Die Ankündigung von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im gesamten Bundesland geltende Corona-Beschränkungen demnächst aufheben zu wollen, stößt auf deutliche Kritik.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf Ramelow vor, sich von Anhängern von Verschwörungstheorien leiten zu lassen. "Ich erwarte von einem Politiker, dass man führt, dass man Orientierung gibt, aber dass man sich nicht von ein paar Tausend Menschen, die sich mit Verschwörungstheorien auf die Plätze stellen, leiten lässt", sagte Klingbeil der Bild-Zeitung. "Wenn der einzige Applaus, den man bekommt, von Attila Hildmann und Christian Lindner kommt, muss Herr Ramelow sich fragen, ob er alles richtig gemacht hat."
Lockerungen:Die neuen Corona-Regeln in den Bundesländern
Thüringen plant, die Corona-Beschränkungen in zwei Wochen komplett aufzuheben. Ein aktueller Überblick, was in welchem Bundesland gilt.
"Es darf in keinem Fall der Eindruck entstehen, die Pandemie wäre schon vorbei", twitterte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Auch in der CDU-Spitze wurde offenbar Unmut über den Thüringer Vorstoß laut. In einer Videokonferenz des CDU-Präsidiums sei von einem "verheerenden" Signal die Rede gewesen, berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Teilnehmerkreise. Kritik kam demnach etwa vom saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans und von NRW-Regierungschef Armin Laschet.
Ramelow hatte am Wochenende angekündigt, vom 6. Juni an auf allgemeine, landesweit gültige Corona-Schutzvorschriften zu verzichten. Damit würden landesweite Regeln zu Mindestabständen, dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz sowie Kontaktbeschränkungen nicht mehr gelten.
Ramelow selbst verteidigte seinen Vorstoß: "Ich habe nicht gesagt, dass die Menschen sich umarmen sollen oder den Mund-Nasen-Schutz abnehmen und sich küssen sollen", sagte er am Montag dem MDR. Es gebe jetzt keinen Grund, leichtfertig zu werden. "Das heißt, dass bewährte Regelungen wie das Abstandhalten nicht aufhören sollen."
Auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch stellte sich hinter seinen Parteifreund. "Wir können nicht dauerhaft Beschränkungen vornehmen, wo es keine Infektionen gibt", sagte er dem Deutschlandfunk.
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach forderte die Bundesregierung auf, ein Signal gegen die angekündigten Lockerungen zu setzen. "Mit der Entscheidung in Thüringen droht ein bundesweiter Wettlauf der Länder, der aus medizinischer Sicht katastrophal wäre", sagte Lauterbach der Rheinischen Post.
Aus Bayern kam ebenfalls Kritik. Der Leiter der bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann, sprach in der Bild-Zeitung von einem "hochgefährlichen Experiment" .
Ebenfalls ablehnend äußerte sich Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Es gebe noch viele Menschen, die besonders gefährdet seien. "Da ist so eine Alles-geht-Botschaft, auch wenn wir alle eine Rückkehr zur Normalität wollen, verkehrt und zu leichtsinnig", sagte er dem Nachrichtensender N-TV. Gerade Personen in Spitzenpositionen wie ein Ministerpräsident sollten "eher bremsen als den Beschleuniger geben".
Ganz anders sieht man das offenbar in Sachsen. Hier plant die Regierung, dem Beispiel des Nachbarbundeslandes zu folgen. "Wenn die Zahl der Neuinfektionen weiterhin stabil auf einem niedrigen Niveau bleibt, planen wir für die Zeit ab dem 6. Juni in der nächsten Corona-Schutzverordnung einen Paradigmenwechsel", sagte Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) der Leipziger Volkszeitung. Statt wie bislang allgemeine Beschränkungen zu erlassen und viele Ausnahmen von diesen zu definieren, "wird dann generell alles freigegeben und nur noch das Wenige an Ausnahmen benannt, was noch nicht möglich sein wird", erklärte Köpping.