Deutsche Außenpolitik:Im Umgang mit China ist "Leisetreterei" verhängnisvoll

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Heiko Maas (rrechts) spricht bei einer Party in Berlin mit Joshua Wong, Demokratie-Aktivist der Proteste in Hongkong. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

War es ein Fehler von Außenminister Maas, den Hongkonger Aktivisten Wong zu treffen? Nein. Wenn Deutschland sich China beugt, erspart das zwar kurzfristig Ärger - aber langfristig wäre die Strategie fatal.

Kommentar von Daniel Brössler

Heiko Maas, der deutsche Außenminister, hat mit einem kurzen Gespräch und ein paar Bildern am Rande einer Party eine Krise in den Beziehungen zum zweitmächtigsten Staat der Erde heraufbeschworen. Musste das sein? Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich während und nach ihrer Chinareise gegen eine Begegnung mit dem Hongkonger Oppositionellen Joshua Wong entschieden.

Indem sie die Achtung vor den Rechten der Menschen in Hongkong zwar anmahnte, ein symbolträchtiges Treffen mit Wong aber vermied, fand sie jenen Mittelweg, der kennzeichnend ist für ihre Chinapolitik, und der eine mögliche Antwort gibt auf die Frage, ob Außenminister Heiko Maas richtig gehandelt hat. Merkel hätte Maas das Treffen wohl nicht empfohlen. Höchstwahrscheinlich ist sie sogar verärgert darüber, dass der SPD-Mann den politischen und vielleicht auch wirtschaftlichen Ertrag ihrer Chinareise ruiniert.

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Tatsächlich ist eine Abwägung, wie Merkel sie vorgenommen hat, in der Diplomatie nicht nur legitim, sondern immer wieder notwendig. Will Deutschland seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden und somit glaubwürdig bleiben, kann es sich das Eintreten für universelle Werte auch dann nicht ersparen, wenn es unbequem wird. Will Deutschland effektive Außenpolitik betreiben, muss es aber auch die eigenen Interessen im Blick behalten. Der Erfolg deutscher Diplomatie bemisst sich letztlich daran, wie gut es gelingt, Interessen und Werte in eine Balance zu bringen. Ein einfaches Rezept dafür gibt es nicht, weshalb durchaus richtig sein kann, dass Merkel Wong mied und Maas ihn traf.

Die maßlose Reaktion Chinas hat nun gewissermaßen beiden recht gegeben. Merkel, die vorausgesehen hat, welche Folgen eine Begegnung mit dem Demokratie-Aktivisten Wong haben würde. Aber auch Maas, der das ebenso vorausgesehen haben dürfte, sich aber - vermutlich nicht ganz frei von innenpolitischen Erwägungen - nicht vorschreiben lassen wollte, mit wem er sich als deutscher Politiker in Berlin treffen darf und mit wem nicht.

Die harschen Worte aus Peking, die Einbestellung des deutschen Botschafters und die unverhohlenen Drohungen bestätigen nur, wie nötig solche Zeichen sind. Die chinesische Führung verlangt von aller Welt, sich Kontaktsperren zu unterwerfen, die sie über missliebige Personen verhängt, seien es Politiker aus Taiwan, religiöse Führer aus Tibet oder demokratische Aktivisten aus Hongkong. Der Zorn Pekings trifft in solchen Fällen den Bürgermeister von Prag ebenso wie den deutschen Außenminister.

Für die westlichen Demokratien ist die Auflehnung gegen das Diktat der Kontaktsperren zu einer Frage der Selbstbehauptung geworden. Es geht eben nicht nur darum, ob es erlaubt ist, sich mit einem mutigen jungen Mann zu unterhalten, der in seiner Heimat gewaltfrei für Demokratie und verbriefte Rechte eintritt. Es geht auch darum, wie effektiv es auf Dauer überhaupt noch gelingt, sich dem Willen Pekings zu widersetzen.

Mit seiner wirtschaftlichen Macht ist China bereits heute in der Lage, über einzelne Mitgliedstaaten Einfluss auf Entscheidungen der EU zu nehmen. Leisetreterei, wie sie Siemens-Chef Joe Kaeser empfiehlt, mag kurzfristig Ärger ersparen und Geschäfte erleichtern. Langfristig wird Deutschland so aber weder seine Werte wahren noch seine Interessen.

© SZ vom 13.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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