CDU-Vorsitz:Eine Spitze gegen den Konkurrenten

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Die Unterschiede zwischen den Kandidaten sind groß: Armin Laschet (links) begrüßt auf dem NRW-Tag der Jungen Union seinen Konkurrenten um den Vorsitz der CDU, Friedrich Merz. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die drei Bewerber um den CDU-Vorsitz Laschet, Merz und Röttgen treten bei der Jungen Union in NRW auf. Von den Stühlen reißt keiner der drei den Nachwuchs. Doch es werden Konflikte erkennbar.

Von Nico Fried, Köln

Es war erst der Auftakt, aber eigentlich ist die Sache schon klar. Zu eindeutig sind die Unterschiede zwischen den drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz: Friedrich Merz hat am Samstag im Kölner Gürzenich 24 Minuten und 40 Sekunden gesprochen und wurde elf Mal von Applaus unterbrochen, also im Schnitt nur etwa alle 134 Sekunden. Armin Laschet kam in etwas mehr als 27 Minuten Rede vor dem Landesparteitag der Jungen Union auf 14 mal Applaus und damit rein rechnerisch immer 17 Sekunden schneller als Merz. Norbert Röttgen aber, dessen Grußwort fast auf die Sekunde 20 Minuten dauerte, schaffte in dieser Zeit 12 Unterbrechungen, mithin genau alle 100 Sekunden. Röttgen geht damit eindeutig als Sieger aus diesem inoffiziellen Wahlkampfauftakt der CDU hervor. Noch Fragen?

An dieser Deutung stimmt nur eines: Die Unterschiede zwischen den Kandidaten sind tatsächlich ziemlich groß. Das zeigt dieser Tag im Gürzenich. Wo sonst gerne Karneval gefeiert wird, tragen die mehr als 200 Delegierten zwar auch Masken, aber aus anderen Gründen. Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, präsentiert sich in diesem Wahlkampf um den CDU-Vorsitz und auch in Köln als erfolgreicher Landespolitiker, der das, was er im Kleinen erreicht hat, im Großen wiederholen will. Norbert Röttgen kommt genau aus der entgegengesetzten Richtung. Er verlässt quasi die Sphären der internationalen Politik, um zu berichten, was aus der großen weiten Welt alles auf das kleine Deutschland zukommt. Und dann ist da noch Friedrich Merz, der aus der Politik in die Wirtschaft ging und jetzt wieder zurück will, weil er glaubt, dass die Politik, so wie sie ohne ihn war, für die Zukunft nicht gut genug sei.

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Für gewöhnlich gilt die Junge Union am ehesten als Fanclub von Merz. Aber die JU in Nordrhein-Westfalen, "der größte und schönste Landesverband", wie ihr neuer Vorsitzender (Johannes Winkel) sagt, scheint sich an diesem Tag einer vornehmen Neutralität verpflichtet zu haben. Alle drei älteren Herren erhalten kräftigen, aber nicht stürmischen Beifall. Den vielleicht kräftigsten Zwischenapplaus heimst Laschet ein - allerdings für die Würdigung seines Kandidatur-Kompagnons Jens Spahn. Für alle drei Kandidaten erheben sich die Delegierten, mehrheitlich junge Männer, zur Begrüßung und zum Abschied. Aber dass einer der drei Kandidaten hier den Nachwuchs regelrecht vom Stuhl gerissen hätte, kann man wirklich nicht behaupten. Dass alle drei Gäste zum Abschied Kaffee als Geschenk erhalten, liest sich am Ende der Veranstaltung fast wie eine Mahnung.

Gut drei Stunden vorher, am Anfang der Kandidatenauftritte, geht's erst einmal nicht los. Armin Laschet ist schon mehr als eine halbe Stunde im Verzug, als er den Gürzenich betritt. Eilig hat er es trotzdem nicht. Er nimmt sich Zeit für ein paar Fragen der Journalisten, zum Beispiel zur Corona-Infektion des amerikanischen Präsidenten, und wünscht Donald Trump gute Genesung, das sei jetzt angemessen, "von Mensch zu Mensch", wie er sagt. Laschet ist noch lange nicht Kanzler, aber er spielt es schon ein bisschen.

Zum Auftakt seiner Rede erinnert Laschet daran, dass die CDU in Köln gegründet worden sei und Konrad Adenauer hier Oberbürgermeister war. Und der Tag der Einheit gibt ihm gleich noch die Gelegenheit, auch an Helmut Kohl zu erinnern. Nun, sagt Laschet, stehe man wieder an einem entscheidenden Punkt der Geschichte. Welcher das genau ist, sagt er dann aber nicht.

Stattdessen redet Laschet jetzt mal gut über Laschet. Und über andere nicht so gut, aber ohne sie beim Namen zu nennen. Er erinnert an das Wahlergebnis der CDU in Nordrein-Westfalen 2012, damals gab es ein 26-Prozent-Debakel gegenüber einem 39-Prozent-Erfolg für die SPD. Spitzenkandidat war damals Norbert Röttgen, ein Wissen, das Laschet auch bei den jungen Delegierten voraussetzen kann. Dann habe er den Landesvorsitz übernommen, so Laschet, und im Mai 2017 "war das große Werk gelungen". Seither regiert er mit der FDP in Düsseldorf. Und an dieser Stelle fällt zum ersten Mal der Begriff, den Laschet nun immer wieder strapazieren wird: Kurs der Mitte.

Diesen Kurs der Mitte sieht Laschet als Prävention vor der Gefahr einer Koalition aus SPD, Grünen und Linken nach der Bundestagswahl 2021. Offenkundig betrachtet er, bestärkt durch die Ergebnisse der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen, die Grünen als Hauptgegner. Deren Fehler sei aber, dass sie sich nur für Umwelt interessierten, die CDU aber denke dabei auch an die Arbeitsplätze. Diesen Satz muss man sich merken, weil Friedrich Merz dazu später eine kleine Unfreundlichkeit platzieren wird. Ansonsten aber spielt die Harmonie von Gegensätzen bei Laschet immer wieder eine große Rolle: Klimaziele und Industrie, Stadt und Land, soziale Fragen und wirtschaftliche Kompetenz - Interessensausgleich, dein Name ist Laschet. Kurs der Mitte, logisch.

Merz' Auftritt erinnert an seine Rede auf dem Parteitag in Hamburg

Als Norbert Röttgen kommt, ist der Saal zwar gerade nicht ganz voll, dafür hat der zweite Kandidat einen Fanclub, der sich jetzt bemerkbar macht. Etwa ein Dutzend Jung-Unionisten aus dem Rhein-Sieg-Kreis, Röttgens Heimat, halten jubelnd Schilder hoch. Der Kandidat erinnert daran, dass er auch mal JU-Vorsitzender gewesen sei und macht einen etwas umständlichen Witz, dass er für seinen jetzigen Nachfolger als JU-Chef gerne auch Vorgänger im Bundesvorsitz der CDU sein wolle.

Röttgen sagt, es gehe jetzt darum, den Blick nach vorne zu richten. Dann blickt er erst mal weit zurück auf den 3. Oktober vor 30 Jahren, kriegt aber noch die Kurve, weil er aus diesem Datum Verantwortung für die Zukunft ableitet. Was Laschets Kurs der Mitte ist, ist für Röttgen ein Projekt 2030. Er führt das nicht wirklich weiter aus, aber es muss etwas mit Außenpolitik zu tun haben, denn fast den ganzen Rest der Rede spricht Röttgen über "eine Welt dramatischer Veränderungen". Man könne in Deutschland heute nicht mehr sagen: Was draußen geschieht, geht uns nichts an. Die Finanzkrise sei aus den USA gekommen, Flüchtlinge kämen aus Krisenregionen, Coronaviren aus China. Röttgen spricht über das Verhältnis zu Russland, über Putin, über die USA, Joe Biden, Wladimir Putin und natürlich über Europa. Sein zweites Thema ist die Digitalisierung, allerdings nicht besonders ausführlich. Man müsse halt nach vorne kommen, sagt er. Und Zukunftskompetenz sei "das Schlüsselwort, um wieder Vertrauen zu gewinnen".

Die CDU müsse diese Themen aufnehmen. Zum Bespiel "die ökologische Komponente in die soziale Marktwirtschaft integrieren". Die CDU müsse "die Türen aufmachen und Diskussionen hereinlassen". Sie müsse sich "entritualisieren und wieder politisieren". Es klingt wie immer bei Röttgen vieles wahnsinnig gescheit und doch schrecklich theoretisch. Es ist eine Rede irgendwo zwischen Politik und Proseminar.

Friedrich Merz ist zu dieser Zeit schon im Saal. Als Röttgen bei seinem Abgang an ihm vorbeigeht, fahren die beiden Herren die Ellenbogen aus, nicht wegen ihrer Konkurrenz, sondern wegen Corona. Auch Merz beginnt 1990. Damals habe man geglaubt, Demokratie und Marktwirtschaft seien nicht mehr aufzuhalten. "Wir haben uns geirrt." Man stehe nicht am Ende der Geschichte, sondern mittendrin in einem neuen Kapitel mit unbekanntem Ausgang. Merz zitiert Francis Fukuyama und Arthur Schnitzler, Jean-Claude Juncker und Angela Merkel, die allerdings nennt er nicht beim Namen, sondern nur "die Bundeskanzlerin".

Merz blickt auf die Wahl 2021 und sagt: "Wir müssen klar sein in unseren Aussagen." Gerade von den Grünen unterscheide man sich nicht in Nuancen, sondern im Substanziellen. Die wollten ein anderes System, die CDU wolle Umweltpolitik mit der sozialen Marktwirtschaft. Deshalb dürfe man auch nicht einfach mehr grüne Politik machen "und noch auf ein paar Arbeitsplätze achten", sagt Merz. Das muss man nach Laschets Rede als Spitze gegen den Konkurrenten verstehen.

Aber Merz wird noch spitzer. Laschet hatte die CDU in die Tradition Adenauers und Kohls gestellt, aber auch in die Tradition Merkels. Merz sagt: "Die 16 Jahre waren gute Jahre, ja, das ist so." Aber "einfach nur die Linie weiterziehen, das reicht nicht". Bei manchen Themen sei man zu weit zurück. So wolle er zum Beispiel eine Technologiedebatte führen lassen, zum Beispiel über die Energieformen der Zukunft. "Wir brauchen einen neuen Zugang, eine Änderung unseres Denkens, ein neues Klima für die Wirtschaft."

Er kommt dann auf ein paar andere Themen zu sprechen, dies noch und das noch und auch ein bisschen Medien-Bashing. Merz' Auftritt erinnert ein wenig an seine Rede auf dem Parteitag in Hamburg, als er gegen Annegret Kramp-Karrenbauer verlor. Sie ist zu lang, weil Merz am Anfang zu weit ausholt und hinten raus das Ende nicht findet. Sie ist an manchen Stellen analytisch interessant, aber politisch fast durchweg völlig unkonkret.

Und so ist in Wahrheit nichts entschieden nach diesem Tag im Kölner Gürzenich - außer dass die Entscheidung über den Vorsitz noch ein hartes Stück Arbeit für die CDU wird.

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