Krieg in der Ukraine:EU nimmt russische Gasexporte ins Visier

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LNG-Tanker vor der Insel Rügen. Schweden und Deutschland sind für Sanktionen gegen russisches LNG, weitere EU-Länder folgen. (Foto: Stefan Sauer/DPA)

Nach Sanktionen gegen Russlands Handel mit Kohle und Öl planen die Europäer Strafmaßnahmen gegen den Gassektor. So wollen sie verhindern, dass Moskau sich über Rohstoffe die Kriegskasse füllt.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Mehr als zwei Jahre nach Beginn des Ukrainekriegs will die EU zum ersten Mal den russischen Gassektor und damit eine wichtige Einnahmequelle Moskaus mit Strafmaßnahmen belegen. Diplomaten zufolge könnte das 14. Sanktionspaket, über das die EU-Kommission derzeit mit den Mitgliedsländern verhandelt, die Importe von russischem Flüssigerdgas treffen, also von sogenanntem liquefied natural gas, kurz: LNG.

Überlegungen, den Import von LNG aus Russland zu verbieten oder zu beschränken, hatte es bei früheren Sanktionsrunden auch schon gegeben. Allerdings scheiterten die Pläne stets am Einspruch einzelner Regierungen. Dieses Mal ist die Debatte hingegen konstruktiver. Es sei zu erwarten, dass im 14. Sanktionspaket "etwas zu LNG" stehen werde, heißt es in Brüssel.

Frankreich hat sich bislang nicht klar zu Sanktionen geäußert

Einige Staaten, darunter Schweden und Deutschland, haben sich bereits für Sanktionen gegen russisches LNG ausgesprochen. Andere wichtige Länder, darunter Spanien und Belgien, in deren Häfen die Tanker mit dem russischen Flüssiggas ihre Fracht entladen, haben zumindest Bereitschaft signalisiert, Beschränkungen mitzutragen. Frankreich, wo ebenfalls russisches LNG ankommt, hat sich bisher nicht klar geäußert. Allerdings hat der französische Präsident Emmanuel Macron seinen Ton gegenüber Russland in den vergangenen Wochen erheblich verschärft.

Die EU hat in den vergangenen zwei Jahren zwar die russischen Öl- und Kohleexporte mit Sanktionen belegt. Der Import von russischem Erdgas wurde hingegen bisher von EU-Seite aus nicht zwangsweise eingeschränkt, sondern von Moskau selbst heruntergefahren. So stellte Russland zum Beispiel in den Monaten nach Kriegsbeginn die Gaslieferungen nach Deutschland über die Nord-Stream-Pipeline ein. Nach Angaben des in Finnland ansässigen Forschungsinstituts Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) ist der Anteil russischen Erdgases an den EU-Gasimporten von 46 Prozent im Jahr 2021 auf 16 Prozent im Jahr 2023 gefallen.

Während die russischen Gaslieferungen in die EU via Pipelines zurückgingen, schossen allerdings Russlands LNG-Exporte per Tankschiff nach Europa in die Höhe - 2022 um satte 36 Prozent. Das führte zu der bizarren Lage, dass Russland im vorvergangenen Jahr nach den USA der zweitgrößte Flüssiggaslieferant der EU war, während die Europäer gleichzeitig Milliarden ausgaben, um die ukrainische Armee in ihrem Kampf gegen die russischen Invasoren zu unterstützen. 2023 habe Russland mit LNG-Verkäufen nach Europa mehr als acht Milliarden Euro eingenommen, rechnet das CREA vor. Das entspricht ungefähr der Summe, die Deutschland dieses Jahr an Militärhilfe für die Ukraine ausgeben will.

Die Lebenshaltungskosten der EU-Bürger sollen trotz der Maßnahmen nicht steigen

Diplomaten erwarten dennoch nicht, dass Europa ein pauschales Importverbot für russisches LNG verhängen wird, das laut CREA momentan fünf Prozent am gesamten Gasverbrauch in der EU ausmacht. Ein so drastischer Schritt könnte die Gaspreise in Europa wieder in die Höhe treiben und damit die Lebenshaltungskosten der Bürger. Manche EU-Länder, etwa Österreich, sind auch immer noch auf russisches Gas angewiesen. Stattdessen will die EU-Kommission offenbar einzelne LNG-Projekte in Russland mit Sanktionen belegen, darunter neue Förderanlagen und Verladeterminals.

Vor allem aber soll nach dem Willen der EU-Kommission der Umschlag und Re-Export von russischem LNG in europäischen Häfen untersagt werden. Denn ein Großteil des Flüssiggases aus Russland wird nicht ins EU-Gasnetz eingespeist, sondern in Belgien, Spanien und Frankreich lediglich umgeladen und nach China, Indien und andere Länder weitertransportiert. Europäische Häfen sind damit für Moskau Zugangstore für den Gasexport nach Asien, Europa trägt damit zur Finanzierung des Kriegs in der Ukraine bei. Vorschläge, wie Brüssel das unterbinden will, werden in den nächsten Tagen erwartet.

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