Andreas Schwarz ahnte früh, dass hier etwas schiefgehen könnte. Bereits sechs Tage nach der Vergabe an das Unternehmen Rohde & Schwarz hatte der SPD-Haushaltsexperte neun bohrende Fragen an das Verteidigungsministerium gestellt, auf eine überzeugende Antwort wartet er bis heute. Am 14. Dezember 2022, noch in der Amtszeit von Christine Lambrecht (SPD), war der Vertrag über die Anschaffung digitaler Funkgeräte für die Bundeswehr mit einem Volumen von zunächst 1,3 Milliarden Euro unterzeichnet worden, mit der Option auf mindestens weitere 1,5 Milliarden. Doch der Fall beschert nun auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Kopfzerbrechen. Denn es ist unklar, ob die Geräte wie geplant eingesetzt werden können, gerade im Nato-Verbund.
Zur "Digitalisierung Landbasierter Operationen" will die Bundeswehr insgesamt bis zu 34 000 Fahrzeuge mit digitalen Funkgeräten ausstatten. Nun berichtete die Zeitung Welt, dass sie nicht eingebaut werden können und in Depots gelagert werden. Es gehe um Adapterplatten, zu geringe Batteriekapazitäten, zu kleine Lichtmaschinen. Verstauben die Geräte gar im Depot?
Für die Bundeswehr geht es darum, ihre Nato-Verpflichtungen einzuhalten
Das Thema verfolgt Pistorius auch bei seinem Besuch in Lettland am Montag. Bei einer Pressekonferenz mit seinem Amtskollegen in Riga reagiert er etwas angefressen auf den Bericht. "Es verrottet nichts und es verstaubt auch nichts", sagt der SPD-Politiker.
Es seien erst rund 400 Geräte eingetroffen, die nun in den Depots liegen. Die Beschaffung als solche stehe hier nicht in Frage. Wenn es nun heiße, man habe die falschen Funkgeräte angeschafft, "dann könnte die Meldung falscher nicht sein." Hier entstehe kein Schaden. "Das einzige Problem ist die Verspätung." Der Minister versucht das Problem also herunterzuspielen, aber in der Bundeswehr wird betont, dass die Komplexität teilweise unterschätzt worden ist - und man zur Lösung für die unterschiedlichen Fahrzeugtypen auf Hilfe der Industrie angewiesen ist. Es drohen massive Verzögerungen.
Pistorius' Ministerium räumt auf SZ-Anfrage ein, dass der Einbau deutlich komplizierter werde, als erwartet. "Der erforderliche Aufwand für die Muster- und Serienintegrationen in die Fahrzeuge ist erheblich und kann nur im Zusammenwirken mit der wehrtechnischen Industrie erfolgen", betont ein Sprecher. Die Abstimmungen dazu liefen, die zeitliche Umsetzung hänge "im Wesentlichen von der Leistungsfähigkeit der wehrtechnischen Industrie ab".
Der Ukraine-Krieg zeigt derzeit, wie wichtig die digitale Vernetzung ist, um eine Informationsüberlegenheit zu erzielen. Dazu braucht es Echtzeit-Lagebilder, eben auch mit Hilfe von leistungsfähigen digitalen Führungssystemen, betont die Bundeswehr.
Die Bundesregierung steht bei der Nato im Wort, ab 2025 eine voll einsatzbereite Heeresdivision mit rund 15 000 Soldaten bereitzustellen - entscheidend ist dabei, dass auch die digitale Kommunikation in Panzern und Gefechtsfahrzeugen mit den Einheiten anderer Nato-Staaten funktioniert, Stichwort Kompatibilität. Auch hierzu gibt es noch offene Fragen.
Wirklich nur ein zeitliches Problem? Minister Pistorius gerät unter Druck
Dass die Anschaffung neuer Funkgeräte drängt, aber dadurch die Vergabe unkonventionell erfolgt ist und womöglich nicht alle Unwägbarkeiten berücksichtigt worden sind, zeigt auch eine der Antworten des Verteidigungsministeriums, die der SPD-Haushaltsexperte Schwarz bekommen hat. Im Dezember 2022 wollte er wissen, warum die Vergabe des Auftrages im Hauruckverfahren erfolgt sei, das französische Unternehmen Thales klagt dagegen. Aus dem Ministerium hieß es daraufhin, es habe kein reguläres Ausschreibungsverfahren gegeben, weil durch den Angriff Russlands auf die Ukraine der Bedarf massiv gestiegen sei. Es war also Eile geboten. Auch, weil Deutschland mehr Nato-Aufgaben übernehme. Außerdem hätte man aufgrund der "aktuellen Marktsituation" mit "einer Kostenveränderung in Form einer Preissteigerung" rechnen müssen.
Aber Schwarz fürchtet, dass das Problem erst ganz am Anfang steht. "Durch diese Verzögerungen bei der Abnahme und Montage können wir unsere Nato-Verpflichtungen nicht bis 2025 erfüllen", sagt er auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung. Schwarz warnt daher davor, jetzt größere Mengen der Geräte abzurufen, nicht wissend, ob der Einbau gesichert ist. "Und selbst wenn die Geräte eingebaut wären, sind sie technisch nicht auf dem Stand, dass wir damit mit Nato-Partnern funken können", fürchtet Schwarz.
Für den Umfragekönig Pistorius ist es eine Bewährungsprobe - er wird nun auch daran gemessen, ob das Problem wirklich nur ein zeitliches ist.