Bundeswehr:Abschied von Mali

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Ende eines gefährlichen Einsatzes: Rückkehrerappell am Fliegerhorst in Wunstorf. (Foto: IMAGO)

Nach zehn Jahren geht die UN-Mission Minusma zu Ende. In Wunstorf wurden die letzten deutschen Soldatinnen und Soldaten begrüßt. Was der Truppenabzug bedeutet.

Von Sina-Maria Schweikle, Wunstorf

Grauer Himmel, leichter Schleier, ein Licht am Horizont, das sich allmählich nähert. Landeanflug des Airbus A400M aus Dakar. Langsam bewegen sich die Menschen im Hangar auf dem Fliegerhorst Wunstorf in Richtung Rollfeld. 15.05 Uhr Landung. Gänsehaut. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind aus Mali zurückgekehrt und haben damit den zuletzt gefährlichsten Einsatz der Bundeswehr beendet.

Die letzten 304 Soldatinnen und Soldaten, die am UN-Einsatz Minusma beteiligt waren, sind wieder in Deutschland. Damit ist auch das von der Bundeswehr in Mali errichtete Camp Castor Geschichte. Am Fliegerhorst in Wunstorf wurden sie von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und ihren Angehörigen empfangen. Insgesamt haben in den vergangenen zehn Jahren 27 000 deutsche Bundeswehrsoldaten ihren Dienst im Rahmen der UN-Mission Minusma geleistet. Drei Soldaten verloren ihr Leben.

Verteidigungsminister Pistorius zeigt sich erleichtert

Am Fliegerhorst spielt das Heeresmusikkorps Hannover. Kontingentführer Oberst Heiko Bohnsack steigt als Erster aus dem Flugzeug, vor dem Pistorius bereits auf ihn wartet. Kurz wird der Minister brüderlich, legt den Arm auf die Schulter des Kontingentführers, bevor die restlichen Soldatinnen und Soldaten die zwei Militärtransporter verlassen und hintereinander in den Hangar einmarschieren.

"Sie sehen einen bewegten, einen erleichterten Verteidigungsminister, darüber, dass alles ein so gutes Ende genommen hat", sagt Boris Pistorius beim Rückkehrerappell und würdigte den Einsatz der deutschen Blauhelmmission. Die Lage in Mali sei immer gefährlich gewesen, das zeige sich auch in einer traurigen Zahl: "Weit über 200 Blauhelmsoldatinnen und -soldaten sind in Mali ums Leben gekommen", sagt Pistorius. Die Bundeswehr habe exzellente Arbeit geleistet. Doch am Ende seien mit den politischen Verhältnissen in Mali die Voraussetzungen für einen sinnvollen Einsatz nicht gegeben gewesen. "Ihr Abzug war deshalb die konsequente und richtige Entscheidung", sagt der Verteidigungsminister, der schon kurz nach seinem Amtsantritt den Sinn des Einsatzes angesichts der Umstände in Mali hinterfragt hatte. Obwohl der Einsatz als besonders gefährlich galt, hatte sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lange für eine Fortsetzung eingesetzt. Das sei nötig, um die Zivilbevölkerung im Norden Malis zu schützen.

Die UN-Mission Minusma war seit 2013 in Mali aktiv

Seit 2013 war die UN-Mission zur Stabilisierung des Landes in Mali aktiv. Nach dem Zusammenbruch des Nachbarlandes Libyen und einer Rebellion der Tuareg-Nomaden hatten 2012 islamistische Terroristen den Norden des Landes am Rande der Sahara überrannt. Eine Militärintervention der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich drängte die Islamisten nur vorübergehend zurück. Im selben Jahr entschied auch der Bundestag, sich an Minusma zu beteiligen.

Heute, zehn Jahre später, ist die Lage in Mali mindestens so schlecht wie vor 2013. Und was man erreicht hat, war spätestens mit dem Militärputsch im Mai 2021 verloren. In diesem Sommer forderte die Militärjunta den Abzug aller rund 12 000 UN-Friedenssoldaten, nachdem sie ihre Zusammenarbeit mit Russland und der Wagner-Gruppe intensiviert hatte. Der UN-Sicherheitsrat brachte daraufhin das Ende von Minusma auf den Weg. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bundesregierung das Ende der deutschen Beteiligung bereits beschlossen.

Nun sind sie also zurück, die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Material im Umfang von etwa 1000 Containeräquivalenten wurden auf dem Land-, Luft- und Seeweg nach Deutschland zurückgebracht. Keine leichte Aufgabe. Denn nach dem Putsch in Mali 2021 kam es Ende Juli auch zu einem Militärputsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum im Nachbarland Niger, eine weitere schlechte Nachricht für den Westen. Und für den Rückzug der Bundeswehr. Über Land sollte Material von Mali nach Niger gelangen, mit dem man bis dahin gute Beziehungen pflegte. Vom nigrischen Flughafen sollte es dann weiter nach Deutschland gehen. In Niger warten nun noch etwa 120 Soldatinnen und Soldaten auf den Abtransport des übrig gebliebenen Materials, sagt ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr. Er ist zuversichtlich, dass der Transport bis Ende Mai 2024 ausgeführt werden kann.

"Die wollen nicht eine Afghanistan-Nato, sondern eine Anti-Russland-Nato"

Die Ankunft in Wunstorf markiert auch für die Bundeswehr in Sachen Einsätze eine Zeitenwende. "Mit dem Abzug aus Mali und Afghanistan geht die Ära der großen Stabilisierungseinsätze der Bundeswehr zu Ende", sagt Markus Kaim, Experte für Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Spätestens seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine habe sich die Bedrohungslage verändert und mit ihr die Gewichtung in der Nato. Einsätze wie in Mali, die ein Land nicht nur stabilisieren, sondern auch ein Stück weit transformieren sollten, werde es wohl auf absehbare Zeit nicht mehr geben. Mit der Nato fokussiert man sich nun wieder auf die Fähigkeit zur Verteidigung des Bündnisgebietes, begonnen hatte diese Rückbesinnung im Jahr 2014 mit der russischen Annexion der Krim. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine wurde sie intensiviert. Ein Paradigmenwechsel, der sich nach Ansicht Kaims am Beispiel des neuen Nato-Partners Finnland oder des Beitrittskandidaten Schweden verdeutlichen lasse: "Die wollen nicht eine Afghanistan-Nato, sondern eine Anti-Russland-Nato."

Ist das also das Ende des internationalen Krisenmanagements? "Wir werden uns international nicht zurücklehnen können und werden weiterhin für Einsätze zur Verfügung stehen müssen", sagt die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) auf dem Weg nach Wunstorf. "Wenn der Terrorismus in Mali und der Sahelzone erstarkt, ist das auch eine Gefahr für uns." Der Terror könne Europa erreichen. So wie er auch massive Fluchtbewegungen Richtung Europa auslösen könne. Ein Ziel der Bundesregierung mit Minusma war auch immer, durch bessere Lebensbedingungen und weniger Terror Fluchtursachen nach Europa und Deutschland in der Region zu reduzieren.

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Auch wenn die militärische Operation in Mali nun beendet ist, wird sich Deutschland nicht ganz zurückziehen aus der Region. "Der Sahel bleibt auch künftig von zentraler Bedeutung", sagte Pistorius in Wunstorf. Die Sicherheitslage in der Region sei nicht nur für die Menschen dort und die Stabilität des ganzen Kontinents von zentraler Bedeutung. "Sie hat auch Auswirkungen, die bis nach Europa und natürlich auch bis zu uns nach Deutschland reichen." Die Stabilisierung Malis und des Sahel sei deshalb auch im deutschen sicherheitspolitischen Interesse.

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