Berlin:Klima-Aktivisten vor Ministerium: Farbe aus Löschschlauch

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Die Klimaschutz-Gruppe Letzte Generation lässt nicht nach mit ihrem Protest - obwohl die Urteile gegen die Aktivisten härter werden. Bei der jüngsten Attacke kommt ein Feuerwehrauto zum Einsatz.

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Berlin (dpa/bb) - Mit einer Aktion vor dem Bundesverkehrsministerium in Berlin haben Klimaaktivisten gegen die Verkehrspolitik der Bundesregierung protestiert. Die Gruppe Letzte Generation teilte am Dienstag mit, man habe das Gebäude mit Wasser aus einem Feuerwehrauto bespritzt und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) „eine kalte Dusche“ verpasst. Nach Angaben eines dpa-Reporters kam zunächst orange Flüssigkeit aus dem Schlauch, dann Wasser. Drei Menschen seien gegen 9.30 Uhr mit dem Feuerwehrauto vorgefahren, sagte eine Polizeisprecherin. Ein weiterer habe das Fahrzeug bei einer Berliner Verleih-Firma gemietet.

„FDP-Minister Wissing tritt Recht mit Füßen. Er bricht nachweislich das Klimaschutzgesetz und blockiert jetzt auch noch Klimaschutz für ganz Europa“, sagte Jakob Beyer, Sprecher von der Gruppe Letzte Generation. Er bezog sich damit auf die Haltung von Wissing im Streit über das ab 2035 in der EU geplante Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor. Die ursprünglich vorgesehene EU-Abstimmung dazu war wegen Nachforderungen Deutschlands verschoben worden. Wissing hatte gesagt, Deutschland könne einem solchen pauschalen Verbrenner-Aus zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmen.

Die Polizei erteilte bei der Aktion vor dem Verkehrsministerium nach eigenen Angaben Platzverweise und leitete Strafverfahren wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung und Verstoßes gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz ein. Zudem werde geprüft, ob es zu Schäden an dem Feuerwehrauto gekommen sei durch die Farbe, sagte die Polizeisprecherin.

Von der Verleih-Firma sei jemand zum Ministerium gekommen, ihm sei das Fahrzeug übergeben worden. Nach einem Bericht der „B.Z.“ hatte der Verleiher das Auto am Montag an Menschen verliehen, die sich als Freiwillige Feuerwehr aus Brandenburg vorgestellt hatten. Sie hätten angegeben, ihr Fahrzeug sei nach einem Unfall kaputt. Sie hätten im Voraus gezahlt, rund 300 bis 500 Euro pro Tag seien das etwa, zitierte der „Tagesspiegel“ den Vermieter. „Wir wurden belogen und betrogen, jetzt müssen wir das Fahrzeug reinigen, damit die Pumpe nicht beschädigt wird“, so der Inhaber weiter.

Scharfe Kritik kam von der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Es ist unfassbar, dass diese kriminelle Organisation mit der Feuerwehr ein Symbol des demokratischen Rechtsstaates für ihren scheinheiligen Kampf missbraucht und hier das Bild erwecken möchte, dass diese Straftaten durch unsere Kollegen unterstützt werden“, teilte Sprecher Benjamin Jendro mit.

Zuletzt war die Gruppe Letzte Generation für eine Farbattacke auf das Grundgesetz-Kunstwerk im Berliner Regierungsviertel kritisiert worden. Die Umweltschutzorganisation WWF bezeichnete die Aktion als kontraproduktiv. „Das ist falsche Symbolik. Hier wird dem Klimaprotest ein Bärendienst erwiesen“, sagte Christoph Heinrich, geschäftsführender Vorstand von WWF Deutschland, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Dienstag).

Die Berliner Polizei ermittelt gegen sechs Mitglieder der Letzten Generation unter anderem wegen Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz habe den Fall übernommen.

Das Amtsgericht Heilbronn hat unterdessen zwei Mitglieder der Klimaschutz-Gruppe wegen einer Straßenblockade zu mehrmonatigen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt. Laut einer Sprecherin ist es die erste Haftstrafe ohne Bewährung, zu der Aktivisten der Gruppe verurteilt wurden. Die Männer waren am Montag zu jeweils drei und zwei Monaten Haft verurteilt worden, wie ein Gerichtssprecher am Dienstag sagte. Angeklagt waren sie wegen Nötigung.

Die Männer hätten sich am 6. Februar auf einer Straße in Heilbronn festgeklebt. Mehrere Medien hatten darüber berichtet. Laut Gericht wurden drei weitere Aktivisten zu unterschiedlichen Geldstrafen zu jeweils 60 Tagessätzen verurteilt.

Das strengere Urteil gegen die beiden Männer sei erforderlich zur „Einwirkung auf die Täterpersönlichkeit“, sagte ein Gerichtssprecher. Bewährungsstrafen würde man erlassen, wenn man von einer positiven Kriminalprognose ausgehe, also dass sich derartige Straftaten nicht wiederholten. Die Männer hätten aber vor Gericht erklärt, dass sie mit den Aktionen weitermachen wollten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Auf Twitter veröffentlichte die Gruppe nach dem Urteil ein Video, das einen der Täter zeigen soll, der sich nach eigener Aussage trotz der gegen ihn verhängten Haftstrafe erneut auf eine Straße festgeklebt hat. „Hi, ich bin Daniel, ich bin 22 Jahre alt und sitze heute wieder auf einer Straße in Heilbronn“, sagte er. Er könne nicht akzeptieren, „dass wir untätig bleiben, angesichts der Klimakatastrophe.“

© dpa-infocom, dpa:230307-99-859378/3

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