CDU-Vorsitz:Spahns Verzicht könnte den Wettstreit entscheiden

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Jens Spahn, Armin Laschet und Friedrich Merz (v.l.n.r.) (Foto: dpa(2))
  • Im Rennen um den CDU-Vorsitz hat Jens Spahn als einziger Interessent seine Ambitionen zugunsten einer Teamlösung zurückgestellt.
  • Mit seiner Rücksichtnahme dürfte er in der Partei punkten.
  • Der Gesundheitsminister empfiehlt die Wahl von Laschet, der damit als aussichtsreichster Kandidat gilt.
  • Laschet regiert in Nordrhein-Westfalen deutlich geräuschloser als die große Koalition im Bund, er sieht das als "Visitenkarte" für sich.
  • Merz versucht bei seinem Auftritt, auf Jüngere, Frauen und Liberale in der Partei zuzugehen. Doch er sorgt gleich für die nächste Irritation.

Von Stefan Braun und Robert Roßmann, Berlin

Von diesem denkwürdigen Dienstag werden einem viele Bilder in Erinnerung bleiben. Das eindrucksvollste dürfte aber das von Jens Spahn sein. Der Gesundheitsminister hat sich in seiner Karriere nicht immer hinten angestellt, seinen Gegnern gilt er als Ehrgeizling. Jetzt sitzt er strahlend auf dem Podium der Bundespressekonferenz - und genießt die Überraschung vieler Journalisten.

Ausgerechnet dieser Jens Spahn hat als einziger der Interessenten für den CDU-Vorsitz seine Ambitionen zurückgestellt, um eine Teamlösung zu ermöglichen. Natürlich weiß man nicht, was Spahn denkt. Aber es sieht so aus, als ob er jeden Moment dieser Pressekonferenz genießt: Schaut her, ich bin es, der neue Jens Spahn, der sich für die Partei opfert - bin ich nicht toll?

Das sagt Spahn natürlich nicht so, er ist ja Profi. Aber seinen Teamgeist verheimlichen, das will er auch nicht. Die CDU stecke in der größten Krise ihrer Geschichte, sagt Spahn. Sie gefährde gerade ihre Zukunft als Volkspartei. Es gehe deshalb jetzt um "Geschlossenheit, Gemeinschaft und Zuversicht". Er habe "in den letzten Tagen intensiv darüber nachgedacht, was für uns als CDU am besten ist". Klar sei, dass es nur einen Parteichef geben könne. Das bedeute, "dass jemand zurückstecken muss", sagt Spahn. Er werde "daher nicht für den Vorsitz der CDU kandidieren". Stattdessen unterstütze er Armin Laschet.

Wenn sich Spahn nicht gegen zu viele englische Begriffe im deutschen Alltag ausgesprochen hätte, könnte man sagen, dass er der Game Changer im Wettrennen um den CDU-Vorsitz ist. Dadurch, dass er sich auf die Seite Laschets geschlagen hat, treten jetzt zwei Mannschaftsspieler gegen zwei Einzelkämpfer an. Und das Duo Laschet/Spahn dürfte dabei ziemlich gute Chancen haben gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen.

Zwei Auftritte hintereinander in der Bundespressekonferenz

Spahn und Laschet sind an diesem Dienstag gemeinsam in die Bundespressekonferenz gekommen, um ihre Pläne vorzustellen. Vor einer Woche hat an derselben Stelle Röttgen seinen Hut in den Ring geworfen. Und gleich nach Spahn und Laschet wird hier auch Friedrich Merz seine Kandidatur bekannt geben. In der CDU scheint alles Wichtige nicht mehr im Konrad-Adenauer-Haus stattzufinden, sondern in der Bundespressekonferenz.

Am Dienstag präsentierten sich als erste Armin Laschet (rechts) und Jens Spahn in der Berliner Bundespressekonferenz als mögliches neues Führungsteam für die CDU. (Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Laschet hatte in den vergangenen Wochen ein Problem. Als Ministerpräsident und CDU-Chef von Nordrhein-Westfalen hatte er von allen vier Interessenten am meisten zu verlieren. Er konnte eigentlich nur antreten, wenn ihm der Sieg so gut wie sicher ist. Dass Spahn ihn jetzt unterstützt, hat ihm seine Kandidatur enorm erleichtert. In der Bundespressekonferenz lässt er deshalb erst einmal den Gesundheitsminister sprechen - und seine neue Rolle genießen. Dann skizziert Laschet, warum er glaubt, der Richtige an der Parteispitze zu sein. Dabei hat er vor allem zwei Botschaften: Er sei der Mann des Zusammenhalts, den seine Partei jetzt brauche. Und er zeige mit seiner schwarz-gelben Koalition in Nordrhein-Westfalen, wie man das macht: gut regieren.

Richtig daran ist, dass Laschet in Düsseldorf deutlich geräuschloser agiert als Angela Merkel mit ihrer großen Koalition. Die hat im Koalitionsvertrag "Neuen Zusammenhalt für unser Land" versprochen, ist lange Zeit aber durch Streitereien aufgefallen. In Düsseldorf gelingt es Laschet dagegen, alle Beteiligten zusammenzuhalten. Zwischen Arbeitgeber- und Sozialflügel, zwischen Innen- und Migrationspolitikern und zwischen CDU und FDP geht es meistens ziemlich friedlich zu. Das sei jetzt "eine Visitenkarte" für ihn im Wettbewerb um den CDU-Vorsitz, sagt Laschet.

Und tatsächlich unterscheidet er sich damit deutlich von Norbert Röttgen und Friedrich Merz, die beide für vieles bekannt sind, aber sicher nicht für ihr Mannschaftsspiel. Teambildung - das ist überhaupt das große Thema an diesem Tag. Und das hat nicht nur mit den Auftritten von Spahn, Laschet und Merz zu tun. Es fängt schon vorher an. Genauer gesagt: Es hat in der vergangenen Woche begonnen, als sich Annegret Kramp-Karrenbauer offenbar sehr bemüht hatte, zwischen Laschet und Spahn, Merz und Röttgen nach möglichen Brücken zu suchen.

Dazu zählten nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auch Versuche, Friedrich Merz ins Bundeskabinett zu holen. Mehrmals, so heißt es von Beteiligten, hätten Kramp-Karrenbauer und Merz darüber gesprochen; immer wieder habe Merz sich dafür offen gezeigt, sollte die Kanzlerin bereit sein, direkt mit ihm darüber zu reden. Dahinter stand die Hoffnung, Merz für ein Team mit Laschet als Parteichef zu gewinnen. Doch dann kam der Freitagabend - und auf den folgte der Montagmorgen.

Am Freitag, so heißt es heute, habe Kramp-Karrenbauer Merz signalisiert, dass Merkel zu nichts dergleichen bereit sei, deshalb werde aus dem Kabinettsposten auch nichts werden. Obwohl das ziemlich endgültig klang, versuchte Kramp-Karrenbauer es am Montagmorgen noch einmal, rief Merz an und fragte, ob er denn bereitstünde, wenn sich das CDU-Präsidium für seinen Wechsel ins Kabinett ausspräche. Merz' Antwort, so heißt es aus seiner Umgebung, lautete: Das Präsidium könne so etwas gar nicht entscheiden. Merkel sei der Schlüssel für eine Lösung. Von da an, so heißt es, habe Merz nichts mehr gehört. Am Montagabend folgte dann seine Ankündigung, am Dienstag in der Bundespressekonferenz seine Kandidatur erklären zu wollen.

Vor der Bundespressekonferenz in Berlin erklärte auch Friedrich Merz, wie er sich die Führung seiner Partei vorstellt. Es gehe um Veränderung oder ein Weiter-so. Er stehe für Veränderung. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Man muss das wissen, um zu verstehen, in welcher Stimmung Merz kurz nach Laschet und Spahn vor den Berliner Journalisten auftritt. Gerade eben haben die beiden anderen ihr neues Bündnis präsentiert und dabei keinen Zweifel gelassen, wer sich diesem Duo verweigert habe. Merz betont zwar, dass auch er gerne im Team arbeite, lässt dann aber keinen Zweifel mehr daran, dass es jetzt nur noch um eines gehe: "Ich spiele auf Sieg, nicht auf Platz." Deshalb werde er auch keine Fragen beantworten, die mit "Was wäre, wenn" beginnen würden. Das soll selbstbewusst klingen und kann doch auch den Groll in ihm nicht verstecken. Laschet will Spahn zum Dank für seine Unterstützung zum CDU-Vize machen - Merz spricht deshalb von einer "Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs", was er auf Nachfrage als Ironie verstanden wissen möchte.

Merz gelingt es an diesem Tag nicht, die Botschaft auszuräumen, die seine Gegner schon lange erzählen: Er sei und bleibe ein Einzelspieler. Man kann das auch ein klein wenig anders ausdrücken. Obwohl Kramp-Karrenbauer viel bis alles versucht hat, war auch sie nicht in der Lage, den ewigen Konflikt zwischen Merkel und Merz zum Wohle der Partei aufzulösen.

Merz löst mit Äußerung nächsten Ärger aus

Ob Merz das als Makel noch mal los wird, kann niemand sagen. Und das, obwohl er im Verlauf seines Auftritts einige Signale setzt, die wie ein Lernprozess gelesen werden können. So kündigt er an, dass er der Partei im Fall eines Erfolges eine Generalsekretärin vorschlagen werde; er nennt als wichtigstes Thema einen Generationenvertrag, der vor allem den Jüngeren zugutekommen müsse; er verspricht, mehr für die Chancengerechtigkeit zu tun, wovon vor allem jüngere Frauen profitieren sollten. Er habe schließlich selbst zwei erwachsene Töchter und wisse deshalb, womit die kämpfen müssten.

Und dann sagt er zur aufgewühlten Lage im Land auch noch, dass es zwar manche Probleme mit Linksradikalen gebe; das viel größere Problem aber sei der Rechtsradikalismus, der sei außer Kontrolle. Merz vertritt jetzt keine Gleichsetzung mehr zwischen ganz links und ganz rechts.

Einerseits versucht der 64-Jährige also, auf Jüngere, auf Frauen, auf die Liberaleren zuzugehen. Andererseits antwortet er auf die Frage, ob seine "Antwort auf das Problem des Rechtsradikalismus die stärkere Thematisierung von Clankriminalität, Grenzkontrollen und so weiter" sei, mit einem vielleicht schnoddrigen, vielleicht provokationslustigen "Ja" - und erntet dafür in den sozialen Netzwerken sofort den nächsten Proteststurm.

Außerdem gibt Merz sich noch selbstbewusster als vor einem Jahr. Er habe mit vielen Mitgliedern gesprochen und studiere die Umfragen, sagt er. Deshalb halte er seine Chancen für "sehr viel besser als 2018". Merz will eine Richtungsentscheidung. Er kämpft um die Erzählung, dass die anderen nur für ein Weiter-so stünden, er jedoch den Aufbruch verkörpere. Die aber, so viel ist sicher, werden es genau andersherum beschreiben. Mindestens bis zum Sonderparteitag am 25.April.

Und Spahn? Er ist der Einzige, der sich schon jetzt als Gewinner fühlen darf. Er wird im April zwar nicht CDU-Chef werden. Aber ihm ist es auf einen Schlag gelungen, sein Image zu korrigieren. Außerdem ist Spahn 25 Jahre jünger als Merz und 20 Jahre jünger als Laschet. Er kann warten.

© SZ vom 26.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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