David McAllister steht ein wenig im Schatten. Ganz links am Rand. Neben ihm glänzen CDU-Generalsekretär Peter Tauber und sein CSU-Pendant Andreas Scheuer perfekt ausgeleuchtet im Scheinwerferlicht. Ganz rechts dann Markus Ferber. Die Rangfolge ist klar: In der Mitte stehen = wichtig. Außen stehen = weniger wichtig.
McAllister und Ferber sind zwar die Spitzenkandidaten ihrer Parteien für die Europawahl. McAllister für die CDU, Ferber für die CSU. Spitzenkandidaten sind in aller Regel die wichtigsten Personen in einem Wahlkampf. McAllister und Ferber aber sind eher sowas wie Spitzenstatisten.
Den Wahlkampf führen und prägen ihre Chefs; zu erkennen auch auf den Plakaten Land auf, Land ab. Meist lächeln einem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) oder - in Bayern - Horst Seehofer (CSU) entgegen.
Deutsche Kandidaten für die Europawahl:Ganz oben auf der Liste
Die Wahllokale in Deutschland haben geschlossen, die deutschen Bürger ihre Abgeordneten für das Europäische Parlament gewählt. Die Spitzenkandidaten der großen Parteien in Bildern.
Nicht, dass die zur Wahl stünden. Aber trotzdem werden sie nach der Wahl mehr zu melden haben als die Spitzenkandidaten. Europapolitik wird im Kanzleramt gemacht. Die Union soll stärkste Kraft werden, damit "Angela Merkel ihren Kurs fortsetzen kann", sagt etwa CDU-General Peter Tauber. Nicht, damit McAllister seine dollen Ideen für Europa umsetzen kann.
Reichlich Spitzenkandidaten
Es gibt noch einen dritten Unsichtbaren, der nicht mal als Statist dabei ist an diesem Montagmorgen in der Akademie der Künste. Das ist Jean-Claude Juncker, Spitzenkandidat der Europäischen Volkpartei, EVP. In der EVP hat sich die konservative Parteienfamilie zusammengeschlossen, zu der auch CDU und CSU gehören. Der Luxemburger Juncker ist in Deutschland praktisch auf keinem Plakat zu sehen, weder in Bayern noch im Rest der Republik.
Spitzenkandidaten hat die Union also reichlich. Nur Platz auf den Plakaten ist offenbar Mangelware.
McAllister und Ferber sagen nicht viel. Es reden vor allem die Generalsekretäre, die ihren gemeinsamen Wahlaufruf vorstellen. Auf 1,8 Din-A4-Seiten haben sie dafür die Gemeinsamkeiten der beiden Parteien zusammengetragen. Viel ist das nicht. Gegen Eurobonds zu sein gehört zu den härtesten Aussagen des Papiers.
Ansonsten ist es gespickt mit Allgemeinplätzen, die größtenteils wohl selbst die Linken unterschreiben könnten. Für ein starkes Europa, Europa muss besser werden, nicht alles in Europa regeln, was vor Ort geregelt werden kann. Solche Sachen.
Markus Ferber sagt dann doch noch etwas Interessantes, das so nicht im Wahlaufruf steht: Er bemängelt, dass die EU-Kommission so kurz vor den Wahlen die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) einfach weiterlaufen lasse. Es gebe Ängste und "Ängste bekämpfen Sie nur mit Information". Die liefere die Kommission aber nicht. "Ich bin sehr enttäuscht, wie der Handelskommissar diese TTIP-Verhandlungen führt."
Kanzlerin Angela Merkel hat dagegen am Wochenende die TTIP-Verhandlungen klar verteidigt. Sowohl die Inhalte als auch die Art der Verhandlungen.
Ferber guckt wie erwischt. Nein, da soll jetzt "kein Dissens" aufgemacht werden. CDU und CSU seien auf einer Linie. Na, das klang gerade ganz anders. CDU-Mann Tauber distanziert sich indirekt von der Kritik Ferbers, indem er sagt, es sei "grundsätzlich so, dass ich nicht einzelne Abläufe kritisiere".
Dissens zwischen den Unionsparteien gibt es reichlich - zumindest was den Sprachduktus angeht. Auf die Frage etwa, ob der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan einen Tag vor der EU-Wahl und wenige Tage nach dem Grubenunglück in Soma in Köln einen Wahlkampfrede halten sollte, bleibt Tauber diplomatisch gelassen. Er schaue sich das an, werde aber keine Empfehlung abgeben, sagt er. In Deutschland gelte "Versammlungs- und Meinungsfreiheit". Er ist damit auf einer Linie mit der Regierung.
Wer dagegen CSU-Generalsekretär Scheuer zuhört, kann auf den Gedanken kommen, er würde Erdoğan am liebsten die Einreise verbieten. Die zu erwartende "Wahlkampfschlacht" ist in seinen Augen "inakzeptabel". Immerhin, mal eine klare Haltung.
McAllister sagt dagegen nur Sätze wie: "Europa ist unsere Zukunft. Europa ist wichtig." Manchmal hebt er dabei den rechten Zeigefinger, als stünde dort in der Ferne noch etwas viel Wichtigeres.
Für Juncker - ohne Plakate
Bleibt die Frage, was nach der Wahl aus Jean-Claude Juncker wird. Die SPD hat sich ja festgelegt. Der nächste Kommissionspräsident wird derjenige Spitzenkandidat, der im Parlament die stärkste Fraktion hinter sich versammelt. Also nach gegenwärtigem Stand entweder SPD-Kandidat Martin Schulz oder Jean-Claude Juncker.
In der Union ist das nicht ganz so sicher. Merkel will sich nicht festlegen. Juncker selbst sagte in einem Interview, er habe von Merkel eine feste Zusage, dass er den Job bekomme im Falle eines Wahlsieges.
Tauber spricht dennoch weiter vor allem von der "Hoffnung", dass Juncker es schafft. Die Union kämpfe zwar für Juncker, sagt Tauber - wenn auch ohne Plakate. Vor allem aber kämpfe die CDU dafür, dass der "nächste Präsident der EU-Kommission wieder ein Christdemokrat ist".
Nur eines scheint sicher: McAllister wird es nicht. Vermutlich wird er im EU-Parlament so unsichtbar bleiben, wie er es im Wahlkampf schon ist.