CDU:Wolfgang Schäuble - der Pate, der keiner sein will

Seit klar ist, dass mit Friedrich Merz ein Zögling des Bundestagspräsidenten ins Rennen geht, gilt Schäuble in der CDU als Königsmacher. Doch so einfach ist das nicht.

Von Stefan Braun, Berlin

Wolfgang Schäuble schaut aus dem Fenster und genießt die Aussicht. "Ich hab alles im Blick", sagt der Bundestagspräsident und schmunzelt. Sein schelmisches Lächeln zeigt, wie sehr dem 76-Jährigen das gefällt. In seinem Büro hoch oben im Parlament muss er am Schreibtisch nur leicht den Kopf drehen, dann sieht er rüber zum Kanzleramt von Angela Merkel. Schäuble als stiller Kontrolleur der Kanzlerin - das hätten die Architekten im Regierungsviertel nicht besser entwerfen können. Es ist ganz nach dem Geschmack des dienstältesten Christdemokraten.

Und so verwundert es auch nicht, dass mal wieder viel geschrieben und spekuliert wird über Schäuble und seine Ambitionen, seitdem sich in der CDU alles auf die Frage ausrichtet, wer Angela Merkel an der Parteispitze nachfolgt. Schäuble wird in seiner Partei wahlweise als Übervater, Grandseigneur oder Pate bezeichnet und gilt schon lange als heimliche Macht hinter Angela Merkel. Doch seit klar ist, dass mit Friedrich Merz ein alter Zögling und Freund von Schäuble ins Rennen geht, wird er schon als Inszenator hinter der großen Überraschung vermutet. Nach dem Motto: So einen Coup kann doch nur Schäuble entwerfen. Weil er halt klug ist und mit allen Wassern gewaschen.

Nun ist Letzteres sicher richtig. Trotzdem erlebte man ihn in den vergangenen Wochen auch ganz anders. Gerade beim Blick auf die Frage, was in der CDU geschehen sollte. Nachdenklich und zweifelnd gab er sich und hatte keineswegs eine eindeutige Antwort auf die Frage, wie der für die CDU so gefährliche Abwärtstrend gedreht werden könnte. Mag sein, dass er in diesen Gesprächen manches nicht offen aussprach. Aber der Eindruck setzte sich fest, dass auch er vor allem zu den Suchenden gehörte und sich bis zuletzt fragte, ob einer wie Friedrich Merz oder Roland Koch die Courage haben würde, sich noch mal zu Wort zu melden.

Kramp-Karrenbauer hat Schäuble schwer beeindruckt

Dazu passt, dass Schäuble, der zum aktuellen Wettstreit gar nichts sagen möchte, seit Langem für alle drei prominenten Kandidaten, die jetzt um den CDU-Vorsitz kämpfen, Sympathien hegt. Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihn schwer beeindruckt mit ihrer Entscheidung, nicht ins Kabinett zu wechseln, sondern als Generalsekretärin für die Zukunft der CDU zu kämpfen. Jens Spahn gefällt Schäuble, weil er Mut hat und sich auch mal in den Sturm stellt. Und Merz mochte er immer. Umso mehr hatte er es bedauert, dass der Sauerländer der CDU verloren gegangen war.

Trotzdem hat Schäuble, so ist nun von Vertrauten zu hören, nicht groß eingegriffen, um seinen alten Protegé Merz neu in Szene zu setzen. Als Merz jüngst Brüssel besuchte, wusste Schäuble nicht mal, dass der Ex-Fraktionschef sich in Europas Hauptstadt aufgemacht hatte. Und Berichte über eine von Schäuble arrangierte Begegnung von Merz mit dem Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei EVP, Joseph Daul, stoßen auf Erstaunen. Trotz anderslautender Berichte hat es ein solches Treffen offenbar gar nicht gegeben.

Gleichwohl halten viele in der CDU Schäuble für den neuen Königsmacher, unabhängig davon, ob er tatsächlich Strippen gezogen hat oder noch irgendwann welche ziehen möchte. Letzteres steht ohnehin in Frage, wenn man sich an den Schäuble des Jahres 2000 erinnert. Nach seinem durch den Spendenskandal erzwungenen Rücktritt als Partei- und Fraktionsvorsitzender entwarf er die Idee von Regionalkonferenzen, auf denen sich seine potenziellen Nachfolger der breiten Parteibasis vorstellen sollten. Nur so, das war Schäubles feste Überzeugung, könne der in ihrer Existenz bedrohten CDU neuer Elan gegeben werden. "Nur so lässt sich mit der CDU Neues und Positives verbinden", sagte er damals.

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