Nationaler Volkskongress:Die Wirtschaft wird zu Chinas Schicksalsfrage

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3000 Delegierte nehmen am zehntägigen Nationalen Volkskongress in Peking teil. (Foto: REUTERS)
  • Ein wichtiges Thema des Nationalen Volkskongresses, der am Dienstag in Peking beginnt, wird das schwierige Verhältnis zwischen Staat und Privatwirtschaft sein.
  • Die privaten Unternehmen haben dem Land zum wirtschaftlichen Aufstieg verholfen, doch Präsident Xi Jinping kontrolliert sie immer mehr.
  • Chinas Wirtschaft kühlt sich ab, die Schulden steigen, die Arbeitslosigkeit ebenso. Pekings Sorge vor Protesten wie vor 30 Jahren auf dem Platz des Himmlischen Friedens sind groß.

Von Lea Deuber

Worum es in China dieser Tage geht, lässt sich mit einem Video erklären, das gerade tausendfach im chinesischen Internet geteilt wurde. In dem staatlich finanzierten Clip singen Schulkinder ein Lied namens "Schönes Huawei". Die Zeilen lassen wenig Spielraum für Interpretation: "Wir lieben unser Land, wir lieben unsere heimische Marke Huawei" und "die chinesischen Chips sind die wertvollsten". Es dauerte nicht lange, und das Unternehmen hatte sich von der staatlichen Liebeserklärung distanziert. Man habe nichts von der Produktion gewusst. Seit im Dezember eine Managerin der Firma auf Geheiß der USA in Vancouver verhaftet wurde, ist in vielen Ländern eine Debatte über den Einsatz neuer Mobilfunk-Technologie des Unternehmens entbrannt. Huawei versucht seitdem, den Verdacht auf eine zu große Nähe zum Staat auszuräumen.

Das Video zeigt, wie schwierig das Verhältnis zwischen der Kommunistischen Partei und vielen Privatunternehmen im Land ist. Wie viel Spielraum Chinas Regierung der Privatwirtschaft in Zukunft noch zugestehen will, wird eines der zentralen Themen des Nationalen Volkskongresses (NVK) sein, der am Dienstag in Peking beginnt. Etwa 3000 Delegierte nehmen an der zehntägigen Vollversammlung teil, dem offiziell höchsten chinesischen Gesetzgebungsorgan. Die Abgeordneten des Scheinparlaments sind von der KP auserkoren und nicken die ausgearbeiteten Vorlagen nur ab. Doch für die öffentlichkeitswirksame Verkündung von Entscheidungen ist der Kongress in der Großen Halle des Volkes unersetzlich.

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Chinas Handelsstreit mit den USA ist das Resultat der Wirtschaftspolitik Xi Jingpings: Das Land will sich geopolitisch mehr Einfluss sichern und in immer mehr Branchen Vorreiter werden. Wie erfolgreich diese Strategie ist, erklärt China-Korrespondentin Lea Deuber.

Präsident Xi Jinping hat seit seinem Amtsantritt die Rolle von Staatsunternehmen gestärkt und den Einfluss der Partei auf Privatfirmen ausgeweitet. Im Wettbewerb mit staatlichen Akteuren ziehen nicht mehr nur Ausländer den Kürzeren, sondern auch Chinas Privatunternehmer. Einerseits soll die Wirtschaft von ihrer Vitalität profitieren. Ihre Innovationskraft hat den Aufstieg Chinas zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt in den vergangenen Jahren erst möglich gemacht. Anderseits unterwirft der Hardliner Xi alles der Kontrolle und Ideologie der Partei.

Das Treffen kommt zu einem kritischen Zeitpunkt: Der Handelskrieg mit den USA belastet die Wirtschaft. Im Januar musste Präsident Xi bei einer Rede vor Parteifunktionären "große Gefahren" einräumen, die gar die "langfristige Herrschaft der KP" gefährden könnten. Dazu gehören die sich abkühlende Wirtschaft und die rasant steigenden Schulden. Peking investiert jedes Jahr Milliarden in die Infrastruktur, um die Konjunktur am Laufen zu halten. Dass US-Präsident Donald Trump Anfang des Monats die Zölle erst einmal nicht erhöht hat, sorgt zwar für eine Verschnaufpause. Können sich die Länder nicht auf einen Deal einigen, drohen aber bald neue Strafen aus Washington.

Die Regierung will Proteste wie jene vor 30 Jahren vermeiden

Die Sorge in Peking ist groß, dass die steigende Arbeitslosigkeit 30 Jahre nach den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens zu neuen Massenprotesten führen könnte. Die aggressive Schuldendiplomatie, mit der sich China weltweit Einfluss sichert und in Afrika, Asien und Südamerika Infrastruktur finanziert, wird von vielen Staaten argwöhnisch verfolgt. Kritiker im Land werfen wiederum Xi vor, durch sein offensives Auftreten zu früh Widerstände gegen den Aufstieg Chinas provoziert zu haben. Im vergangenen Jahr ordnete die Regierung in Peking an, nicht mehr offen über die Industriepolitik-Initative "Made in China 2025" zu sprechen, mit deren Hilfe heimische Firmen an die Weltspitze aufsteigen sollen.

Als Reaktion auf die angespannte Lage werde Peking zwei Botschaften in den kommenden Tagen in den Vordergrund stellen, sagt Matthias Stepan vom Berliner China-Institut Merics. Zunächst müsse die Regierung auf die Sorgen in der Bevölkerung wegen der wirtschaftlichen Entwicklung antworten. "Die Partei muss zeigen, dass sie weiterhin in der Lage ist, den Lebensstandard der Menschen zu erhöhen." Die zweite Botschaft richte sich an Donald Trump. Mit einem Gesetz zur Regelung von ausländischen Investitionen will Peking guten Willen beweisen und die Rechte ausländischer Firmen stärken - auch um trotz steigender Lohnkosten für internationale Investoren attraktiv zu bleiben. "Und das nicht nur auf dem Papier", sagt Stepan. Das ist ein Kritikpunkt, den auch Berlin gegenüber China äußert.

Allerdings sieht auch der neue Entwurf eine Negativliste mit Sektoren vor, in denen ausländische Investoren nicht aktiv sein dürfen. Carlo D'Andrea von der Europäischen Handelskammer in Shanghai sieht das Gesetzesvorhaben deshalb skeptisch. "China hat in den vergangenen Jahren viel versprochen. Passiert ist wenig." 40 Jahre nachdem Deng Xiaoping das Land vom dogmatischen Marxismus gelöst und mit Reformen vor dem Zusammenbruch bewahrt hatte, steht die Partei erneut vor einer grundlegenden Entscheidung über den künftigen Kurs.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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