Staatsfinanzen:Bundestag beschließt Nachtragshaushalt

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Ein Abgeordneter gibt seine Stimme zum Nachtragshaushalt 2023 ab. (Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Vorläufiger Schlusspunkt im Etatstreit: Aus Sicht der Regierung gilt der Haushalt 2023 nun zumindest als "geheilt". Die Opposition spart nicht mit Kritik.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Der Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr beschlossen und eine Notlage für 2023 erklärt. Damit reagierte die Ampel auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse. Die Richter hatten die Verschiebung ungenutzter Corona-Kredite in den Klima- und Transformationsfonds verworfen und zudem festgelegt, dass die Regierung Notlagenkredite nur in dem Jahr nutzen darf, in dem die Notlage festgestellt wurde.

Für die Regierung bedeutet das, dass sie den jenseits der Schuldenbremse installierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds nicht wie geplant nutzen kann - und bereits geflossene Energiehilfen stattdessen über den Kernhaushalt abgewickelt werden müssen. Das gleiche gilt für Kredite aus dem Hilfsfonds für die Opfer der Ahrtalkatastrophe. Weil die Ampel durch diese Umbuchungen die verfassungsrechtliche Schuldengrenze um 44,8 Milliarden Euro überschreitet, ist der rückwirkende Notlagenbeschluss notwendig geworden. Man vollziehe "klar und deutlich" nach, was das Urteil verlange, sagte FDP-Haushälter Otto Fricke. "Das ist Haushaltspolitik, so wie sie auch sein sollte."

Die CDU hat rechtliche Bedenken

Auch der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Rohde, verteidigte das Vorgehen. Der "destruktive Populismus" der Union sei gescheitert, sagte Rohde und verwies darauf, dass selbst der Gutachter der Unionsfraktion das Vorgehen der Regierung vor dem Haushaltsausschuss vertretbar genannt habe. Die Ampel habe das Urteil seriös sondiert.

Sven-Christian Kindler (Grüne), der mit Rohde und Fricke das führende Haushaltstrio der Ampel bildet, betonte zudem, dass durch den Nachtragshaushalt sowohl die Strom- und Gaspreisbremse als auch die Hilfen für die Flutopfer im Ahrtal auf ein "sicheres Fundament" gestellt würden. Er erinnerte CDU und CSU daran, dass einige unionsregierte Länder jetzt ähnlich handelten, etwa mit einer Notlagenerklärung für das laufende Jahr. Dass die Unionsfraktion "nicht über ihren Schatten springen" und zustimmen könne, sei bedauerlich.

Abgeordnete sitzen Plenarsaal des Bundestags. Der Bundestag stimmt an diesem Freitag abschließend über den Bundeshaushalt 2024 ab. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Angesprochenen sahen die Dinge selbstverständlich anders. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) gestand der Regierung zwar zu, grundsätzlich so zu verfahren "wie angezeigt". Zustimmen aber könne seine Fraktion dennoch nicht, weil rechtliche Bedenken blieben. Middelberg bezog sich darauf, dass die Regierung via Nachtragshaushalt zwar die Ausgaben des Ahrtalfonds und des Wirtschaftsstabilisierungsfonds in den Kernhaushalt überführt, das Urteil auf alle anderen Sondervermögen aber nicht anwendet.

"Sie tun das nur als Schritt, um Bürger abzukassieren", sagt Middelberg

In der Expertenanhörung vor dem Haushaltsausschuss allerdings war dieser Punkt umstritten; der Bundesrechnungshof sah es wie Middelberg, andere Experten betonten, das Urteil beziehe sich nur auf Sondervermögen, die mit Notlagenkrediten gefüllt wurden.

Die Debatte am Freitag markierte ohnehin nur einen vorläufigen Schlusspunkt im Haushaltsstreit. Denn während der Haushalt 2023 mit dem letzten Sitzungstag des Jahres nun zumindest aus Sicht der Ampel als "geheilt" gilt, haben Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister sich in Sachen Haushalt 2024 bislang nur auf einen ersten Grundsatzbeschluss einigen können.

Middelberg von der Union machte am Freitag schon deutlich, was er von dem Kompromiss hält: nichts. Das Land bräuchte "ein echtes Reformpaket", ein "Umsteuern auf fast allen politischen Feldern". Stattdessen habe das Trio nur ein Rettungspaket für die eigene Ampel geliefert. Einsparungen müsse man "mit der Lupe suchen". Hauptbestandteil seien "massive Steuer- und Abgabenerhöhung", darunter als der "dickste Punkt" der höhere CO₂-Preis.

Diese Änderung wurde am Freitag bereits vom Bundestag beschlossen, als Teil des ohnehin geplanten "Haushaltsfinanzierungsgesetzes". "Sie tun das nur als Schritt, um Bürger abzukassieren", sagte Middelberg, während dagegen jeder "zehnte Euro" inzwischen für das Bürgergeld ausgegeben werde.

Der Finanzminister fehlt im Plenum. Krankheitsbedingt

Scharfe Kritik kam auch von anderen Oppositionsvertretern. Peter Boehringer, haushaltspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, rechnete vor, dass die wahre Neuverschuldung 2023 deutlich höher sei als im Nachtragshaushalt ausgewiesen, und dass 2024 schon das nächste Aussetzen der Schuldenbremse drohe.

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Die Haushälterin der neu geformten Linken-Gruppe im Bundestag, Gesine Lötzsch, forderte die Abschaffung der Schuldenbremse, und Sahra Wagenknecht, Anführerin der zweiten neuen Gruppe aus Ex-Mitgliedern der Linken-Fraktion, warf der Regierung mit Blick auf die steigende CO₂-Abgabe vor: "Sie lassen den normalen Bürger für Ihre Unfähigkeit bezahlen."

Der Bundesfinanzminister selbst fehlte am Freitag übrigens krankheitsbedingt im Plenum - was zumindest zwischen Ampel und Union zu seltenen Momenten der Eintracht führte: Genesungswünsche kamen von beiden Seiten.

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