Infrastruktur-Planung:Das Deutschland-Pakt-Puzzle

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Genehmigungsverfahren, wie sie etwa für die neue Rahmede-Talbrücke nötig waren, sollen straffer und digitaler werden. (Foto: Dieter Menne/DPA)

Neue Windräder, neue Straßen - und zwar schnell. Damit das gelingt, feilen Bund und Länder an einem Konsens zur Projektbeschleunigung. Umweltschützer fürchten um ihre Anliegen.

Von Michael Bauchmüller

Die Mühlen der deutschen Verwaltung mahlen langsam, aber sie mahlen. Zwischen 16 deutschen Staatskanzleien und dem Bundeskanzleramt kursieren gerade reihenweise Textbausteine. Einer nach dem anderen sollen sie sich zu einem Bauwerk fügen, wie es das Land noch nicht gesehen hat: zum Deutschland-Pakt. Eine "gesamtstaatliche Kraftanstrengung" soll er beschreiben. Sowohl öffentliche als auch private Projekte sollen damit künftig "deutlich schneller und unbürokratischer realisiert werden". Und die Arbeit daran geht voran.

Jedenfalls trafen am Mittwoch die Chefs der Staatskanzleien im Kanzleramt ein, dazu alle möglichen Staatssekretäre, um weiter an dem Pakt zu schmieden. Auf dem Tisch hatten sie einen Entwurf, der schon jede Menge Einigkeit verrät. Genehmigungsverfahren sollen künftig viel straffer und deutlich digitaler ablaufen als heute, verschiedene Behörden sollen sich häufiger miteinander und seltener nacheinander über die Vorhaben beugen.

Wie stark sollen die Klagerechte von Umweltverbänden beschnitten werden?

Fragen etwa des Artenschutzes sollen stärker nach vorab festgelegten Standards geklärt werden - wie das etwa beim Bau neuer Windräder jetzt schon möglich ist. Öfter als bisher sollen Projekte schon beginnen dürfen, ehe sie tatsächlich genehmigt sind - wenn sich schon im Verfahren abzeichnet, dass sie diese Genehmigungen mit großer Wahrscheinlichkeit bekommen. Selbst der künstlichen Intelligenz wollen sich die Behörden von Bund und Ländern künftig bedienen - Hauptsache, schnell.

Eine Frage allerdings ist immer noch umstritten: Wie stark sollen auch die Klagerechte von Umweltverbänden eingeschränkt werden, um schneller planen, genehmigen und bauen zu können? Ein aktueller Entwurf, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, sieht diese Möglichkeit weiterhin vor. Danach sollen Umweltverbände nur noch eingeschränkt vor Gericht ziehen dürfen, wenn ein Projekt im überwiegenden oder überragenden öffentlichen Interesse liegt, wie es etwa im Fall neuer Terminals für Flüssigerdgas per Gesetz festgeschrieben wurde.

"Wenn das so kommt, ist das eine massive Schwächung des Rechtsschutzes", sagt Sascha Müller-Kraenner, Chef der Deutschen Umwelthilfe. "Mit dem Ergebnis eines schnelleren Infrastrukturausbaus auf Kosten des Naturschutzes." Die Umwelthilfe gilt als besonders klagefreudiger Verein, der allerdings auf diesem Wege auch schon einiges erreicht hat.

Auch die sogenannte "Legalplanung" findet sich noch in dem Entwurf: In diesem Fall erteilen nicht Behörden die Genehmigung für ein Gesetz, sondern die Parlamente in Bund oder Ländern. Dies macht es ebenfalls schwieriger, die Genehmigung vor Gericht überprüfen zu lassen. Der direkte Weg führt hier über das Bundesverfassungsgericht.

Deutschland könnte "verwundbarer, unsicherer und ungesünder" werden, fürchten Kritiker

Schon zu Beginn des Monats hatte sich der Präsident des Naturschutzbundes (Nabu), Jörg-Andreas Krüger, in einem flammenden Appell an Bund und Länder gewandt, um derlei Beschleunigungen abzuwenden. Einige der Vorschläge machten Deutschland "verwundbarer, unsicherer und ungesünder", warnte er darin gemeinsam mit den Chefs seiner Landesverbände.

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Mit einer "wissenschaftsfernen Ignoranz und Vehemenz" solle "die Axt an Grundpfeiler des Rechtssystems gelegt werden". So könnten künftig immer mehr Vorhaben per Gesetz ein überragendes öffentliches Interesse zugesprochen bekommen. "Es steht zu befürchten, dass dies insbesondere dort zur Anwendung kommen würde, wo Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz besonders erwartbar sind", schrieb Krüger. In dem von Steffi Lemke (Grüne) geführten Umweltministerium nahm man das Schreiben mit Interesse zur Kenntnis. Sie könnte gegen die Pläne aufbegehren, hält sich aber bisher bedeckt.

Noch stehen die fraglichen Passagen in eckigen Klammern im Entwurf. Man hat sich also noch nicht auf sie geeinigt. Doch eckige Klammern können schnell verschwinden. Und wenn es um eins geht bei diesem Pakt, dann darum: Schnelligkeit.

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