Gewalt in Ecuador:Erschossen auf dem Weg ins Gericht

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Ecuadors Polizei, hier bei der Verhaftung mutmaßlicher Gangmitgliedern, versucht die Kontrolle im Land zurückzugewinnen. (Foto: Yuri Cortez/AFP)

Gefängnisrevolten, der Überfall auf ein TV-Studio - und nun ein toter Staatsanwalt: Die Drogengangs suchen die Machtprobe mit dem ecuadorianischen Staat. Was Europa damit zu tun hat.

Von Benedikt Peters

Es schien, als habe der Staat die Lage wieder unter Kontrolle. In der Hafenstadt Guayaquil, dem wichtigsten Schauplatz des Krieges zwischen dem ecuadorianischen Staat und den Drogenbanden, flanierten die Menschen in dieser Woche wieder über die Straßen, und die Geschäfte hatten wieder geöffnet, zumindest bis zur abendlichen Ausgangssperre. So berichten es Medien vor Ort. Doch dann brach die Gewalt wieder hervor.

Der bekannte Staatsanwalt César Suárez war gerade mit seinem Auto auf dem Weg zum Gericht in Guayaquil, als Auftragsmörder ihn am Mittwoch mit 20 Schüssen töteten. Suárez hatte zuletzt die Ermittlungen zu den Unruhen geleitet, die in der vergangenen Woche in dem Andenstaat ausgebrochen waren. Als eine seiner letzten Amtshandlungen hatte er Mitglieder der Bande verhört, die am 9. Januar einen TV-Sender überfallen und bei laufender Kamera Journalisten als Geiseln genommen hatte. Suárez sollte die Hintermänner des Verbrechens finden, das einen Höhepunkt bildete in einer Woche der Gewalt: Die Insassen der Gefängnisse revoltierten, Armee und Drogenbanden lieferten sich Straßenschlachten, der junge Präsident Daniel Noboa verhängte den Ausnahmezustand.

Die Fehler des Ex-Präsidenten

Der Mord an Suárez zeigt, dass die Machtprobe zwischen der Regierung in Quito und den Drogengangs noch lange nicht vorbei ist - und dass keineswegs sicher ist, dass der Staat am Ende gewinnt. Denn die Banden wurden in den vergangenen Jahren in Ecuador immer mächtiger und das Chaos immer größer.

Noch vor ein paar Jahren war Ecuador ein vergleichsweise ruhiger lateinamerikanischer Staat, der die Einnahmen aus dem Ölsektor umverteilte und der sich durch niedrige Gewaltraten auszeichnete. Der frühere Präsident Rafael Correa, der das Land von 2007 bis 2017 regierte und diese Politik verkörperte, beging dann aber einen aus Sicht von Experten folgenschweren Fehler: Der überzeugte Anti-Imperialist ging auf Konfrontationskurs zu den USA; er ließ eine US-amerikanische Militärbasis schließen und fuhr die Zusammenarbeit mit der amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA auf ein Minimum herunter. Eine Elite-Einheit der ecuadorianischen Polizei, die amerikanische Agenten im Kampf gegen Drogen geschult hatten, ließ er auflösen.

Die Mordrate ist doppelt so hoch wie in Mexiko

Aus Sicht von Experten schuf Correa damit zumindest teilweise die Voraussetzungen für das, was in den vergangenen Jahren passierte. Nachdem kolumbianische Häfen ihre Sicherheitsvorkehrungen verschärft hatten, verlegten sich die Drogengangs immer stärker auf Schmuggelrouten über das Nachbarland Ecuador, insbesondere die Hafenstadt Guayaquil wurde zum großen Umschlagplatz. Expertenberichten zufolge kontrollierte zunächst die kolumbianische Farc-Guerilla weite Teile des Geschäfts, doch nach ihrem Friedensschluss mit der kolumbianischen Regierung 2016 entstand ein Vakuum. Seitdem kämpfen ecuadorianische Gangs um die Vorherrschaft, die mexikanischen Kartelle sollen ebenfalls mitmischen und den Konflikt mit Waffenlieferungen anheizen, ebenso die albanische Mafia.

Der Drogenkrieg hat dazu geführt, dass aus einem der friedlichsten Länder Lateinamerikas eines der gefährlichsten wurde. Die Mordrate lag im vergangenen Jahr nach Schätzungen bei 46 von 100 000 Einwohnern und damit fast doppelt so hoch wie in Mexiko, das noch immer den Ruf des blutigsten Landes der Region hat. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Mordrate 2021 bei 0,8.

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Eine Tangente des ecuadorianischen Drogenkriegs hat auch mit Europa zu tun. Eine der wichtigsten Schmuggelrouten führt vom Hafen in Guayaquil ins belgische Antwerpen, weitere Routen gibt es zu den Häfen von Rotterdam und Valencia. Das Geschäft mit Kokain in Europa boomt, es beschert den ecuadorianischen Banden hohe Einnahmen. Mit diesem Geld kaufen sie nicht nur Waffen, sie kaufen auch die Behörden des Landes. Drogenbosse fliehen aus den Gefängnissen, nachdem Aufseher bestochen wurden, auch die Armee und Kreise bis hinauf zur Regierung sollen von Korruption durchsetzt sein.

Menschen, die dagegen etwas unternehmen wollen, werden bedroht und nicht selten auch getötet - so wie der Staatsanwalt César Suárez, der nicht nur zum Überfall auf das TV-Studio ermittelte, sondern auch in mehreren Korruptionsskandalen. Sein Tod, er dürfte nicht der letzte gewesen sein in einem Land, das nicht zur Ruhe kommt.

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