Union nach der Wahl:Eine Frage des Stils? Nicht doch

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CDU-Chef Friedrich Merz (2.v.l.) überreicht den hessischen Wahlsiegern Blumen: Ministerpräsident Boris Rhein (2.v.r.) und CDU-Fraktionschefin Ines Claus. (Foto: Michele Tantussi/AFP)

Obwohl die CDU in Hessen mit einem gemäßigten Wahlkampf hoch gewinnt, will Parteichef Merz weiterhin zuspitzen. Am Erstarken der AfD sei ohnehin die Ampel schuld.

Von Robert Roßmann, Berlin

Natürlich gratuliert Friedrich Merz an diesem Montag erst einmal Markus Söder zum Wahlsieg der CSU in Bayern - so gehört es sich unter Schwesterparteien. "Auf ein gutes weiteres Miteinander", sagt der CDU-Chef Richtung München. Aber Merz klingt dabei doch ziemlich knapp und routiniert - vor allem im Vergleich zum anschließenden langen Lobpreis für seine Parteifreunde in Hessen. "Einen ganz besonders herzlichen Glückwunsch", sagt Merz, die Landes-CDU habe "einen überragenden Wahlsieg eingefahren". Und sie habe deutlich besser abgeschnitten, als es die Umfragen vorausgesagt hätten.

Mit diesem feinen Unterschied im Lob hat Merz ja auch recht. Söders CSU hat 0,2 Prozentpunkte verloren - die CDU von Boris Rhein dagegen 7,6 Punkte gewonnen. Das einst rote Hessen ist jetzt fast so schwarz wie das einst rabenschwarze Bayern. Söder ist wegen seiner Selbstfesselung an die Freien Wähler gezwungen, mit Hubert Aiwanger zu koalieren. Boris Rhein kann sich seinen künftigen Partner dagegen aussuchen. Wer hätte gedacht, dass derlei einmal möglich sein wird?

Auch Hessens CDU kann die AfD nicht kleinhalten

Merz ist mit Rhein ins Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses gekommen, um sich den Fragen der Journalisten zu stellen. Und natürlich geht es dabei auch darum, was der hessische Ministerpräsident anders gemacht hat als der bayerische.

Weil Rhein aber kein Mensch ist, der nach einem Triumph triumphierend auftritt, gibt er nur indirekt Hinweise. Man habe sich nicht verleiten lassen, an irgendwelchen Rändern zu fischen, sagt Rhein. Man sei im Wahlkampf "immer mit Stil" aufgetreten. Man habe das "immer in einem Sound gemacht, der nie überdreht hat". Das sei ein Grund für den Erfolg gewesen. Es sei wichtig, die Gemeinsamkeiten zu betonen - und dass Regierung und Opposition in schwierigen Situationen zusammenarbeiten.

All das ist eine Beschreibung, die einem nicht als allererste kommt, wenn man an den Wahlkampf Söders denkt. Der hatte sich ständig an den Grünen abgearbeitet, Rhein koaliert dagegen ziemlich reibungslos mit ihnen. Eines ist der hessischen CDU mit ihrem Wahlkampf allerdings nicht gelungen: die AfD kleinzuhalten. Sie ist in Hessen jetzt noch stärker als in Bayern.

Im Konrad-Adenauer-Haus geht es an diesem Montag aber auch um die Frage, was der Erfolg der Hessen-CDU für den Bundesvorsitzenden bedeutet. Was er von Rhein lernen könne, will ein Journalist von Merz wissen. Schließlich sei das Wahlergebnis der Landespartei doch deutlich besser als die Umfragewerte der Union im Bund.

Merz erinnert an das Ende von Rot-Grün 2005 mit vorgezogenen Neuwahlen

Merz lacht erst mal. Dann verweist er auf die Entwicklung der Umfragewerte vor der Wahl in Hessen. Vor einem halben Jahr sei noch von einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Rede gewesen, doch am Wahltag habe die CDU deutlich besser abgeschnitten als in den Umfragen. Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus sei es ähnlich gewesen. "Ich sage Ihnen, wenn wir heute am Tag eine Bundestagswahl hätten, dann lägen wir bei einer Bundestagswahl ebenfalls deutlich über 30 Prozent."

Merz lässt auch den Einwurf nicht gelten, dass sich sein Ton doch von dem des erfolgreichen Rhein unterscheiden würde. Als Oppositionsführer muss man auch zuspitzen dürfen, sagt Merz. Da habe er eine andere Rolle als ein Ministerpräsident. Außerdem findet er, dass die Kritik doch in eine ganz andere Richtung gehen müsste. Es seien schließlich die Berliner Ampelparteien, die am Sonntag "in einer geradezu historischen Weise abgestraft worden" seien. Das Ergebnis erinnere an die Landtagswahl 2005 in Nordrhein-Westfalen. Danach habe der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder "die Reißleine gezogen" und auf vorzeitige Neuwahlen gesetzt.

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Mit derlei rechne er jetzt nicht, sagt Merz. Aber die Koalition müsse doch aus dem "totalen Desaster" vom vergangenen Sonntag endlich die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Das Erstarken der AfD "beschwert uns sehr", sagt der CDU-Chef. Die Ampel müsse nun ihre Politik, insbesondere die Asyl- und Wirtschaftspolitik, ändern. Die CDU sei zur Zusammenarbeit bereit, ihre Hand sei ausgestreckt.

Merz ist der Ansicht, dass der Erfolg der AfD vor allem am bisherigen Kurs der Berliner Ampelkoalition und ihren ewigen Streitereien liegt - und nicht so sehr an der Union. In diesem Punkt sind sich Merz, Söder und Rhein tatsächlich vollkommen einig.

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