Lindner und Laschet:Ein Duo vom Rhein strebt nach Berlin

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Gemeinsames Glück: Vor vier Jahren unterschrieben Armin Laschet (CDU, rechts) und Christian Lindner (FDP) am Rhein in Düsseldorf ihren Koalitionsvertrag. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und sein Duz-Freund Christian Lindner von der FDP loben sich für gemeinsame Erfolge in Nordrhein-Westfalen - und empfehlen sich als künftige Regierungskoalition im Bund. Das provoziert Widerspruch.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Die Rheinwiesen neben der Düsseldorfer Kniebrücke sind kein beschaulicher Flecken: Es dröhnt der Lärm des Feierabendverkehrs, und jetzt im Sommer wirbelt jede Böe den Staub zwischen angegilbten Grashalmen auf. Spektakulär ist nur der Blick aufs andere Ufer: auf die Altstadt, den wuchtigen Bau der Staatskanzlei, den gläsernen Landtag.

Genau deshalb - wegen der Kulisse - sind sie an diesem Freitag wieder da: Armin und Christian, die Duz-Freunde. Kanzler in spe ist mittlerweile der eine, Möchte-gern-Koalitionär längst der andere. Lächelnd inszenieren Laschet und Lindner ihr Schauspiel, bei Bier und Bratwurst erinnern sie das Publikum - knapp hundert schwarze und gelbe Parteifreunde sowie zwei Dutzend Journalisten - daran, was sie an dieser Stelle vor vier Jahren vollbrachten: Da hatten der Christdemokrat und der Liberale hier den Vertrag ihrer NRW-Koalition unterzeichnet. Tags drauf wurde Laschet drüben im Parlament mit allen 100 Stimmen von CDU- und FDP-Fraktion zum Ministerpräsidenten gewählt.

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Der Kanzlerkandidat der Union hat ein Wahlprogramm vorgestellt - und jetzt wird offensichtlich, dass Laschet alles auf eine gute Atmosphäre und dafür kaum auf Details setzt. Die bitteren Botschaften sollen andere überbringen.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Das ist Geschichte, Landes-Historie. L & L jedoch, die beiden Grill-Kameraden, wollen mehr als nur Würstchen brutzeln und Anekdoten aufwärmen. Sie träumen längst national, von einer Zukunft im Bund. Das Duo vom Rhein will sich empfehlen als Paar für Berlin: Seht her, wir können miteinander - und wir könnten noch viel mehr nach dem 26. September, dem Tag der Bundestagswahl. NRW, das ist für beide nun das schwarz-gelbe Musterland. Laut aktuellen Umfragen würde es zwar zu zweit weder in Berlin noch in Düsseldorf derzeit für eine Regierungsmehrheit reichen. Aber für Laschet ist NRW ein Muster von Wert.

Auf einer schwarzen Holzbühne im hohen Gras unter der Kniebrücke hebt Laschet hervor, was viele als eine Stärke seiner NRW-Koalition empfinden: ihre solide, undramatische, ja geradezu langweilige Art, Politik zu machen. "Wohltuend, angenehm, freundschaftlich" sind die Adjektive, mit denen der Noch-Ministerpräsident seinen eigenen Regierungsstil lobt. Nur eine Stimme Mehrheit, das lehrt Rücksicht auf den Koalitionspartner. Und das passt zu Laschets moderierendem, rheinischem Naturell. Links neben ihm nickt still Joachim Stamp, sein liberaler Stellvertreter im Kabinett, der den CDU-Chef neulich schon mal eingestuft hat als "einen der anständigsten Menschen, die mir in der Politik je begegnet sind". Damit wuchert Laschet, wenn er jetzt als Wunsch für den Herbst sagt: "Möge ein bisschen dieses Geistes auch in eine Berliner Koalition einfließen."

Laschet glaubt an sein Modell NRW, CDU und FDP wären ein Anfang: "Es wären mindestens zwei gute Partner für Berlin." So hat es Armin Laschet am Mittwoch dieser Woche gesagt. Da hat er seine NRW-Bilanz vorgelegt. 67 Seiten Arbeitsbericht, gebunden als Hochglanzbroschüre über vier Jahre Regierung. Diese Lernzeit deutet der Aachener ab sofort als Empfehlung für Höheres: "Das Wichtigste vielleicht, was man für eine künftige Kanzlerschaft braucht," so sagt er, "ist die Erfahrung dieses Industrielands." Zum Beispiel? Neues Wachstum ("0,4 Prozentpunkte besser als im Bundesschnitt"), fünf "Entfesselungspakete" zur Entbürokratisierung ("etwas, was die Bundespolitik dringend braucht!") oder auch sein Kurs in der Corona-Krise samt interdisziplinärem Experten-Rat ("einzigartig in Deutschland") - all das seien doch Erfolgssignale an den Wähler: "Da merkt man daran: Politik kann etwas verändern, Eure Stimme verändert das Leben."

"Auto-suggestive Wurst-Party"

Auch Christian Lindner, der FDP-Chef, hat die angeblich schillernde Bilanz der NRW-Koalition längst zum eigenen Leistungsnachweis erklärt. Am Rheinufer blickt er kurz hinüber zu dem dunklen, lang gezogenen Gebäude, wo jetzt der Rauch des Großgrills aufsteigt. "Dort drüben in der Jugendherberge haben wir verhandelt", erinnert sich der Liberale. Kurz danach zog es den FDP-Chef in den Bundestag, mitregiert in NRW hat er nie. Jetzt deutet er sich als Vorhut für den Aachener: "Ich bin Armin Laschet nach Berlin vorausgeeilt."

Beim Landesparteitag seiner Liberalen Ende April hatte Lindner noch garstiger geklungen. Da stichelte er, das allermeiste, was Kandidat Laschet bis dato im Bund programmatisch zu bieten habe, seien eigentlich FDP-Landesprojekte. Das gehe bis zur Terminologie: "Vom Aufstiegsversprechen per Talentschulen über den Bürokratie-Abbau, der Entfesselung", so Lindner, präsentiere Laschet liberale Ideen als CDU-Vorschläge.

Dass die Opposition in Düsseldorf Laschets Bilanz samt Wurst und Bier am Freitag anders deutete, überrascht nicht. Es gebe kein Zukunftsmodell NRW, schimpfte etwa Felix Banaszak, der Ko-Vorsitzende der Grünen im Land: "Entfesselter Markt, Privat vor Staat, Vorfahrt für die Großindustrie - Schwarz-Gelb hat in NRW vier Jahre lang neoliberale Evergreens aufgelegt." SPD-Generalsekretärin Nadja Lüders giftete über eine "autosuggestive Wurst-Party," die Regierungskoalition wolle sich ihre Politik offenbar "schön saufen."

Laschet, den ewig Leutseligen, ficht das nicht an. Er wollte am Freitag nur "ein Würstchen essen und ein Bier trinken". Und ein wenig feiern "mit denen, mit denen man viel gemacht hat - und mit denen man noch vorhat, auch in der Zukunft viel zu machen". Im Wahlkampf werde jetzt jeder erst einmal für sich kämpfen. Aber danach gelte: "Eine Koalition, an der die FDP beteiligt ist, ist eine bessere als eine ohne die FDP."

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