CDU-Parteitag:Säuseln, loben, Stiche setzen

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  • Auf dem CDU-Parteitag werden an diesem Freitag sowohl Annegret Kramp-Karrenbauer als auch Friedrich Merz das Wort ergreifen.
  • Auch wenn die beiden sich gerade versöhnlich geben - ihre Reden werden ein Wettbewerb um die Gunst der Delegierten sein.
  • Angela Merkel hält sich aus der Debatte heraus; sie will nur ein Grußwort sprechen.

Von Robert Roßmann, Leipzig

Von der früheren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ist der schöne Satz überliefert, die Minister von Union und SPD hätten sich bei einer Kabinettsklausur wie Stachelschweine beim Liebesspiel verhalten, im Umgang habe es "eine gewisse Vorsicht" gegeben. Nun weiß man über das Liebesleben der Stachelschweine nicht viel, aber die Botschaft war klar: Union und SPD waren sich ziemlich fremd - deshalb ist man lieber behutsam miteinander umgegangen. Am Donnerstag kam einem dieser Zypries-Satz wieder in den Sinn, diesmal allerdings mit Blick auf Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz.

In Leipzig beginnt an diesem Freitag der CDU-Parteitag, am Donnerstag tagten bereits Präsidium und Vorstand. Merz und Kramp-Karrenbauer hatten in den vergangenen Wochen ihre Stacheln weit ausgefahren. Merz hatte erklärt, das Erscheinungsbild der Bundesregierung, in der Kramp-Karrenbauer sitzt, sei "grottenschlecht". Die CDU-Chefin sei "nicht die Einzige, die im Mittelpunkt der Kritik zu stehen hat". Was ja bedeutet, dass sie auch im Mittelpunkt der Kritik zu stehen habe.

Außerdem kündigte Merz an, auf dem Parteitag eine programmatische Rede halten zu wollen. Das war von vielen als Kampfansage verstanden worden - die Kramp-Karrenbauer dann auch angenommen hat. Wer unzufrieden sei und die Führungsfrage stellen wolle, der solle das auf dem Parteitag doch auch tun, verlangte sie.

Diese Partei könne "jeden klugen Kopf" gebrauchen, flötet die Parteichefin

Doch zu einem derartigen Showdown wird es nun nicht kommen. Merz scheint gemerkt zu haben, dass man in der CDU - bei aller Kritik an der Vorsitzenden - offenen Führungsstreit zur Unzeit nicht schätzt. Außerdem bedeutet der mangelnde Rückhalt für Kramp-Karrenbauer ja noch nicht, dass sich eine Mehrheit in die Arme von Merz begeben will. Das verhindern schon die anderen Männer, die in der Frage eigene Interessen haben, allen voran Armin Laschet und Jens Spahn. Und die Auseinandersetzung zu suchen, bevor sich die SPD entschieden hat, ob sie die Koalition verlassen will, wäre dumm. So viel Restvernunft, das zu erkennen, hat auch die ansonsten desolate CDU.

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Und so konnte man am Donnerstag zwei extrem vorsichtig miteinander umgehende CDU-Politiker erleben. "Diese Partei kann jeden klugen Kopf, kann jede auch kritisch-konstruktive Stimme gut gebrauchen - Friedrich Merz ist eine davon", säuselte Kramp-Karrenbauer beim Rundgang durch die Parteitagshalle. Sie freue sich auf die Rede von Merz. Zuvor hatte der Ex-Fraktionschef bereits kundgetan, er wolle Kramp-Karrenbauer auf dem Parteitag "nach Kräften" unterstützen. "Das werde ich auch mit meinem Wortbeitrag in Leipzig tun", sagte Merz der Funke-Mediengruppe.

Etwa um zwölf Uhr wird die Rede Kramp-Karrenbauers am Freitag beginnen. Im Rahmen der Aussprache über diesen "Bericht der Vorsitzenden" wird dann auch Merz sprechen. Bei aller Stachelschwein-Vorsicht dürfte die Debatte doch ganz interessant werden. Denn natürlich werden die Delegierten die beiden Auftritte miteinander vergleichen. Und Merz wäre nicht Merz, wenn er nicht doch noch einen Stachel stehen ließe.

Man werde zwar "keine Personaldiskussionen führen", sagte er. Aber man müsse sich "auf dem Weg zu einem neuen Grundsatzprogramm ernsthaft mit einigen grundsätzlichen Fragen auseinandersetzen". Dazu werde er "einige wenige Anmerkungen" machen. Man darf sich sicher sein, dass er diese Anmerkungen auch dazu nutzen wird, um die Unterschiede zwischen ihm und Kramp-Karrenbauer klarzumachen. Am Donnerstag kritisierte er schon mal den Kompromiss zur Grundrente, den die CDU-Chefin mit ausgehandelt hatte.

Und Angela Merkel? Die ist als Kanzlerin zwar immer noch die wichtigste CDU-Politikerin. Doch mit der Partei hat sie nicht mehr so viel am Hut. Auf dem Parteitag will sie nur ein Grußwort sprechen - genauso wie der Leipziger Oberbürgermeister oder der sächsische Ministerpräsident. Wer die Parteispitze fragt, ob das nicht eine ungewöhnlich lustlose Beteiligung der Kanzlerin sei, bekommt nur die lapidare Antwort, Merkel beteilige sich doch genauso wie die anderen Regierenden - als ob man den Leipziger OB mit der Kanzlerin vergleichen könne.

In der CSU vergleichen sie Kramp-Karrenbauer schon mit Ilse Aigner

Und so wird Kramp-Karrenbauer in Leipzig von Merkel keine große Unterstützung erfahren. Das Verhältnis scheint sowieso nicht mehr so unkompliziert zu sein wie bei dem Parteitag vor einem Jahr. Ein führender CSU-Politiker, der Merkel und Kramp-Karrenbauer regelmäßig erlebt, fühlt sich längst an eine anderes Duo erinnert. Der damalige CSU-Chef Horst Seehofer habe Ilse Aigner nach München geholt, um sie in der Nachfolgefrage gegen Markus Söder in Stellung zu bringen. Zur Enttäuschung Seehofers habe Aigner die Erwartungen dann aber nicht erfüllt. Genau so verhalte es sich jetzt mit Merkel und Kramp-Karrenbauer.

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Die Geschichte illustriert auch ganz gut, wie groß die Enttäuschung in der CSU über Kramp-Karrenbauer inzwischen ist. Bei den Christsozialen hatten sie die CDU-Chefin lange dafür gefeiert, dass sie den jahrelangen und quälenden Streit zwischen den Schwesterparteien beendet hat, unter anderem mit ihrem Werkstattgespräch zur Flüchtlingspolitik. Doch die vielen Fehler Kramp-Karrenbauers danach haben in der CSU die Sympathie schwinden lassen. Inzwischen findet man keinen CSU-Granden mehr, den der Gedanke, mit Kramp-Karrenbauer als Kanzlerkandidatin in einen Wahlkampf ziehen, euphorisch macht.

Aber so weit ist es ja noch nicht. In der Union halten sie es derzeit für wahrscheinlich, dass die SPD in der großen Koalition bleibt und die Regierung erst mal weiter macht. Und wer weiß, was sich bis zum Ende der Legislaturperiode noch alles tut.

Doch Parteitage können auch aus dem Ruder laufen, das musste gerade erst CSU-Chef Markus Söder erleben. In der Debatte um die Frauenquote erlitt er seine erste schwere Niederlage. Und auch bei der CDU in Leipzig stehen Themen auf der Agenda, die leicht eskalieren können, etwa die Anträge zur Grundrente, zur Frauenquote oder zur Mitgliederbeteiligung bei der Kanzlerkandidaten-Auswahl.

Aber bei allem Wunsch zur Schärfung des verloren gegangenen politischen Profils der CDU konnte man in Leipzig am Vortag des Treffens auch das Bedürfnis spüren, die Partei nicht weiter zu spalten. "Wir brauchen eine Partei, die sich wieder mag", sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, "und eine Partei, die sich wieder vertraut."

© SZ vom 22.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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