Krieg in Nahost:EU sendet Signale der Missbilligung an Israel

Lesezeit: 3 min

Einreiseverbote gegen radikale Siedler: Auch Bundesaußenministerin Baerbock hat sich am Montag in Brüssel dafür ausgesprochen. (Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

Die europäischen Außenminister bereiten Sanktionen gegen radikale jüdische Siedler vor. Die Union will im Gazastreifen außerdem auf einen Waffenstillstand drängen. In Katar wird wieder verhandelt.

Von Juri Auel und Hubert Wetzel

Die EU will künftig nicht nur die palästinensische Terrororganisation Hamas mit Sanktionen bestrafen, sondern erstmals auch radikale jüdische Siedler, die im von Israel besetzten Westjordanland Gewalttaten gegen Araber verüben. Einen entsprechenden politischen Grundsatzbeschluss fassten am Montag die europäischen Außenminister und -ministerinnen bei einem Treffen in Brüssel.

In der Vergangenheit hatte sich vor allem Ungarn diesem Vorhaben widersetzt. Budapest ließ die Entscheidung am Montag jedoch passieren. Die rechtlichen Details müssen in den kommenden Tagen noch ausgearbeitet werden. Die EU werde "ein Sanktionsregime auf den Weg bringen", um gegen gewalttätige Siedler vorgehen zu können, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock.

Die Maßnahme ist eher ein Symbol, aber sie soll den Druck erhöhen

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist es im Westjordanland immer wieder zu Attacken radikaler jüdischer Siedler auf palästinensische Bewohner gekommen. Dabei gab es Verletzte und Tote. Die israelischen Behörden verfolgen diese Übergriffe, die wie die gesamte Siedlungspolitik internationalem Recht widersprechen, zumeist nicht.

Der Beschluss der Außenminister ist - wie so vieles an der Nahost-Politik der EU - in seinen praktischen Folgen weitgehend symbolisch. Geplant ist, dass die Union Einreiseverbote gegen radikale Siedler verhängt. Allerdings dürfte sich die Zahl der israelischen Siedler, die aus dem Westjordanland in die EU reisen wollen, nach Ansicht europäischer Diplomaten in engen Grenzen halten. Zudem sollen zunächst nur solche Personen auf die Sanktionsliste genommen werden, bei denen Rechtsverstöße einerseits gut dokumentiert sind, gegen welche die israelischen Behörden aber andererseits trotz vorliegender Strafanzeigen nicht vorgehen. Als mögliches Ziel solcher Sanktionen sehen Diplomaten einen Personenkreis von etwa einem Dutzend Menschen.

Europäische Regierungsvertreter betonen allerdings, dass das politische Signal des Sanktionsbeschlusses trotzdem nicht unterschätzt werden solle. Zum einen soll so Druck auf die israelische Regierung ausgeübt werden, straffällige Siedler tatsächlich juristisch zu verfolgen. Würde das erreicht, wäre das ein Erfolg. Zum anderen ist die Entscheidung ein Signal an die Palästinenser und die arabische Welt, dass die EU nicht einseitig hinter Israel steht.

Der nächste EU-Gipfel wird wohl eine sofortige Feuerpause fordern

Am Donnerstag werden voraussichtlich auch die 27 Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Gipfeltreffen in Brüssel ihren Ton gegenüber der israelischen Regierung verschärfen. Der Entwurf für die Abschlusserklärung, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, enthält die Forderung nach einer "sofortigen humanitären Pause" in den Kampfhandlungen, "die zu einem dauerhaften Waffenstillstand führt". Bisher war in derartigen Dokumenten nur von zeitlich und räumlich begrenzten humanitären "Pausen" die Rede.

Härtere, weiter reichende Formulierungen hatte in Brüssel unter anderem die Bundesregierung verhindert. Doch auch in Berlin hat ein Sinneswandel eingesetzt angesichts der katastrophalen Lage der palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen, die in der EU-Erklärung als "entsetzlich" beschrieben wird.

Während man bei der EU auf die Feuerpause drängt, ist in Katar die nächste Verhandlungsrunde darüber gestartet. Erstmals seit Wochen schickte Israel wieder eine Delegation zu den Gesprächen, die weiterhin über Vermittler geführt werden. Es ist jedoch völlig unklar, was bei den Verhandlungen am Ende zu erwarten ist. Von israelischer Seite heißt es, dass die aktuelle Gesprächsrunde mindestens zwei Wochen dauern könnte. Die anhaltenden Kämpfe im Gazastreifen verursachen angeblich Probleme bei der Kommunikation zwischen den Anführern der Hamas, was das Abstimmen der Positionen erschwere.

Jedoch gibt es durchaus positive Signale. Israelischen Medienberichten zufolge ist die Delegation des Landes mit mehr Befugnissen ausgestattet worden als bei früheren Gesprächen. Zudem soll im Kern Einigkeit darüber herrschen, dass 40 Geiseln freigelassen werden sollen und eine sechswöchige Feuerpause vereinbart werden soll.

Gesprächsbedarf gibt es offenbar noch bei der Frage, welche gefangenen Palästinenser Israel für die Rückkehr der Geiseln aus den Händen der Hamas im Gegenzug freilassen soll. Außerdem geht es darum, ob sich israelische Truppen möglicherweise aus Gebieten im nördlichen Gazastreifen während der Feuerpause vollständig zurückziehen werden, was eine Rückkehr der geflohenen Palästinenser ermöglichen würde. Einen vollständigen Rückzug seiner Truppen und damit ein Ende des Krieges lehnt Israel bislang kategorisch ab. Ein Vertreter der israelischen Regierung sagte jedoch, dass die aktuelle Verhandlung seinem Land "sehr schmerzhafte Opfer" abverlangen werde.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDokumentarfilm
:Kein schöner Land

Die Preisverleihung für "No Other Land" auf der Berlinale führte zu heftigem Streit und wenig Erkenntnis. Erhellender ist da ein Drehortsbesuch zur Filmpremiere im Westjordanland.

Von Tomas Avenarius

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: