Debatte um Euro-Bonds:Whisky für den Alkoholiker

"Unfug" und "Zins-Sozialismus" nennt FDP-Fraktionschef Brüderle die Forderung nach gemeinsamen Staatsanleihen - erklärt Euro-Bonds aber nicht mehr für tabu. Für diese spricht tatsächlich einiges, es gibt jedoch ebenso gewichtige Gegenargumente. Deshalb dürfen Euro-Bonds nicht am Anfang, sondern müssen am Ende des Einigungsprozesses stehen.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Rainer Brüderle hat am Mittwoch einen sehr langen Anlauf genommen, um einen wahrhaft erstaunlichen Satz zu sagen. Die Forderung des neuen französischen Präsidenten Hollande, die Länder Europas sollten ihre Schulden künftig gemeinsam aufnehmen und sogenannte Euro-Bonds herausgeben, sei "Unfug" und "Zins-Sozialismus", schimpfte der FDP-Fraktionschef in einem Radio-Interview.

A man is reflected standing next to a pawn shop in Piraeus port town near Athens

Krisenstaat Griechenland: Fieberhaft sucht Europa nach einer Lösung für das Schuldendrama. Viele Staatenlenker sehen in gemeinsamen europäischen Anleihen einen Ausweg.

(Foto: REUTERS)

Da könne man ja gleich "einem Alkoholiker eine Kiste Whisky schenken". So weit, so bekannt. Dann aber fügte er wie beiläufig an: "Ich schließe nicht aus, dass am Schluss einer Entwicklung so etwas stehen kann." Das war nicht so bekannt.

Nun muss man der Fairness halber sagen, dass Brüderles Satz ein wenig länger war und eine Reihe von Kautelen enthielt. Überraschend ist die Aussage dennoch, denn die FDP hatte Euro-Bonds bisher schlichtweg für tabu erklärt.

Es gibt in der Tat viele gute Argumente gegen europäische Gemeinschaftsanleihen. Diese kann aber nur vorbringen, wer sich an der Debatte beteiligt und sie nicht einfach totzuschweigen versucht. Wenn rund um Deutschland immer mehr Staaten Euro-Bonds fordern, dann gebietet es die politische Klugheit, mit den Wortführern Frankreich und Italien zu diskutieren, statt sie zu ignorieren.

Was genau sind nun Euro-Bonds? Fast alle EU-Länder kommen nicht mit dem Geld aus, das sie einnehmen, und müssen sich deshalb welches leihen. Dazu geben sie Schuldscheine aus, die im Fachjargon Bonds heißen. Käufer sind überwiegend Banken, Versicherungen und Investmentfonds. Die Höhe des Zinses hängt von der Bonität des Schuldners ab.

Vereinfacht gesagt, muss Deutschland nur sehr geringe Zinssätze anbieten, Spanien dagegen sehr hohe. Verkauften die Euro-Staaten künftig einheitliche Schuldscheine, würden die Zinskosten für einige wenige Länder steigen, für viele hingegen sinken. Auch könnten die Finanzmärkte nicht mehr gegen einzelne Länder spekulieren.

Darüber hinaus würde ein weiteres Marktproblem beseitigt: Die Euro-Länder bieten ihre Anleihen heute praktisch in einer Fremdwährung an, in Euro nämlich. Da ihnen nationale Notenbanken mit Währungshoheit fehlen, können sie bei einer drohenden Insolvenz nicht einfach Geld drucken. Anleger haben deshalb keine hundertprozentige Sicherheit, dass sie ihr Kapital zurückerhalten.

Das alles spricht für Euro-Bonds. Es gibt jedoch ebenso gewichtige Gegenargumente. So ist eine Haftungsgemeinschaft Ländern wie Deutschland, deren Zinslast steigen würde, nur zuzumuten, wenn sich die übrigen Partner zu strikter Budgetdisziplin verpflichten. Sich gegen den EU-Fiskalpakt zu sträuben, wie Hollande das tut, im gleichen Atemzug aber Euro-Bonds zu fordern - dies passt nicht zusammen.

Mehr noch: Wer Euro-Bonds will, muss bereit sein, die Hoheit über die Einnahmen und Ausgaben seines Landes schrittweise auf die EU-Ebene zu übertragen. Andernfalls könnte es passieren, dass etwa Frankreichs Steuerzahler eines Tages die Rechnung für kreditfinanzierte Steuersenkungen in Griechenland präsentiert bekommen.

Zu einer solchen Kompetenzübertragung ist aber - nach allem, was man bisher weiß - auch Hollande nicht bereit. Und schließlich: Euro-Bonds würden die heutigen Krisenländer vom Druck befreien, schmerzhafte, aber notwendige Strukturreformen in Angriff zu nehmen. Anders ausgedrückt: Sie würden die Turbulenzen nicht beseitigen, sondern im Gegenteil sogar verlängern.

Aus all dem folgt, dass Gemeinschaftsanleihen nicht am Anfang, sondern - wie Brüderle richtig gesagt hat - am Ende des weiteren europäischen Einigungsprozesses stehen müssen. Ihre Einführung wäre dann sogar folgerichtig. Dieses Signal sollte Kanzlerin Angela Merkel in die übrigen EU-Hauptstädte aussenden: Deutschland ist gesprächsbereit - wenn denn die Reihenfolge der Schritte stimmt. Der Blockade-Vorwurf, den Merkel zuletzt immer häufiger zu hören bekam, liefe dann künftig ins Leere.

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