Kinderbetreuung in der Krise:"Mama, wann ist Corona endlich zu Ende?"

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Eine Notbetreuung gibt es für nur vier Prozent der Kita-Kinder, in Bayern gar nur für zwei Prozent: In Kaufbeuren arbeitet die Mutter von Jakob, 6, und Valentin, 4, zu Hause am Laptop, während ihre Kinder neben ihr malen und ein Buch ansehen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
  • In der Corona-Krise dürfen nur Kinder von Eltern, die in der sogenannten kritischen Infrastruktur tätig sind, eine Notbetreuung besuchen: Bundesweit sind das etwa vier Prozent.
  • Am Mittwoch beschlossen Bund und Länder, diesen Anspruch ein wenig auszuweiten: So dürfen in der Regel ab 27. April auch Kinder von Alleinerziehenden in die Kitas.
  • Für die anderen Familien ist die Kita-Schließung ein familiärer Härtetest. Und es sieht ganz danach aus, als ob die Kitas ihren ansatzweisen Normalbetrieb bis zu den Sommerferien nicht wieder aufnehmen werden.

Von Peter Burghardt, Hamburg

An einem dieser Corona-Tage bekam Manuela Schwesig beim Frühstück eine Frage gestellt, mit der sich die ganze Welt befasst. Es ist eine Frage, deren fehlende Antwort und reale Begleiterscheinungen Familien zunehmend an die Nerven gehen. "Mama, wann ist Corona endlich zu Ende?", sei sie von ihrer 4-jährigen Tochter gefragt worden, twitterte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und frühere Bundesfamilienministerin. "Sie möchte in die Kita & vermisst Freunde", auch ihr 13-jähriger Sohn vermisse Schule & Freunde. "Wir wissen das & fühlen es jeden Tag. Dennoch alles geht nur Schritt für Schritt."

Die SPD-Politikerin Schwesig, 45, kann als Mutter die derzeit sehr speziellen Sorgen also nachvollziehen, wobei man sie wahrscheinlich zu einem Mitglied der systemrelevanten Berufsgruppen zählen darf. Wann Corona endlich zu Ende ist, kann sie ihrer Tochter allerdings nicht sagen, es könnte dauern. Und den Eltern ihres Bundeslandes kann auch ihr zuständiges Ministerium nur berichten, wie es fürs erste mit den Kitas weitergeht. Vorsichtig formuliert: sehr zögerlich.

Seit fünf Wochen sind die Kindertagesstätten wegen des Virus im Prinzip geschlossen. In der Notbetreuung waren, Stand Ende März, laut Bundesfamilienministerium geschätzt 160 000 der gewöhnlich ungefähr 3,7 Millionen Kita-Kinder, gut vier Prozent. In Bayern sind es laut dortigem Staatsministerium 12 672 Kinder, zwei Prozent. In diese Notbetreuung durften bislang nur Kinder, deren Eltern in der sogenannten kritischen Infrastruktur am Werk sind, als Ärzte oder Polizisten zum Beispiel. Am Mittwoch beschlossen Bund und Länder, diesen Anspruch ein wenig auszuweiten: So dürfen in der Regel ab 27. April auch Kinder von Alleinerziehenden in die Kitas. Außerdem genügt es vom übernächsten Montag an, wenn Vater oder Mutter einer jener als unverzichtbar eingestuften Tätigkeiten nachgehen, es müssen dann nicht mehr beide sein.

Für welche Jobs das gelten soll, das entscheidet jedes Bundesland. In Bayern gehören dazu auch Medien, in Mecklenburg-Vorpommern auch Rechtsanwälte. Hamburg nennt keine Berufsgruppen, sondern Bedarfsgruppen, es gehe um Bedarf, nicht um Berufe. Die einen Länder drängen, andere Länder bremsen. Eine bundesweit einheitliche Liste gibt es nicht. Stattdessen beschlossen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und ihre Länderkollegen am Freitag fünf Wochen nach der Schließung der Kitas in einer Telefonschalte, dass sie beraten wollen, was vom 3. Mai an passiert. Solange können die Bundesländer nur die Notbetreuung variieren. Für die Zeit danach, so Giffey, soll "ein Konzept erarbeitet werden, das Leitlinien und Empfehlungen zur schrittweisen Wiedereröffnung formuliert".

Für die Betroffenen sind das mäßig beruhigende Aussichten, ein "Rückschlag für alle Eltern", findet die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Der Frauenrat fordert wie einige Politiker auch finanzielle Unterstützung für die derzeit Daheimerziehenden: "Politiker scheinen davon auszugehen, dass Familien die Betreuung von Kita- und Schulkindern weiterhin auf eigene Kosten stemmen", klagt die Vorsitzende Mona Küppers. Obendrein sieht es ganz danach aus, als ob die Kitas ihren ansatzweisen Normalbetrieb bis zu den Sommerferien nicht wieder aufnehmen werden. Bislang ist nicht mal klar, wie die Urlaube aussehen könnten. Oder wie und mit welchem Schutz sich Kitas organisieren könnten. Sicher ist eigentlich nur, dass sich Covid-19 an keine Termine hält und sich die eine oder andere Familie der Verzweiflung nähert.

Da wird das Home-Office vielerorts zum erweiterten Versuchslabor mit emotionalem Härtetest. Es arbeitet sich so mittelkonzentriert, wenn nebenan das Kind den Tisch bemalt oder das Sofa umbaut. In manchen Fällen sind es Luxusprobleme, in anderen existenzielle Schwierigkeiten, das hat üblicherweise mit Wohnlagen und Finanzen zu tun. In einer Villa mit Garten lebt es sich häufig leichter als im Kleinapartment. Das ist einer der Gründe, weshalb Großstädte tendenziell größeren Stress verzeichnen als der ländliche Raum, besonders in sozialen Notlagen.

Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard setzt sich für die Öffnung der Spielplätze ein, sie bekomme viele Mails und Briefe zu dem Thema. "Kinder brauchen andere Kinder", und sie bräuchten "sehr viel Bewegung, auch im Freien." Bis zum 3. Mai soll es also einen Kita-Plan geben. Die Bundesländer und das Bundesfamilienministerium "sehen die Schwierigkeiten und Herausforderungen, vor denen die Familien aktuell stehen", sagt Giffey. Auch die frühkindliche Entwicklung müsse stärker berücksichtigt werden. Manuela Schwesigs Tochter und andere Söhne und Töchter werden vermutlich weiterhin Fragen stellen, ihre Eltern auch.

© SZ vom 18.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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