Cannabis-Legalisierung:Gelegenheit macht high

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Die Legalisierung von Cannabis soll in Deutschland den Schwarzmarkt zurückdrängen und die Kontrolle über die Droge verbessern. (Foto: Friedrich Bungert)

Die Legalisierung von Cannabis könnte den Konsum forcieren - sagt ein Gutachten, von dem sich der Gesundheitsminister Argumente für die Entkriminalisierung erhofft hat. Für Lauterbach ist das politisch heikel.

Von Angelika Slavik, Berlin

Nach der geplanten Legalisierung von Cannabis könnte in Deutschland mehr gekifft werden als bisher. Das geht aus einer Studie hervor, die im Auftrag des Gesundheitsministeriums die Folgen einer solchen neuen Drogenpolitik beleuchten sollte.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Einschätzungen der Experten am Dienstag an seine Kollegen aus der Bundesregierung verschickt. Dabei zeigte sich: Nicht in allen Punkten liegen die Wissenschaftler auf der Linie des Ministers.

In einigen Ländern habe es nach der Legalisierung von Cannabis einen Anstieg des Konsums gegeben, schreiben 14 Experten vom Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) in Hamburg. Interessant sei dabei, dass die kurzfristige Zunahme gering ausfalle, über einen längeren Beobachtungszeitraum sei der Cannabiskonsum dann aber schneller gestiegen. Das liege vermutlich daran, dass der Aufbau eines legalen Marktes Monate oder sogar Jahre dauere, schlussfolgern die Experten in dem Papier.

Die Wissenschaftler finden auch Begründungen für eine Legalisierung

Ähnlich fällt die Einschätzung aus, wenn es um Kinder und Jugendliche geht. Die Legalisierung erhöhe die "subjektive Verfügbarkeit" für diese Gruppe, das führe kurzfristig jedoch nicht zwangsläufig zu einem Anstieg des Konsums. Studien mit einem Beobachtungszeitraum von mindestens zwei Jahren zeigten in US-Bundesstaaten mit legalen Märkten allerdings einen stärkeren Konsumanstieg als andernorts.

Dieser Aspekt ist für Lauterbach politisch heikel, schließlich ist ein verbesserter Jugendschutz eines seiner Hauptargumente für die Legalisierung: Der Schwarzmarkt soll zurückgedrängt und die Abgabe kontrollierter werden. Im Bundesgesundheitsministerium heißt es in Reaktion auf das Papier deshalb, man plane dem Kinder- und Jugendschutz "höchste Priorität" einzuräumen. Dabei werde es vor allem darum gehen, einer "verharmlosenden Wahrnehmung von Cannabis offensiv zu begegnen". Ziel bleibe, den Konsum von Kindern und Jugendlichen zu reduzieren.

Grundsätzlich finden die Wissenschaftler vom ISD aber auch Argumente für eine Legalisierung. So könnten Konsumierende besser über die Qualität des Cannabis sowie Effekte und Risiken des Konsums aufgeklärt werden, schreiben sie. Auch sei in Ländern, in denen legalisiert wurde, kein Anstieg psychotischer Diagnosen beobachtet worden. Es sei zudem anzunehmen, dass die Zahl der Vergiftungsfälle durch synthetische Cannabinoide und andere beigemischte Substanzen verringert werden könne, so die Experten.

Insgesamt könne "potenziell risikoarmer Konsum" gefördert werden. Als Beispiel wird "oraler Konsum statt Rauchkonsum" genannt. Sprich: Die Wissenschaftler halten sogenannte "Edibles", wie etwa Haschkekse, für weniger gefährlich als den Konsum über einen Joint.

Bei den Edibles sei allerdings darauf zu achten, nur Produkte zuzulassen, die für Kinder nicht attraktiv seien, heißt es in der Studie. Wo das nicht passiert sei, habe es einen Anstieg von unbeabsichtigten Vergiftungs- und Rauschzuständen bei Kindern gegeben. In dieser Frage plant der Bundesgesundheitsminister allerdings einen anderen Kurs: Lauterbach will Edibles überhaupt nicht zulassen, ist aus seinem Ministerium zu hören.

Die Gutachter raten, die kommerzielle Vermarktung zu begrenzen

Insgesamt ist das Gutachten für Lauterbachs Pläne nur bedingt hilfreich. Während der erste Schritt seiner Legalisierungspläne - der den Konsum für Erwachsene erlaubt und Eigenanbau oder die Abgabe über Cannabis-Klubs ermöglicht - wohl zeitnah umgesetzt werden wird, wird es beim zweiten Schritt komplizierter. Der sieht eigentlich vor, kommerzielle Lieferketten in Modellregionen zu testen. Damit wollte Lauterbach mittelfristig die EU-Kommission überzeugen, die einen kommerziellen Markt skeptisch sieht.

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Doch die Wissenschaftler vom ISD schreiben nun sehr grundsätzlich, für den Gesundheits- und Jugendschutz sollte "die Entwicklung eines kommerziellen Marktes, in dem Cannabis als gewöhnliches Konsumgut mit Gewinnmaximierung verkauft wird, begrenzt werden". Stattdessen könnten ein staatliches Verkaufsmonopol oder eine Begrenzung der Verkaufslizenzen hilfreich sein. Der Milliardenmarkt, auf den sich viele Firmen bereits Hoffnungen gemacht haben, rückt so ein Stück in die Ferne.

Auch politisch wird es für Lauterbach damit schwerer, für seine Pläne zu argumentieren - zumal es einigen Widerstand gibt. So kündigte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bereits an, in seinem Bundesland keine Modellregionen akzeptieren zu wollen.

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