wir sehen in Spanien den Anfang vom Ende der Rechtsstaatlichkeit und den Zusammenbruch der Gewaltenteilung", verbreitete Manfred Weber am Montag. Die EU-Institutionen müssten einschreiten, forderte er. Weber wolle schlicht die Wahlniederlage seines Parteikollegen Feijóo nicht akzeptieren, hält die sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Iratxe García Pérez dagegen. Sie verteidigt ihren Parteifreund Sánchez mit Vehemenz - kein Wunder, schließlich hat Sánchez sie dank seiner Verhandlungsmacht ins Amt gebracht. Umso verblüffender erscheint die Haltung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Auch Borrell verdankt seinen Job Sánchez, und dennoch äußerte er laut Politico am Montag in Brüssel: Er habe Bedenken gegen diesen Deal. Loyalität sieht anders aus.

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Der für Justizfragen zuständige EU-Kommissar Didier Reynders, ein belgischer Liberaler, schickte bereits vergangene Woche einen Brief an die spanische Regierung. Er äußerte Bedenken gegen den Deal zwischen Sánchez und Puigdemont und verlangte Aufklärung. Sánchez ließ kühl mitteilen, das Gesetz sei nicht Sache der Regierung, sondern des Parlaments. Offenkundig war er der Meinung, die Kommission habe ihre Kompetenzen überschritten.

Inhaltlich dürfte die Kommission nach allgemeinem Verständnis wenig Handhabe gegen die Amnestie haben. Problematisch an dem Abkommen zwischen Sánchez und Puigdemont erscheint weniger die Straffreiheit für die Anführer des Abspaltungsversuches im Jahr 2017 - sondern vielmehr die Vereinbarung, auch mögliches "Lawfare" durch den spanischen Staat im Jahr 2017 gemeinsam aufzuklären. Der Begriff Lawfare bedeutet das Instrumentalisieren der Justiz zu politischen Zwecken. Puigdemont ist offenbar überzeugt davon, dass die spanische Regierung damals die Justiz auf ihn gehetzt hat.

Viele Freunde hat sich Sánchez zuletzt nicht gemacht in Brüssel

Tatsächlich würde es an die Verhältnisse in Polen erinnern, wollte die Regierung alte Gerichtsurteile aufrollen und die verantwortlichen Richter zur Rechenschaft ziehen. Allerdings taucht der Aspekt des "Lawfare" im aktuellen Gesetzentwurf nicht auf, zumindest nicht explizit. Es ist schon aus politischen Gründen schwer vorstellbar, dass die Kommission sich so kurz vor der Europawahl ernsthaft mit der spanischen Regierung anlegt oder dass, wie manche Konservative sich das wünschen, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Pedro Sánchez auffordert, das Amnestiegesetz bleiben zu lassen und stattdessen eine Volksabstimmung anzusetzen.

Viele Freunde hat sich Pedro Sánchez in den vergangenen Monaten allerdings nicht gemacht in Brüssel. Mehrmals hat er die spanische Ratspräsidentschaft zu innenpolitischen Zwecken missbraucht. Sánchez versuchte, Puigdemont zu Diensten, im Hauruckverfahren durchzusetzen, dass Katalanisch als EU-Amtssprache anerkannt wird. Zudem setzte er sich während des letzten Gipfels in Brüssel über die europäische Sprachregelung zum Nahost-Konflikt hinweg und forderte Israel zu einen Waffenstillstand im Kampf gegen die Hamas auf. Damit wollte er offensichtlich seine potenziellen linken Koalitionspartner befrieden, auf Kosten der Harmonie in der EU.

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