Russischer Agent?:Deutscher unter Spionageverdacht

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Beamte des Bundeskriminalamts in Wiesbaden (Foto) haben einen Mitarbeiter des Beschaffungsamts der Bundeswehr festgenommen (Foto: Fredrik Von Erichsen/DPA)

BKA-Beamte haben einen Behördenmitarbeiter verhaftet, der für Russland tätig gewesen sein soll. Der Mann arbeitet beim Beschaffungsamt der Bundeswehr - die Truppe ist gerade besonders im Visier Moskaus.

Von Christoph Koopmann

Beamte des Bundeskriminalamts haben am Mittwoch in Koblenz einen Mitarbeiter des Beschaffungsamts der Bundeswehr festgenommen. Der Verdacht: Er soll für Russland spioniert haben. Das teilte der Generalbundesanwalt mit, der in dem Fall ermittelt. Das Amt, in dem der Mann beschäftigt ist, sorgt für die Ausrüstung der Truppe - ein Geheimnisverrat von hier an russische Stellen ist im Kontext des Moskauer Angriffskriegs gegen die Ukraine und der deshalb begonnenen Nachrüstung bei der Bundeswehr besonders brisant.

Der Militärische Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz haben den Mitarbeiter offenbar schon seit einiger Zeit im Visier gehabt. Was sie und die Ermittler des BKA herausgefunden haben, klingt alarmierend. Demnach habe Thomas H. von Mai dieses Jahres an mehrere Male das russische Generalkonsulat in Bonn kontaktiert, dazu auch die russische Botschaft in Berlin - und soll sich dabei selbst als Zuträger angeboten haben.

Im Dezember wurde bereits ein BND-Mitarbeiter festgenommen

Einmal soll der deutsche Staatsangehörige auch tatsächlich Informationen weitergegeben haben, die er aus seiner Tätigkeit für die Bundeswehr erlangt hatte, wie die Bundesanwaltschaft mitteilt. Die Fahnder gehen davon aus, dass sie für einen russischen Nachrichtendienst bestimmt waren. Um welche Informationen genau es sich dabei handelte, ist bislang nicht öffentlich - ebenso teilten die Ermittler nicht mit, in welchem Bereich der Beschaffung der Beschuldigte tätig ist und zu welchen Informationen er durch seinen Dienst Zugang hatte.

Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen schon länger davon aus, dass sich Moskau speziell seit Beginn der Großinvasion für alles interessiert, was westliches Militär und dessen Ausrüstung betrifft - gerade in Deutschland, das einer der umfänglichsten Unterstützer der Ukraine ist. Erst im Juli warnte Martina Rosenberg, Präsidentin des auch für Spionageabwehr bei der Bundeswehr zuständigen Militärgeheimdienstes MAD, vor Moskaus Neugier. Seit dem 24. Februar 2022 seien die Themen Spionage und Cyberabwehr bei ihrem Dienst "deutlich in den Vordergrund" gerückt, sagte Rosenberg. Bundesjustizminister Marco Buschmann schrieb auf dem Kurznachrichtendienst X, angesichts des neuen Spionageverdachts bleibe Wachsamkeit "das Gebot der Stunde".

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Im Dezember war der bis dahin schwerwiegendste Spionagefall im westlichen Sicherheitsapparat im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg bekannt geworden - der Fall des BND-Mitarbeiters Carsten L. Er soll streng geheime Dokumente der technischen Aufklärung des BND an den russischen Geheimdienst FSB übermittelt haben. Der an den Auslandsnachrichtendienst abgeordnete Bundeswehr-Oberst L. sollte wohl auch Details zu den deutschen Iris-T-Luftverteidigungssystemen in der Ukraine beschaffen. Auch bei Carsten L. war offenbar keine großartige Überzeugungsarbeit von russischer Seite nötig. Ein paar Wochen vor L.s Festnahme war ein Reserveoffizier der Bundeswehr zu einer Bewährungsstrafe wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für Russland verurteilt worden, die allerdings vor Beginn der groß angelegten Invasion stattfand.

In den vergangenen Monaten sind den deutschen Sicherheitsbehörden immer wieder mutmaßliche russische Ausspähversuche auf Bundeswehranlagen aufgefallen. Man bemerkte zum Beispiel verdächtige Drohnen über Kasernen - auch dort, wo ukrainische Soldaten an westlichen Waffensystemen ausgebildet wurden. Die Bundeswehr begann deshalb, mehr Störsender gegen Drohnen zu beschaffen.

Jetzt macht der Truppe aber keine technische, sondern eine menschliche Sicherheitslücke Probleme. Dabei wurden die Überprüfungsmaßnahmen für Bundeswehrmitarbeiter in sensiblen Bereichen wenige Monate vor Beginn des Ukraine-Kriegs noch verschärft. Ob der nun Beschuldigte Thomas H. eine solch strenge Überprüfung durchlaufen musste, ist bisher nicht bekannt. Moskaus diplomatische Vertretungen, an die er sich offenbar bereitwillig wandte, sind in deutschen Sicherheitskreisen berüchtigt: Dort sind neben tatsächlichen Diplomaten auch als solche getarnte Geheimdienstler stationiert - Agenten und Verbindungsleute für Zuträger. Mehr als 40 hat die Bundesregierung seit Frühjahr 2022 bereits ausgewiesen.

Der nun festgenommene Mitarbeiter des Beschaffungsamts wurde noch am Mittwoch einem Ermittlungsrichter vorgeführt. Er ist jetzt in Untersuchungshaft.

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