CSU:Seehofers letzter Dienst

Er war einst der Retter seiner Partei, jetzt ist er nur noch der Vater ihres Elends. Horst Seehofer sollte zurücktreten.

Von Heribert Prantl

Wäre Horst Seehofer am Wahlabend zurückgetreten - es wäre ihm allseitiger Respekt sicher gewesen. Dieser Rücktritt wäre ein Akt der Einsicht und der Demut gewesen, einer Demut, mit der Markus Söder nur kokettiert. Am Desaster-Wahlabend hätte Seehofer zeigen können, dass er, trotz alledem, zu den Großen gehört. Wenige, nur ganz wenige Politiker erkennen, wann es an der Zeit ist zu gehen. Seehofer hätte zu ihnen gehören können. Aber: Seine Schuldeinsicht ist sehr begrenzt, seine Rechthaberei ist sehr viel größer; sein Gefühl von seiner vermeintlichen Unersetztlichkeit ist aus der Zeit gefallen. Seehofer ist nicht mehr der Gelassene, der er einmal war; er bleibt der Getriebene, der er geworden ist. Er ist ein Getriebener seiner selbst und seiner Misserfolge.

Die Gnade des rechtzeitigen Rücktritts: Nicht einmal Adenauer hat das geschafft, Willy Brandt auch nicht. Der Nachkriegskanzler Adenauer hat nicht gemerkt, dass seine Überzeugungskraft schon bald nach dem grandiosen Wahlsieg von 1957 geschwunden war; der alte Herr wurde 1963 aus dem Amt gedrängt. Und Brandt, Kanzler der Ostpolitik und Friedensnobelpreisträger, trat, 31 Jahre ist das her, als SPD-Parteichef viel zu spät und unter unwürdigen Umständen zurück. Es war zum Erbarmen; er trat zurück, als die Partei seine Kandidatin für das Parteisprecher-Amt nicht akzeptierte. Aus Rücktritten, die Akte der Demut hätten sein können, wurden Wochen und Monate, die sich demütigend dahinzogen. Wenn Seehofer noch einen Rest von der mutigen Klugheit besitzt, die ihn einst auszeichnete, sollte er so ein Gewürge vermeiden. Es ist Zeit.

Horst Seehofer ist der Vater der größten Niederlage der CSU seit Menschengedenken; seine politischen Söhne und Stiefsöhne, Dobrindt, Scheuer und Söder, haben daran kräftig mitgewirkt. Aber die haben vielleicht noch eine politische Zukunft; Seehofer hat sie nicht. Er ist zu verbraucht, zu bemakelt. Man kann heute Seehofer nicht hinwegdenken, ohne dass der Misserfolg der CSU entfiele.

Das Debakel von 2018 wird nicht ausgeglichen dadurch, dass eben diesem Seehofer vor fünf Jahren noch ein glanzvoller Sieg für die CSU gelang. Sic transit gloria, so vergeht der Ruhm. Und Seehofer tut alles, um den alten Ruhm durch neue Sturheit vergessen zu machen. Es ist ebenso traurig wie mitleiderregend.

Womöglich zitiert Seehofer für sich selbst zum Trost den Satz aus Schillers Fiesco: "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen." Der Satz ist aber hier schon deswegen falsch und unzutreffend, weil Seehofer seine Schuldigkeit eben nicht getan hat. Er und seine Leute sind schuld daran, dass aus der großen Koalition in Berlin kein Bündnis auf Gedeih, sondern eines auf Verderb geworden ist - und das Verderben trifft CSU, CDU und SPD gleichermaßen.

Seehofer sollte gehen, besser heute als morgen. Wäre er noch ein junger Politiker, er könnte es womöglich beim großen Mea culpa belassen. Am Ende seiner politischen Tage hilft das nicht mehr. Wenn der Purpur fällt, muss auch der Herzog nach. Das ist der letzte Dienst, den Seehofer sich, seiner Partei, der Bundesregierung und dem Land tun kann - zumal bei der CSU mehr gefallen ist als der Purpur.

Horst Seehofer ist auf seine späten Tage keine große politische Figur mehr, er ist ein Hindernis. Er sollte nicht darauf warten, dass man ihn wegräumt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: