Kulturpolitik:Claudia Roths italienische Reisen

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Deutschlands Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth (Grüne) ist nicht für Goethe zuständig - das heißt: nicht für das Goethe-Institut. (Foto: Hannes P Albert/DPA)

Die deutsche Kulturstaatsministerin reist im Schatten der Sparmaßnahmen für die Goethe-Institute nach Italien, jongliert zwischen links und rechts - und erhält eine heikle Einladung.

Von Marc Beise, Rom

Wenn in diesen Tagen ein deutscher Politiker oder eine deutsche Politikerin nach Italien reist, dann befindet sich bei den Gesprächen meist ein Elefant im Raum, ein Thema, das alle beschäftigt, das aber nicht im Vordergrund stehen soll. Claudia Roth, die erste deutsche Ministerin auf Italienreise im neuen Jahr, hatte mit gleich zwei Elefanten zu tun.

Den ersten wusste sie elegant zu verabschieden. Sie sagte dazu Sätze wie: "Ich bin für die Kulturinstitution des Bundes zuständig, außer für Goethe." Soll heißen: Bitte nicht den Beschluss über die Schließung mehrerer Goethe-Institute ausgerechnet in Italien, dem Sehnsuchtsland der Deutschen und engen Verbündeten, mir zur Last legen.

In Italien gibt es Protest von Politik und Kulturschaffenden

Das Außenministerium der Parteifreundin Annalena Baerbock hatte dem Goethe-Institut in München ein Sparprogramm auferlegt, und dieses hat sich in Abstimmung mit der Politik entschieden, Häuser vor allem in Ländern dichtzumachen, wo es traditionell ein besonders großes Sprach- und Kulturangebot gibt.

Stattdessen will man sich lieber auf neue Ziele wie Osteuropa oder Asien konzentrieren. Das geht vorrangig zulasten von Frankreich und Italien, wo zudem die Kosten besonders hoch sind, etwa durch sündhaft teure Immobilien, und der Nutzen aus Berliner Sicht überschaubar ist. Gestrichen werden sollen etwa ein Viertel der insgesamt etwa 100 Stellen.

Auch in Italien hat diese Nachricht heftig eingeschlagen, es gibt Protest von Politik und Kulturschaffenden und von den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die nun entlassen werden. Sie hoffen, in den laufenden Verhandlungen zwischen der Goethe-Administration und den italienischen Gewerkschaften die Maßnahmen noch verhindern zu können.

Das betrifft insbesondere die Schließung des angesehenen Instituts in Turin und die radikalen Kürzungen für Neapel, das bisher den ganzen Süden Italiens abdeckte. Claudia Roth sagt dazu offiziell, dass das eine Entscheidung sei, an der sie nicht beteiligt war und die auch nicht mehr zu verhindern sei. Wichtiger sei es deshalb, "die Folgen abzufedern".

Roth ist eine Galionsfigur der Linken, Italiens Kulturminister ein Rechter

Denkbar wäre die Weiterführung der Aktivitäten nicht mehr unter dem Schirm des Goethe-Instituts, aber mit einer Anschubfinanzierung von dort. Auch der italienische Staat hat angeboten zu helfen, beispielsweise durch die Bereitstellung preisgünstiger Immobilien. Darüber hat Roth mit Italiens Kulturminister Gennaro Sangiuliano gesprochen, der aus Neapel kommt und die Bedeutung des dortigen Instituts kennt.

Mit Sangiuliano verstand sich Claudia Roth gut, es gab lange Gespräche und ein sehr ehrenvolles Galadinner inmitten der Kunstschätze der Villa Borghese. Das ist bemerkenswert angesichts der Biografie der beiden, zwischen denen politisch Welten liegen - und hier steht der zweite Elefant im Raum. Roth ist ein frühes Mitglied der Grünen und eine Galionsfigur der Linken, der ehemalige Journalist Sangiuliano tummelte sich zeitlebens ganz am rechten politischen Rand.

Sangiuliano etwa wurde in der Jugendorganisation Fronte della Gioventù des neofaschistischen MSI sozialisiert, schloss sich dann aber dem Rechtspopulisten Matteo Salvini von der Lega an. Schließlich wechselte er ins Lager der Postfaschisten von Fratelli d'Italia, was ihm 2022 - obschon parteilos - das Amt des Kulturministers einbrachte.

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Der Umgang mit der faschistischen Vergangenheit ist angesichts der politischen Ausrichtung der neuen Regierung ein Dauerthema. Gerade etwa wird intensiv der Auftritt von mehreren Hundert Neofaschisten am Sonntagabend in der Hauptstadt diskutiert, die in einem schwarzen Block auftraten und mehrmals den hier "Saluto romano" genannten Gruß mit ausgestrecktem Arm zeigten - was auch in Italien verboten ist. Die Opposition ist empört, der Staatsschutz ermittelt - aber Regierungschefin Giorgia Meloni schweigt bisher.

Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass Sangiuliano seine Kollegin Claudia Roth offenbar spontan zu der Gedenkveranstaltung am 24. März in Erinnerung an das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen im Süden von Rom eingeladen hat. Hier haben 1944 die NS-Besatzer 335 italienische Zivilisten erschossen. Wer am 24. März auf der Veranstaltung redet und was gesagt wird auch über die Beteiligung italienischer Faschisten an den Gräueltaten jener Jahre, ist immer ein besonderes Politikum - nun auch für Claudia Roth.

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