CDU-Vorsitz:Jens Spahn sagt ab, dafür will Helge Braun kandidieren

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Helge Braun, derzeit geschäftsführender Kanzleramtsminister, will für den CDU-Vorsitz kandidieren. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Den Kanzleramtsminister und Merkel-Vertrauten hatte bisher kaum jemand auf dem Zettel. Die Lager der möglichen Konkurrenten Merz und Röttgen geben sich gelassen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Aus dem bisher erwarteten Zweikampf um den CDU-Vorsitz wird ein Dreikampf. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der geschäftsführende Kanzleramtsminister Helge Braun kandidieren wird. Braun will sich von seinem Heimatverband Gießen nominieren lassen. Auf einer virtuellen Sitzung des hessischen CDU-Landesvorstands am Freitag werde er die Gründe für seine Bewerbung darlegen, sagte ein Sprecher der Landes-CDU. Braun soll die Unterstützung von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier haben.

Braun wird sich vermutlich gegen Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Ex-Umweltminister Norbert Röttgen durchsetzen müssen. Die beiden haben ihre Kandidatur zwar noch nicht offiziell erklärt - es gilt aber als sicher, dass sie sich bewerben werden. Jens Spahn, der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister, bestätigte am Mittwoch dagegen, was sich schon abgezeichnet hatte: In einer Sitzung der Unionsfraktion sagte er, in seinen letzten Wochen als Minister wolle er sich mit aller Kraft um die Bekämpfung der Pandemie kümmern und sich deshalb nicht um den CDU-Vorsitz bewerben.

Außerdem habe er den Eindruck, dass viele Parteimitglieder einen Neuanfang an der Spitze der CDU ohne Gesichter aus der bisherigen Regierung wollten, sagte Spahn. Diese Äußerung wurde auch als Spitze gegen Brauns Ambitionen verstanden. Spahns Ankündigung, nicht anzutreten, wurde in der Fraktion mit Applaus aufgenommen. Dem Minister war allerdings schon länger keine realistische Chance auf den CDU-Vorsitz mehr eingeräumt worden. In den jüngsten Umfragen lagen Merz und Röttgen vorne.

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In den Lagern von Merz und Röttgen reagierte man gelassen auf die neue Entwicklung. In der Mannschaft von Merz hieß es, Braun als dritter Interessent bringe zwar Unruhe in die Debatte und erschwere die Bemühungen von Merz um ein Team an der CDU-Spitze. Die Kandidatur von Braun dürfte aber Röttgen viel mehr Stimmen kosten als Merz - man sei deshalb weiterhin siegessicher.

Im Lager von Röttgen wurde darauf verwiesen, dass Braun mit seiner Art und seiner politischen Biografie eher ein Regierungspolitiker sei. Die CDU werde in der Opposition aber einen anderen Typus an der Spitze brauchen. Außerdem sei Braun bei den CDU-Mitgliedern nicht durchgehend bekannt - und über den nächsten Vorsitzenden werde de facto in der anstehenden Mitgliederbefragung entschieden.

Braun wünscht sich eine "spannende Mitgliederbefragung"

Braun ist ein enger Vertrauter von Angela Merkel. Er war zunächst Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, seit 2018 ist er Kanzleramtsminister. Er gilt seit Längerem als möglicher Nachfolger von Bouffier als Ministerpräsident, als CDU-Chef wurde er bisher aber noch nicht gehandelt. Am vergangenen Wochenende hatte Braun in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt, er hoffe auf eine "spannende Mitgliederbefragung" und deshalb auf ein Kandidatenfeld mit "echten Alternativen".

Merz war 2002 von Merkel aus dem Vorsitz der Unionsfraktion gedrängt worden, Röttgen hatte sie 2012 aus ihrem Kabinett geworfen. Braun dagegen sagte in dem Interview auf die Frage, ob er die Zusammenarbeit mit Merkel vermissen werde: "Ich denke, ich werde sie gar nicht so sehr vermissen müssen, weil ich glaube, dass wir auch weiterhin in engem Kontakt bleiben."

Wie groß die Chancen Brauns bei der Mitgliederbefragung sind, lässt sich schwer voraussagen. Sein hessischer Landesverband ist in der CDU nur der fünftgrößte. Und seinen Bundestagswahlkreis Gießen hat Braun im September an einen 30-jährigen Sozialdemokraten verloren. Allerdings gibt es in der CDU auch viele Mitglieder, die sich weder für Merz noch für Röttgen begeistern können. Es gibt also durchaus ein Potenzial für einen dritten Kandidaten.

In Röttgens Lager hofft man auf eine "Kopfentscheidung"

Merz war bereits bei den vergangenen beiden Wahlen zum CDU-Vorsitz angetreten, aber beide Male knapp unterlegen. Damals gab es jedoch keine vorgeschaltete Mitgliederbefragung, der Bundesparteitag entschied vollkommen autonom. Im Team des Ex-Unionsfraktionschefs glaubt man, dass Merz an der Basis den größten Rückhalt habe - und dass daran auch die Kandidatur von Braun nichts ändern werde.

Im Lager von Röttgen ist man dagegen der Auffassung, dass die Begeisterung für Merz an der Basis langsam nachlasse und das Votum über den CDU-Vorsitz zunehmend zu einer "Kopfentscheidung" werde. Dadurch würden die Chancen Röttgens steigen, da er eine klarere Vorstellung davon habe, wie eine CDU künftig als Partei "der modernen Mitte" reüssieren könne.

Es wird erwartet, dass Merz und Röttgen spätestens Anfang der kommenden Woche ihre Kandidaturen erklären werden. An diesem Donnerstag dürfte noch nichts passieren: Zum einen hat Merz Geburtstag, er wird 66 Jahre alt. Zum anderen kommt der Bundestag zusammen, um über die neuen Maßnahmen gegen die Pandemie zu beraten - da würde ein parteipolitischer Auftritt als unpassend wahrgenommen werden.

Die Mitgliederbefragung soll Anfang Dezember beginnen. Auszählung und Ergebnisverkündung sind für den 17. Dezember geplant. Wenn keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit erreicht, gibt es eine Stichwahl. Diese würde dann Ende Dezember starten, Auszählung und Ergebnisverkündung wären am 14. Januar. Spätestens dann stünde fest, wer der nächste CDU-Chef wird. Die Befragung hat zwar keinen bindenden Charakter. Es gilt aber als sicher, dass der anschließende Parteitag dem Votum der Mitglieder folgen wird.

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