CSU:Offensive statt Ruhestand

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Er geht noch nicht, er kommt: der CSU-Chef vor der Pressekonferenz. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Horst Seehofer gibt Mängel im Stil zu, findet aber, dass er in den Debatten um Flüchtlinge und Maaßen Recht hatte.

Von Robert Roßmann, Berlin

Man kann, ja muss Horst Seehofer viel nachsagen - dass er kein Stehvermögen habe, gehört nicht dazu. Die Rücktrittsforderungen gegen ihn füllen ganze Aktenordner, kaum ein Parteichef ist häufiger politisch für tot erklärt worden als er. Aber Seehofer ist immer noch da. Ein Glaskinn, so viel ist sicher, hat der Mann nicht. Das zeigt sich auch an diesem Dienstag.

Die CSU hat bei der Landtagswahl ihre schlimmste Niederlage seit fast 70 Jahren erlitten. In der Partei rumort es, viele sehen in Seehofer den Hauptschuldigen. Andere möchten ihn zum Hauptschuldigen erklären, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Und außerhalb der CSU sind viele der Auffassung, dass es der politische Anstand erfordern würde, nach so einer Niederlage nicht am Sessel zu kleben, sondern zurückzutreten. Für Seehofer ist das eine gefährliche Melange. Aber was macht Seehofer? Er geht nicht in den Ruhestand, sondern in die Offensive.

Seehofer ist am Dienstag nach Berlin gekommen, auch um sich in der Bundespressekonferenz den Fragen der Hauptstadtjournalisten zu stellen. Anders als bei Auftritten in der CSU-Zentrale oder in seinem Innenministerium ist er dort nicht Herr des Verfahrens. In der Bundespressekonferenz führt kein Sprecher Seehofers, sondern ein Journalist Regie. Angela Merkel hat sich nach der Bayern-Wahl nicht einmal in ihrer Parteizentrale befragen lassen wollen. Die CDU-Vorsitzende ist dafür bekannt, jedes unnötige Risiko vermeiden zu wollen. Ganz anders Horst Seehofer.

Das zeigt bereits die erste Frage in der Bundespressekonferenz. Ob er nicht eine starke Belastung für die CSU und die große Koalition sei, will eine Journalistin wissen. Und warum er nicht gehe? "Bayern ist ein Paradies. Die CSU ist nicht jeden Tag ein Paradies", antwortet Seehofer. Das habe er bereits nach der Bundestagswahl erlebt. Da sei er auch "für alles verantwortlich gemacht worden". Jetzt sei "der gleiche Ansatz wieder da". Dann verteidigt er lange sein Verhalten in den Auseinandersetzungen um die Zurückweisungen an der Grenze und um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Da finde er auch im Rückblick, dass er in der Sache richtig gelegen habe. Eine Konzession macht Seehofer aber doch: Über Stil und Ton in den Debatten könne man reden. Da müsse er "auch eingestehen, dass da durchaus Kritikwürdiges dabei gewesen ist".

Als ein ägyptischer Journalist wissen will, was das bedeute ("Wollen Sie jetzt weniger mit Frau Merkel streiten?"), verspricht Seehofer zwar einen anderen Umgang. Daraus dürfe man aber "bitte nicht den Schluss ziehen", dass man jetzt überhaupt nicht mehr diskutieren dürfe. Es müsse sogar "ein Stück natürlicher werden", dass Debatten zugelassen werden und bei inhaltlichen Differenzen nicht immer gleich die Machtfrage gestellt werde. Richtig sei aber, dass er dabei künftig stärker auf den Stil achten wolle. Er habe "keinen Zweifel, dass ich das auch länger durchhalten werde", sagt Seehofer. Und "länger", so beteuert er auf Nachfrage, bedeute: "dauerhaft".

So richtig glauben will man das in CDU und SPD nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre noch nicht. "Na ja, immerhin schon mal der Anfang der Besserung ist in Sicht", wird SPD-Chefin Andrea Nahles später dazu sagen.

In der Bundespressekonferenz weist Seehofer alle Fragen, ob er als Parteichef und vielleicht auch als Innenminister zurücktreten werde, mit dem Hinweis zurück, jetzt keine Personalspekulationen auslösen zu wollen. Seine Partei habe sich schließlich auf ein Verfahren für die nächsten Wochen verständigt. Es ist ein Verfahren, das Seehofer zumindest bis zur voraussichtlichen Wiederwahl von Markus Söder Mitte November die Ämter retten könnte. Entsprechend leidenschaftlich wirbt Seehofer dafür.

Die CSU habe sich im Wahlkampf als Garant der Stabilität bezeichnet, da könne man jetzt doch nicht durch überhastete Entscheidungen selbst Instabilität erzeugen, sagt Seehofer. Die vertiefende Wahlanalyse dürfe es - ebenso wie mögliche Konsequenzen - deshalb erst nach der Wahl Söders und der möglichen Nominierung von Manfred Weber zum Spitzenkandidaten bei der Europawahl geben. Alles andere würde jetzt zu viel Unruhe auslösen. Und auf keinen Fall dürfe man jetzt die große Koalition infrage stellen. Eine Minderheitsregierung, wie sie manche in der CDU erwägen, wenn die SPD das Bündnis verlassen sollte, wäre nicht stabil genug.

Zumindest in diesem Punkt ist sich der CSU-Chef an diesem Tag mit Manfred Weber einig, der als einer seiner möglichen Nachfolger im Parteivorsitz gilt. "Die Debatten in der großen Koalition über Sinn und Unsinn der Zusammenarbeit müssen aufhören", sagt Weber der SZ. "Mit dem ständigen Infragestellen der großen Koalition durch SPD-Politiker" werde "immer noch mehr Vertrauen bei den Menschen verloren - die Bürger erwarten schlicht und einfach, dass die drei Parteien zu ihrer Verantwortung stehen und liefern."

In der Sitzung der CSU-Bundestagsabgeordneten am Dienstag steht allerdings nicht die SPD in der Kritik, sondern Seehofer. Vor allem Abgeordnete aus München und dem Umland - dort haben die Grünen besonders gut abgeschnitten - monieren die Außendarstellung der CSU in den vergangenen Monaten und den Streit, den Seehofer mit der CDU angefangen hatte.

Es habe zwar keine konkreten Rücktrittsforderungen gegen Seehofer gegeben, sagen Teilnehmer. Der Wunsch nach seinem Rückzug sei aber spürbar gewesen. Und so bleibt weiter unklar, ob es Seehofer tatsächlich schafft, in seinen Ämtern zu überleben. Trotz seines Stehvermögens glaubt das allerdings kaum noch jemand in der CSU.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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