Coronavirus in Deutschland:"Wir müssen damit rechnen, dass wir in eine Epidemiewelle hineinlaufen"

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Pressekonferenz zum Coronavirus in Berlin: RKI-Präsident Wieler, Virologe Christian Drosten und Gesundheitsminister Spahn (v.li.) (Foto: Sean Gallup/Getty Images)
  • Bundesgesundheitsminister Spahn und RKI-Präsident Wieler erhöhen den Druck auf Veranstalter und lokale Gesundheitsbehörden, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen.
  • "Wir müssen damit rechnen, dass wir direkt in eine Epidemiewelle hineinlaufen", sagt der Virologe Christian Drosten.
  • DFL-Chef Seifert geht mittlerweile davon aus, dass es in der Fußball-Bundesliga wegen des Coronavirus zu Geisterspielen kommt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat wegen der Ausbreitung des Coronavirus erneut zur Absage von Großveranstaltungen aufgefordert. "Ich ermuntere die Verantwortlichen ausdrücklich, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern bis auf Weiteres abzusagen", wiederholte Spahn in der Bundespressekonferenz seine Empfehlung vom Sonntag. "Es ist sicher leichter, auf ein Konzert, einen Klubbesuch, ein Fußballspiel zu verzichten als auf den täglichen Weg zur Arbeit", sagte Spahn und betonte: "Das meine ich sehr ernst: Auf diese Abstufung kommt es die nächsten Wochen und Monate an. Jeder muss das für sich abwägen." Er appelliere an die Eigenverantwortung des Einzelnen, Infektionsmöglichkeiten zu minimieren und den Kontakt zu anderen allgemein zu reduzieren.

"Das ist jetzt der Zeitpunkt, Großveranstaltungen abzusagen", sagte auch Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts. Er trat in Berlin gemeinsam mit dem Gesundheitsminister vor die Presse. Die Entscheidung darüber liege allerdings "immer bei den lokalen Gesundheitsbehörden". Spahn ergänzte: "Wir müssen den Ausbruch verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem weiter funktionieren kann." Dies bleibe das oberste Ziel. Jeder Einzelne müsse sich daher fragen: "Auf was können wir eine Zeit lang verzichten - und auf was können wir schwerer verzichten?"

Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), Christian Seifert, stellt sich bereits auf Geisterspiele in der Bundesliga ein. Die DFL würde, so Seifert, nächsten Spieltag am liebsten mit Zuschauern spielen. "Das ist aber leider nicht realistisch", sagte Seifert bei Bild live, schloss aber eine Komplett-Absage des kommenden Spieltags aus. "Wir haben entschieden, dass der Spieltag stattfindet, rein sportlich. Mit wie vielen Zuschauern und ob ohne, das ist eine Entscheidung, die die Behörden treffen müssen", sagte der 50-Jährige.

Kanzlerin Angela Merkel fordert einen entschlossenen Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Keine Maßnahme sei vergebens, weil es vor allem darum gehe, das Tempo der Ausbreitung zu verlangsamen, sagt Merkel in Berlin. Dies kaufe Zeit für die medizinische Forschung und die Vorbereitung des Gesundheitssystems auf den kommenden Winter, wenn eine schnellere Ausbreitung zu erwarten sei.

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Wieler und Spahn sagten übereinstimmend, dass etwa 80 Prozent der Infektionen milde verliefen. Selten nehme die Erkrankung allerdings einen schweren Verlauf mit Lungenentzündung. In diesen Fällen sei eine intensiv-medizinische Behandlung notwendig, sagte Spahn. Deswegen sei es wichtig, dass in Deutschland zur gleichen Zeit eine ausreichende Zahl von Intensivbetten verfügbar und eine künstliche Beatmung der Betroffenen möglich sei. Gefährdet sind vor allem ältere Menschen ab 65 Jahren und mit Vorerkrankungen. "Wir müssen alles daran setzen, diese Menschen zu schützen", sagte RKI-Chef Wieler.

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Christian Drosten, Virologe an der Charité Berlin, sprach von einer "absolut ernsten Situation". "Wir müssen damit rechnen, dass wir direkt in eine Epidemiewelle hineinlaufen", sagte er. Er nannte zwei Gründe dafür, warum in Deutschland lange niemand an der Krankheit Covid-19 gestorben sei. Zum einen habe man die Situation hier schnell erkannt. Zum anderen sei "Deutschland vorne dran, was die Diagnostik angeht". Dies liege vor allem daran, dass niedergelassene, weit in der Fläche verbreitete Labore das Virus diagnostizieren könnten. Deswegen habe man im Vergleich zu anderen Ländern einen "extremen Vorsprung".

Am Montagnachmittag meldete das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium, dass zwei Menschen nach einer Coronavirus-Infektion gestorben seien, eine Person in Heinsberg und eine in Essen. Die Zahl der nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Menschen ist in Deutschland mittlerweile auf 1112 gestiegen. Nun stehen Großveranstaltungen im Zentrum der Debatte, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern.

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