CDU:Friedrich Merz vermisst Lob

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"Wir sind seit mehr als einem Jahr stabil auf Platz eins unter den deutschen Parteien", sagt CDU-Chef Friedrich Merz. (Foto: Michael Kappeler/DPA)

Die CDU debattiert über ihren Kurs. Dabei findet der Vorsitzende, dass sich seine Partei, und er selbst, erstaunlich gut schlagen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Eigentlich sollten die vergangenen Tage der CDU neuen Schub verleihen. Am Freitagnachmittag kam sie in Berlin zu einem kleinen Parteitag zusammen, am Samstag diskutierte sie auf einem großen Konvent mit kundigen Gästen über ihr Grundsatzprogramm. Die Partei wollte sich Sachverstand und Impulse von außen holen und mit inhaltlichen Debatten glänzen. Doch am Ende konzentrierte sich in der öffentlichen Wahrnehmung doch wieder fast alles auf Friedrich Merz. Ist sein Kurs richtig? Und: Wäre der CDU-Chef auch der richtige Kanzlerkandidat?

Obwohl sich die Ampelkoalition gerade mit aller Kraft darum zu bemühen scheint, Wähler zu vergraulen, stagnieren die Umfragewerte der CDU bei knapp 30 Prozent - die Werte der AfD sind dagegen enorm gestiegen. Und trotz der schlechten Performance von Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck rangiert Merz auch im neuesten Politbarometer hinter den drei Koalitionären. All das wäre für Merz schon unangenehm genug. Aber dann meldeten sich ausgerechnet zum Parteitags- und Konvent-Wochenende auch noch die CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther und Hendrik Wüst in einer Weise zu Wort, die man nicht nur als Kritik am Kurs von Merz verstehen konnte, sondern wohl auch sollte. Die Bild am Sonntag fasste all das in der Überschrift zusammen: "Ist Merz noch die richtige Alternative für Deutschland?"

Die CDU war zeitweilig auf unter 20 Prozent abgerutscht

Merz selbst war klug genug, auf diese Debatte beim kleinen Parteitag nicht öffentlich zu reagieren und sie dadurch noch zu vergrößern. Aber intern hat er längst deutlich gemacht, dass er sich und seine Leistung nicht ausreichend gewürdigt sieht. Der CDU-Chef verweist dabei gern auf den Zustand der Partei vor seiner Wahl an die Spitze. Der Absturz der Union bei der Bundestagswahl auf 24,1 Prozent war ja nicht der Tiefpunkt. In den Umfragen danach rutschten CDU und CSU noch weiter ab, in einigen Erhebungen sogar unter die 20-Prozent-Marke. Die CDU war damals orientierungslos und wegen der Rückzugsankündigung von Armin Laschet auch führungslos. Nicht nur in der Partei, auch in der Unionsfraktion gab es einen Machtkampf um den Vorsitz. Auch CDU und CSU waren zerstritten. Und die Ampel galt noch als moderne, frische Fortschrittskoalition.

Angesichts dieser Ausgangslage stehe die CDU doch gut da, findet Merz. In Partei und Fraktion ist die Machtfrage geklärt. Zwischen CDU und CSU gibt es keinen Streit mehr. Die CDU hat in den Umfragen gegenüber der Bundestagswahl deutlich zugelegt, die Union steht konstant fast zehn Prozentpunkte vor der Kanzlerpartei SPD. In Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Berlin hat die CDU die Wahlen gewonnen - und auch damit gezeigt, dass es ihr nicht so schlecht geht wie den meisten anderen christdemokratischen Parteien in Europa. So sieht Merz die Lage.

Auf dem kleinen Parteitag gestand der CDU-Chef zwar ein: "Klar ist natürlich auch: Wir könnten noch zulegen." Aber nur um sofort hinterherzuschieben: "Wir sind seit mehr als einem Jahr stabil auf Platz eins unter den deutschen Parteien - wir dürfen nicht erwarten, dass uns andere dafür loben, wenn wir es nicht selbst tun."

Gelten die Vorbehalte vieler Bürger der Partei - oder Merz?

Bleibt die Frage, warum die CDU nicht von den Verlusten der Ampelparteien profitiert. Die einen sagen, das liege auch an Vorbehalten vieler Bürger und vor allem Bürgerinnen gegenüber Merz. Der CDU-Chef ist dagegen der Auffassung, dass es noch eine Art Vertrauensbarriere bei einem Teil der Bürger gegenüber der CDU gibt - dass viele der Partei nach 16 Regierungsjahren noch nicht abnehmen, dass sie es jetzt besser machen würde als damals.

Merz setzt seine Hoffnung darauf, dass es der CDU mit jedem zusätzlichen Monat Abstand von ihrer Regierungszeit leichter fallen wird, mit ihren Positionen erfolgreich durchzudringen. Scharfe Kritik an der Altkanzlerin verkneift sich Merz in letzter Zeit zwar. Es gibt in der Partei noch viele Merkelianer. Und in der Unionsfraktion sitzen sehr viele Abgeordnete, die Merkels Politik in den vergangenen Legislaturperioden mitgetragen haben - und Angriffe auf Merkel auch als Angriffe auf sich verstehen könnten. Also belässt es Merz bei indirekten Botschaften, etwa der beinahe demonstrativen Verweigerung einer Gratulation zur Verleihung des höchsten deutschen Verdienstordens.

Wie schmal der Grat ist, auf dem sich Merz bewegt, hat sich bei einer Passage seiner Rede auf dem kleinen Parteitag besonders deutlich gezeigt. In der Bevölkerung würden "Frust und Angst vor der Zukunft" wachsen, sagte Merz. Die große Mehrheit der Befragten habe das Gefühl, dass sich die Politik von der Gesellschaft entferne. Das seien Symptome "einer handfesten Krise unserer Demokratie". Und Merz machte deutlich, an was das seiner Ansicht nach liegt: "Die Bahn ist nicht mehr pünktlich, die Straßen sind verstopft, die medizinische Versorgung vor allem im ländlichen Raum wird immer schlechter, der Unterrichtsausfall in vielen Schulen, fehlende Kitaplätze, stark steigende Kosten in der Pflege, die Digitalisierung auf einem der letzten Plätze in Europa - und über allem eine lähmende und immer weiter um sich greifende Bürokratie."

Nur jeder vierte Bürger denkt, die Union würde besser regieren

Mit dieser Bestandsaufnahme mag Merz recht haben. Aber sie ist halt nicht nur eine Beschreibung Deutschlands nach eineinhalb Jahren Ampelkoalition oder nach 21 SPD-Regierungsjahren im letzten Vierteljahrhundert. Sondern sie ist auch eine Beschreibung Deutschlands nach 16 Jahren Angela Merkel. So lange die CDU nicht glaubwürdig eigene Lösungen für all die Probleme anbieten kann, wird sie mit der Problembeschreibung nicht punkten. Auch das zeigt übrigens das jüngste Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen. Seit zwölf Jahren wurde keine Bundesregierung mehr so schlecht bewertet wie die Ampelkoalition jetzt. Trotzdem sagen nur 26 Prozent der Befragten, dass die Unionsparteien besser regieren würden.

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Wie kann die CDU das ändern? Das ist auch nach diesem Wochenende unklar. Daniel Günther hat der Süddeutschen Zeitung gesagt: "Kurs der Mitte, sprachlich sauber bleiben, keine Debatten über das Gendern und andere Nebensächlichkeiten führen - den Leuten halt keinen Scheiß erzählen." Populistisches Draufhauen bringe nichts, sondern helfe der AfD.

Merz klang am Wochenende anders. Er warnte davor, heikle Themen aus Sorge vor einem Vergleich mit der AfD nicht anzusprechen. "Wir müssen auch in der Lage sein, mal Probleme zu adressieren - auch mal mit Formulierungen, die nicht jedem gefallen", sagte Merz. Das sei "dann nicht gleich rechts", "rassistisch" oder "AfD-Sprech". Dem Volk nach dem Mund zu reden sei Populismus, dem Volk aufs Maul zu schauen aber Demokratie. Eine Zusammenarbeit mit der AfD im Europaparlament, dem Bundestag oder den Landtagen werde es aber in keinem Fall geben - da war Merz ganz klar.

Merz gibt indirekt Hendrik Wüst einen mit

Wie stark den CDU-Chef die Debatte um seine Person ärgert, blitzte am Sonntagabend dann aber doch noch kurz auf. Hendrik Wüst hat nicht nur Merkel mit dem höchsten Preis seines Bundeslandes ausgezeichnet und vor dem kleinen CDU-Parteitag indirekt den Kurs von Merz in Frage gestellt. Er hatte auch in der Rheinischen Post auf die Frage nach der Kanzlerkandidatur gesagt: "Meine Aufgaben liegen aktuell in Nordrhein-Westfalen" - und mit diesem "aktuell" die Personalspekulationen angeheizt.

Merz konterte am Sonntagabend im ZDF mit dem Hinweis auf eine neue Umfrage für Nordrhein-Westfalen, nach der die Zufriedenheit mit der Landesregierung und mit Wüst zurückgegangen - der Zuspruch für die AfD aber um sechs Prozentpunkte gestiegen ist. "Wenn wir heute in Nordrhein-Westfalen Landtagswahlen hätten, wäre die AfD fast so stark wie im Bund", sagte Merz. Außerdem sei die Unzufriedenheit mit der Landesregierung "fast genau so groß wie die mit der Bundesregierung". Man durfte das durchaus als Aufforderung an Wüst verstehen, es mit seiner Kritik nicht zu übertreiben.

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