CDU und Thüringen:Fehler und noch größere Fehler

Lesezeit: 2 min

CDU-Generalsektretär Ziemiak: "Wer Herrn Ramelow als Kandidaten der Linken zum Ministerpräsidenten wählt, verstößt gegen die Beschlüsse der CDU". (Foto: dpa)

Thüringen braucht endlich eine handlungsfähige Landesregierung. Doch wenn die CDU jede "Form der Zusammenarbeit" mit der Linken ablehnt, gesteht sie der AfD dort eine Sperrminorität zu.

Kommentar von Detlef Esslinger

Die CDU hat im Dezember 2018 beschlossen, Koalitionen "und ähnliche Formen der Zusammenarbeit" mit der Linken und der AfD abzulehnen. Anfang der Woche hat sie ferner in Thüringen beschlossen, nicht ihr Mitglied Christine Lieberknecht zur Ministerpräsidentin zu wählen - was nun direkt dazu führt, dass sie Bodo Ramelow von der Linken die Rückkehr in sein Amt ermöglichen will. Wer kommt bei dieser Logik noch mit?

Die Partei ist in einer Lage, in der sie vermutlich nur noch die Wahl zwischen Fehlern und größeren Fehlern hat. Thüringen braucht endlich eine komplette und handlungsfähige Landesregierung; der Zustand mit einem zurückgetretenen, geschäftsführenden Ministerpräsidenten, der keine Minister hat, ist so unverantwortlich, dass er schnellstmöglich beendet werden muss. Dazu braucht es aber ein Zusammenwirken von mindestens 46 der 90 Landtagsabgeordneten; damit die künftige Landesregierung nicht erneut das Ergebnis von Mätzchen der AfD ist, müssen diese 46 Abgeordneten den nazifreien Fraktionen von CDU, FDP, Linken, SPD und Grünen entstammen. Die CDU hat also die Wahl: Entweder sie toleriert den unmöglichen Zustand mit der Kemmerich-Landesregierung, oder sie wählt eine wie auch immer geartete "Form der Zusammenarbeit" mit der Linken, die ihr Hamburger Parteitag im Dezember 2018 ausgeschlossen hat; einstimmig übrigens.

Kompromiss in Erfurt
:CDU-Zentrale warnt Thüringer Parteifreunde vor Wahl Ramelows

Am Vortag hatten Linke, SPD und Grüne in Thüringen sich mit der Union auf einen Kompromiss geeinigt. Nun richtet CDU-Generalsekretär Ziemiak eindeutige Worte nach Erfurt.

Von Oliver Das Gupta

Der Beschluss von Hamburg war schon damals irrig. Er zementierte den gedanklichen Fehler, Linke und AfD gleichzusetzen. Er unterschied nicht zwischen einer Partei, mit der man inhaltlich zwar wenig gemein hat, die sich im Laufe dreier Jahrzehnte jedoch entradikalisierte - und einer Partei, die sich in fünf Jahren derart radikalisiert hat, dass ein Streit mit ihr über Inhalte gar nicht möglich ist. Der Beschluss fiel zudem zehn Monate vor der Landtagswahl in Thüringen, die zumindest in diesem Bundesland eine neue Realität geschaffen hat. Inzwischen gilt: Wer jede "Form der Zusammenarbeit" mit der Linken ablehnt, der gesteht der AfD dort eine Sperrminorität zu. Schließlich ist der Beschluss rechtlich sowieso ohne Belang. Denn dass die Partei Abgeordneten befehlen kann, was sie zu tun und zu lassen haben, das gab es nur in jenem politischen System, das die CDU der Linken immerzu vorhält. Die Thüringer Verfassung jedenfalls bestimmt, dass Abgeordnete an Weisungen nicht gebunden sind und der Ministerpräsident in geheimer Abstimmung gewählt wird.

Woraus sich das nächste Problem ergibt: So wenig ein Parteitagsbeschluss Abgeordnete beeindrucken muss, so wenig sollte sich Bodo Ramelow auf die Vereinbarung von Rot-Rot-Grün mit den Unterhändlern der CDU Thüringen verlassen. In deren Fraktion wird nach Auskunft des Abgeordneten Volker Emde - der zu den Unterhändlern gehörte - erwogen, per Los diejenigen Abgeordneten festzulegen, die es auf sich nehmen, Ramelow in der geheimen Wahl ihre Stimme zu geben. Da es in dieser Fraktion einige Abgeordnete gibt, die die Linken erheblich kritischer sehen als die AfD, würde das eine Tombola, wie sie auch noch niemand erlebt hat. Sie brauchen gar keine Direktiven von Generalsekretär Paul Ziemiak oder Friedrich Merz, bei ihnen sperrt sich innerlich ohnehin alles gegen eine Wahl Ramelows.

Dieser hat am Samstagnachmittag einen alten Spruch seines Vorvorvorgängers Bernhard Vogel von der CDU getwittert: "Erst das Land, dann die Partei, dann die Person." Es gäbe aber noch ein anderes Motto für diese Tage, nicht Vogel, nicht Ramelow, sondern Rocky Balboa, also Sylvester Stallone: "It ain't over till it's over." Seiner Wahl sollte Bodo Ramelow erst dann sicher sein, wenn seine Fraktionsvorsitzende mit Blumen vor ihm steht.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungThüringen
:Der Begriff der Bürgerlichkeit liegt im Dreck

Machtgier, Leichtsinn, faule Ausreden: FDP und CDU haben in Erfurt bürgerliche Werte verraten - und auch diejenigen Wähler, denen diese Werte wirklich etwas bedeuten.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: