Nordostasien:USA und China ringen um die Vorherrschaft

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Chinas Staatspräsident Xi Jinping und US-Präsident Donald Trump (Foto: Thomas Peter/Getty Images)
  • US-Außenminister Pompeo gab bekannt, dass sich Nordkoreas Machthaber Kim und US-Präsident Trump auf einen informellen Friedensschluss einigen wollen.
  • Die bilaterale Kriegsende-Erklärung wäre auch ein Signal an Peking.
  • Washington könnte Abrüstungsschritte Kims mit militärischen Sicherheitsgarantien belohnen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump wollen sich bei ihrem Gipfel am 27. Februar in Hanoi auf eine Deklaration einigen, mit der sie den Koreakrieg für beendet erklären. Das gab US-Außenminister Mike Pompeo bekannt.

Eine solche Erklärung, ein informeller Friedensschluss, hätte drei Vorzüge. Trump und Kim könnten erstens einen Erfolg vorweisen, ohne in der heiklen Frage der Denuklearisierung wesentliche Fortschritte zu erzielen. Zweitens muss eine solche Erklärung, anders als ein Friedensvertrag, in den USA nicht vom Kongress bestätigt werden. Und nicht zuletzt müssten die USA und Nordkorea an einem Friedensvertrag China beteiligen. Denn als Kriegspartei hat Peking, anders als Seoul, den Waffenstillstand von 1953 mit unterzeichnet.

Die bilaterale Kriegsende-Erklärung wäre also, drittens, auch ein Signal an Peking: Der chinesische Präsident Xi Jinping, der beim Treffen in Hanoi aus der Ferne mitzuverhandeln versucht, bliebe vorerst ausgeschlossen.

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Beide brauchen Kompromisse, die sie zu Hause als Erfolg verkaufen können. So wird Nordkorea verifizierbare Abrüstungsschritte leisten müssen und dafür eine Lockerung der Sanktionen verlangen.

Von Christoph Neidhart

Im Entspannungsprozess um Nordkorea geht es um mehr als Atomwaffen, es geht um Sanktionen, Wirtschaftshilfe und Überlebensgarantien für Kims Regime. Indirekt und über Kims Kopf hinweg ringen die USA und China um die Hegemonie über Nordostasien.

Wer die koreanische Halbinsel beherrscht, hat die ganze Region im Griff

Trump und Kim scheinen sich auf die nächsten Schritte einigen zu können. Kim sei bereit, alle Einrichtungen zur Anreicherung von Uran und Plutonium "und noch mehr" zu demontieren; das habe er Pompeo zugesagt, berichtete der amerikanische Nordkorea-Beauftragte Stephen Biegun kürzlich an der Universität Stanford.

Im gleichen Vortrag rückte Biegun im Namen der US-Regierung vom Mantra ab, Nordkorea müsse komplett nuklear abrüsten, bevor die USA die Sanktionen lockerten. "Wir sagen nicht, wir machen nichts, bevor ihr alles macht." Biegun versicherte: "Wir werden nicht in Nordkorea einmarschieren, wir haben auch kein Interesse, das Regime zu stürzen." Die USA seien "bereit für eine andere Zukunft". Trump sei entschlossen, auf der koreanischen Halbinsel permanent Frieden zu schaffen. "Es gibt keinen Grund, dass dieser Konflikt weiter besteht." Dessen Lösung jedoch führt zwangsläufig zur Neuordnung Nordostasiens.

Das verarmte Nordkorea, das sich seit dem Ende des Kalten Krieges eingeigelt hat, existiert nur noch, weil seine mächtigen Nachbarn es so wollten. China fürchtet den Zusammenbruch Nordkoreas, deshalb hat es das unliebsame Regime bisher gestützt. Eine Vereinigung der beiden Koreas, argwöhnt man in Peking, könnte US-Truppen an seine Grenze bringen.

Washington seinerseits will kein neutrales Korea, da es damit seinen Einfluss schwinden sähe. Seoul ist schon heute wirtschaftlich enger an China gebunden als an die USA. Außerdem lassen sich die 30 000 US-Soldaten in Südkorea und die 50 000 in Japan mit der Bedrohung durch Pjöngjang rechtfertigen. Auch Japan und Russland verstehen Nordkorea als Puffer.

Die Geschichte zeigt: Wer die koreanische Halbinsel beherrscht, ist der Hegemon über Nordostasien. Schon im 16. Jahrhundert versuchte Japan, die Halbinsel zu erobern, damals ein tributpflichtiger Vasallenstaat Chinas. 1895 zog Tokio gegen China um Korea in den Krieg, 1905 gegen Russland, das ebenfalls nach Korea griff. 1910 unterwarf sich Japan die ganze Halbinsel als Kolonie und griff zwei Jahrzehnte später nach China und ganz Ostasien.

Das Vakuum, das mit Japans Kapitulation 1945 entstand, verursachte die Teilung Koreas. Der Koreakrieg hat diese zementiert. Nordkorea wurde ein (störrisches) Mitgliedsland des sowjetischen Machtbereichs und blieb nach dessen Kollaps isoliert zurück. Damals einigten sich seine Nachbarn implizit auf das Patt, das bis heute besteht. Keine Seite wollte das Risiko eingehen, die arme, marode, strategisch jedoch wichtige und an Rohstoffen reiche Diktatur an die andere Seite zu verlieren. Man ließ die Kims gewähren, wenn sie ihre Nachbarn gegeneinander ausspielten.

Peking und Washington setzten auch nach Kim Jong-uns Amtsantritt 2011 auf diese relative Stabilität. Die Chinesen verachteten "Kim-III-Pang", wie sie den Erbdiktator nennen: "Kim der dritte Fettsack". Sie ließen ihn zündeln, wollten aber nichts mit ihm zu tun haben. Die USA reduzierten Nordkorea auf ein Atomproblem. US-Präsident Barack Obama kaschierte sein Desinteresse als "strategische Geduld".

Es ist durchaus Kims Verdienst, dieses Patt aufgebrochen zu haben: erst mit seinen Provokationen, dann mit seiner Friedensinitiative. Dabei hatte er das Glück, dass in Seoul seit 2017 Moon Jae-in regiert, ein Präsident, dem der Ausgleich mit Nordkorea ein persönliches Anliegen ist und der sich als Vermittler einbrachte. Und dass in Washington Donald Trump sitzt, ein Präsident, der sich alles leisten zu können glaubt. Erst wollte er Nordkorea "vernichten", nun will er einen Frieden in Korea aushandeln. Japans Ministerpräsident Shinzo Abe will Trump deshalb angeblich sogar für den Friedensnobelpreis vorschlagen.

Nordkorea drohte Peking zu entgleiten

Peking erkannte die Bedeutung von Kims Kurskorrektur zu spät. Man begann erst vor zwei Jahren, beunruhigt wegen Kims Raketen, die sich auch gegen China richten könnten, vor allem aber wegen Trumps Kriegsdrohung, die UN-Sanktionen durchzusetzen. Peking erkannte auch die Tragweite von Kims Friedensinitiative zuerst nicht - bis in Seoul Theorien aufkamen, Washington könnte Abrüstungsschritte Kims mit militärischen Sicherheitsgarantien belohnen und mit Geldern aus Südkorea und Japan eine Art Marshall-Plan aufs Gleis setzen.

Nordkorea drohte Peking zu entgleiten. Seither buhlt Xi um Kim, den er zuvor sechs Jahre lang demonstrativ ignoriert hatte. Die beiden zelebrieren die "ewige Freundschaft" ihrer Länder. Vor wichtigen Terminen reist Kim nach Peking - wie einst die Tribut-Delegationen aus Korea, als die Halbinsel ein Vasallenstaat des Kaiserreichs war.

Wie viel Einfluss Xi hat, ist unklar. Traditionell blickt Pjöngjang mit Misstrauen auf China. Womöglich versucht Xi, Kim zu bremsen. Peking will Ruhe und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel, Wirtschaftszusammenarbeit und einen Puffer. Aber es will definitiv keine "andere Zukunft" zwischen Washington und Pjöngjang, wie es Biegun formulierte, samt Marshall-Plan und US-Beratern.

© SZ vom 18.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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