Viel zu kompliziert seien die Vorschläge, viel zu viel Rechnerei. Christine Fuchsloch hat ihr Amt noch gar nicht übernommen, schon macht die neue Präsidentin des Bundessozialgerichts (BSG) mit klarer Kritik an der von der Ampelregierung geplanten Kindergrundsicherung von sich hören. "Wir wollen, dass die Chancengleichheit zwischen armen Kindern und denen von reichen Eltern verbessert wird", sagte die 59-jährige Juristin in ihrer Antrittsrede Mitte Februar in Kassel. Aber so wie die neue Kindergrundsicherung jetzt geplant sei, wäre der Bürokratieaufwand viel zu groß. "Die bisherigen Pläne führen im Ergebnis zu enorm komplizierten Verwaltungsstrukturen."
Damit schließt Fuchsloch an eine Reihe immer wieder geäußerter Kritik in den vergangenen Monaten an. Zuletzt wurde der Start der Kindergrundsicherung, die bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Beiträge aus dem Bürgergeld für Kinder oder den Kinderzuschlag bündeln soll, auf Mitte 2025 verschoben.
Fuchsloch wird am 1. März Präsidentin des Bundessozialgerichts in Kassel, als erste Frau an dessen Spitze. Erstmals werden damit auch drei der fünf obersten Bundesgerichte von Frauen geführt. Zuvor saß Fuchsloch 14 Jahre lang dem schleswig-holsteinischen Landessozialgericht vor. Auch dort war sie die erste Präsidentin. Vorgeschlagen für den neuen Posten hat sie die SPD. Am Bundessozialgericht wird sie den Vorsitz des vierten Senats übernehmen, dieser ist zuständig für das Bürgergeld und wohl auch die künftige Kindergrundsicherung. Wenn Fuchsloch Kritik an der geplanten Ausgestaltung übt, sollte die Politik also genau hinhören.
Begonnen hat die gebürtige Frankfurterin ihre Richterinnenlaufbahn 1993 beim Sozialgericht Hamburg, anschließend wechselte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an das Bundesverfassungsgericht. Bevor sie Präsidentin des Landessozialgerichts in Schleswig wurde, war sie Richterin des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg. Promoviert hat sie 1994 mit einer Arbeit unter dem Titel "Das Verbot der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung - Ableitung, Analyse und exemplarische Anwendung auf staatliche Berufsausbildung" .
Seit Jahrzehnten setzt sie sich für Geschlechtergerechtigkeit ein
Schon in ihren vorigen Ämtern hatte Fuchsloch keine Scheu vor klaren Worten. Bereits 2002 forderte sie nach Änderungsvorschlägen zu den Hartz-IV-Regeln durch die Hartz-Kommission frauenpolitische Korrekturen. Die "Interessen der Frauen und die Chancengleichheit der Geschlechter" seien auf der Strecke geblieben. Als Beispiel nannte sie in einer Aussendung die geplante Ausweitung der Mini-Jobs, die zu "erhöhter Frauenarbeit im ungeschützten Niedriglohnsektor" führe.
Immer wieder hat sich Fuchsloch in ihrer Arbeit und in Publikationen auch mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschäftigt und damit, wie entsprechende Gesetze diese unterstützen oder erschweren. Der Deutsche Juristinnenbund nennt die Mutter von drei Töchtern ein "Vorbild für Juristinnen", Gleichberechtigung und Chancengleichheit seien "ihr auch aufgrund ihrer persönlichen Biografie wichtig". Tatsächlich begründete Fuchsloch ihr Engagement in einem Interview vor einigen Jahren auch mit ihrer Kindheit: "Als Mädchen durfte ich nicht Messdienerin werden oder Mitglied der freiwilligen Feuerwehr und musste viel mehr Hausarbeit machen als mein Bruder - das fand ich ungerecht."
Christine Fuchsloch folgt auf den 66-jährigen Rainer Schlegel; er war seit Oktober 2016 Präsident des BSG und scheidet aus Altersgründen aus dem Dienst aus. Im Oktober hatte der Richterwahlausschuss des Deutschen Bundestages Fuchsloch zur Bundesrichterin in Kassel gewählt. Schleswig-Holsteins Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) würdigte nach der Wahl ihr "herausragendes Fachwissen und großes diplomatisches Gespür, was ihr in ihrem neuen Amt sehr helfen wird".