In der Spionageaffäre des größten deutschen Islamverbands Ditib hat es der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erneut abgelehnt, Haftbefehle zu erlassen. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR hatte der Generalbundesanwalt beantragt, sechs Imame und einen hochrangigen Funktionär der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara verhaften zu lassen. Dabei handelt es sich um Halife Keskin, den Leiter der Abteilung für Auslandsangelegenheiten von Diyanet, der Ditib untersteht. Dies lehnte der Bundesgerichtshof Ende September ab.
Die Bundesanwaltschaft, zuständig für Ermittlungen in Spionagesachen, hatte die Haftbefehle beantragt, nachdem neue Erkenntnisse aus ihrer Sicht einen dringenden Tatverdacht ergeben hatten. Die Imame sollen in deutschen Moscheen im Auftrag von Diyanet Informationen über angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung zusammengetragen haben. Die Bewegung ist nach dem islamischen Prediger Fethullah Gülen benannt, sie wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich gemacht.
Spionage:Bekämpfen Erdoğans Spitzel einfach nur den Terror?
Gemäß dem BGH ist ausländische Spionage auf deutschem Boden nicht unbedingt strafbar - das Leiturteil stammt allerdings aus der Zeit vor dem Putsch in der Türkei. Nun herrscht Sorge, dass türkische Maulwürfe sich darauf berufen.
Der BGH sieht keinen dringenden Tatverdacht
Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof sah hingegen keinen dringenden Tatverdacht. Die Ermittlungen hätten nicht ergeben, dass die sechs Imame nicht tatsächlich nur das Nötigste gesammelt und berichtet hätten. Es sei nicht bewiesen, dass sie sich das Ausforschungsbestreben wirklich zu eigen gemacht hätten. Und es sei auch nicht gesichert, dass sie den Auftrag der Diyanet nicht doch eher zurückhaltend ausgeführt hätten. Damit sei auch die Beauftragung durch Halife Keskin keine Anstiftungsstraftat.
Somit scheitert der Generalbundesanwalt erneut am Bundesgerichtshof. Im Januar 2017 hatte die Bundesanwaltschaft Ermittlungen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit gegen einige Ditib-Imame eingeleitet und ein erstes Mal Haftbefehle beantragt, die vom Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof bereits damals abgelehnt wurden.
Die Ermittlungen folgten einer im September 2016 von Diyanet erlassenen Verordnung, die ihre Bediensteten im Ausland dazu verpflichtete, Berichte über Personen zu verfassen, die in der Türkei als terroristisch eingestuft werden. Die Religionsbehörde Diyanet entsendet Imame nach Deutschland und ist eng verknüpft mit Ditib; die Organisation betreibt etwa 900 Moscheen in Deutschland.
Die Ditib-Imame sind nur ein Teil umfassender Spionageermittlungen
Im Februar durchsuchte das Bundeskriminalamt Wohnungen von mehreren Geistlichen in einigen Bundesländern. Zuvor hatte die Religionsbehörde Diyanet drei Verdächtige abgezogen. Weil daraufhin weitere Beschuldigte in die Türkei zurückgekehrt waren, hatte es Kritik an den Ermittlungsbehörden gegeben. Die Entscheidung des Abzugs der Imame hatte Diyanet damit begründet, dass die Männer ihre Kompetenzen überschritten hätten.
Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen haben mindestens 13 Ditib-Imame Informationen über 33 Personen und fast ein Dutzend Institutionen nach Ankara weitergeleitet. Die Ermittlungen gegen die Ditib-Imame sind lediglich ein Teil umfassender Spionageermittlungen gegen den Nato-Partner Türkei, der Generalbundesanwalt ermittelt auch gegen Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes in Deutschland.
Mindestens zwei Ditib-Imame sollen einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, weil sie politische Verfolgung in der Türkei befürchten. Zuletzt hatte die Bundesregierung angekündigt, das Fördergeld für Ditib-Moscheen im kommenden Jahr um 80 Prozent kürzen zu wollen. In diesem Jahr fließen noch 1,47 Millionen Euro in Ditib-Projekte, im vergangenen Jahr waren es sogar 3,27 Millionen Euro. Der Schwerpunkt der geförderten Projekte lag zuletzt auf der Flüchtlingshilfe. 2018 sollen es nur noch 300 000 Euro sein.