Endergebnis der Landtagswahl:Erneut hessische Verhältnisse

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Die CDU gewinnt in Hessen, ihr bisheriger Koalitionspartner FDP überspringt in der Nacht noch äußerst knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Doch weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün haben eine Mehrheit.

Es blieb bis zum Schluss spannend bei der Landtagswahl in Hessen, doch nun sind die Zweitstimmen aller Stimmkreise ausgezählt. Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis kommt die CDU auf 38,3 Prozent der Stimmen. Ihrem bisherigen Koalitionspartner FDP gelingt mit 5,0 Prozent äußerst knapp der Einzug in den Landtag.

Die Sozialdemokraten kommen demnach auf 30,7 Prozent der Stimmen, die Grünen auf 11,1 Prozent. Die Linke erreicht laut Landeswahlleiter 5,2 Prozent. Die Alternative für Deutschland zieht mit 4,0 Prozent nicht in den Landtag ein.

Für die SPD reicht es damit damit nicht für eine Mehrheit mit ihrem erklärten Wunsch-Koalitionspartner: Zusammen mit den Grünen (14 Sitze) kommen die Sozialdemokraten (37 Sitze) auf insgesamt 51 Sitze im Parlament in Wiesbaden. Für eine Mehrheit sind 56 Sitze nötig. Die CDU belegt im Landtag 47 Sitze, die Linke kommt auf 6 Sitze. Die FDP hat ebenfalls 6 Sitze im Parlament in Wiesbaden.

Damit ist rechnerisch für die CDU sowohl eine große Koalition als auch ein Bündnis mit den Grünen möglich. SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel kann nur Ministerpräsident werden, wenn er mit Grünen und Linken koaliert. Vor der Wahl hatte er keine Koalition völlig ausgeschlossen, zugleich aber betont, dass er für ein Bündnis mit Union oder Linkspartei keine Basis sehe.

In der direkten Konkurrenz um die Wählergunst schnitt Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) besser ab als sein Herausforderer, SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel. Im Wahlkreis Gießen II, in dem beide um das Direktmandat antraten, bekam der CDU-Spitzenkandidat 46,9 Prozent der Stimmen, Schäfer-Gümbel, erhielt 39,3 Prozent.

Gewinne und Verluste

Im vorläufigen amtlichen Endergebnis verbessert sich die SPD um 7,0 Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl im Januar 2009. Die CDU legt 1,1 Prozentpunkte zu. Die Grünen erreichen 2,6 Punkte weniger als bei der vergangenen Wahl 2009.

Zu den klaren Verlierern gehört die FDP, die 11,2 Prozentpunkte abgibt. Die Linke landet bei 0,2 Prozentpunkten weniger als noch bei der Wahl 2009.

Landtagswahl Hessen: Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) verliert seinen bisherigen Koalitionspartner FDP. (Foto: dpa)

Reaktionen der Parteien

Bereits eineinhalb Stunden nach Schließung der Wahllokale traten Bouffier und Schäfer-Gümbel nahezu zeitgleich vor ihre Parteifreunde. Beide ließen sich von begeisterten Anhängern feiern, weil sich sowohl die CDU als auch die SPD nach der Landtagswahl als Sieger fühlten. Wer am Ende aber in Wiesbaden regiert, ist bisher nicht klar.

Bouffier zeigte sich bereits nach dem Ergebnis der Hochrechnungen zufrieden: Seine Partei habe eine "tolle Aufholjagd hingelegt". Es sei in Hessen schon öfter "verdammt knapp" gewesen. "Aber klar ist: Wir sind mit Abstand stärkste Kraft im Lande und wir wollen dieses Land führen." Für seinen bisherigen Koalitionspartner FDP hoffte Bouffier zunächst, dass sie fünf Prozent erreiche. "Wir haben mit ihnen hervorragend gearbeitet und möchten, dass sie es schaffen." Später am Abend klingt der Ministerpräsident schon ein bisschen weniger optimistisch, was die Liberalen angeht. "Für mich kam das überraschend. Das ist schade", sagt Bouffier. Jetzt werde man mit "allen demokratischen Parteien reden", um eine "stabile Regierung unter Führung der CDU zu bilden, und Rot-Rot-Grün zu verhindern."

SPD-Herausforderer Schäfer-Gümbel wertete das Wahlergebnis als Erfolg: "Ein richtig geiler Abend, weil wir wieder da sind", sagte Schäfer-Gümbel in Wiesbaden. Die hessische SPD sei "zurück als starker Akteur in der hessischen Landespolitik, und wir sagen auch ganz klar, wir wollen auch gestalten und nicht nur zuschauen."

Jörg-Uwe Hahn, Spitzenkandidat der FDP, äußerte sich enttäuscht über das Wahlergebnis. "Eine Verdrittelung der Stimmen - das gibt uns zu denken, das macht uns traurig", sagte Hahn. "Jetzt hoffen wir noch auf eine fünf Komma Null Null Null", so Hahn.

Hessens Grünen-Chef Tarek Al-Wazir sagte zu Süddeutsche.de, man werde natürlich miteinander reden, wenn die CDU dazu einlade. Aber aus einem Gespräch entstünde noch lange keine Regierung. "Ich weiß, alle Journalisten finden Schwarz-Grün geil, weil es neu ist, aber nicht alles, was neu ist, ist auch geil", fügt er hinzu.

"Hessische Verhältnisse" - wieder einmal

Angesichts unklarer Mehrheitsverhältnisse ist wieder einmal die Rede von "hessischen Verhältnissen". Hessen steht vor einer ähnlichen Situation wie nach der Wahl im Jahr 2008. Auch damals gab es eine rechnerische Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Allerdings hatte die damalige SPD-Chefin Andrea Ypsilanti im vorangegangenen Wahlkampf eine Zusammenarbeit mit den Linken ausgeschlossen. Dennoch versuchte sie, eine von den Linken tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden. Sie scheiterte damit am Widerstand in den eigenen Reihen.

Der damalige CDU-Ministerpräsident Roland Koch, der das Amt während der Legislaturperiode an Bouffier abgab, blieb deshalb erst geschäftsführend im Amt und konnte schließlich nach Neuwahlen im Januar 2009 eine schwarz-gelbe Landesregierung bilden. Das monatelange Hickhack wurde als "hessische Verhältnisse" bezeichnet.

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