Undurchsichtig, undemokratisch und abgehoben: Es gibt viele Vorurteile über die Art, wie in Brüssel Politik gemacht wird - und über jene hoch gebildeten und polyglotten Beamten, die wie in einer Blase ("Euro-Bubble") leben. In ihrem Buch "Europas Strippenzieher" (Econ Verlag), nehmen Cerstin Gammelin (SZ) und Raimund Löw (ORF) die Leser mit hinter die Kulissen der europäischen Politik.
Im Zentrum stehen die stundenlangen Sitzungen des Europäischen Rats, wenn die Staats-und Regierungschefs intrigieren, Kompromisse suchen und Bündnisse schließen. Tonbandaufnahmen existieren nicht, doch es gibt Mitschriften, die "Antici-Protokolle". Der Name stammt von einem italienischen Diplomaten - und noch heute heißen im Brüssel-Sprech die engsten Mitarbeiter der Botschaften "Antici". 28 Menschen, je einer für jedes EU-Mitglied, sitzen im Nebenraum des Saales, in dem der Rat tagt. Drinnen sitzt ein Beamter des Rates, der alle 15 Minuten heraus kommt und berichtet, was geschieht.
Was die Antici mitprotokollieren, wird - angereichert mit weiteren Informationen - an die Spitzendiplomaten der Länder weiter gereicht. Gammelin und Löw haben diese Antici-Protokolle einsehen können - und schildern auf dieser Grundlage, wie die Debatten laufen. Sie berichten über Diskussionen, die in keinem offiziellen EU-Dokument nachzulesen sind. Im Rahmen der Europa-Recherche von Süddeutsche.de präsentieren wir einige Auszüge aus dem im Februar 2014 erschienenen Buch.