Bundesregierung:Unter falscher Flagge

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Demoschild auf der Berliner Pride Parade 2020. Die Regenbogenfarben und der fünffarbige Pfeil stehen für Inklusion und Fortschritt. (Foto: Müller-Stauffenberg/Imago)

Bundesfamilienministerin Paus lässt zum Christopher Street Day eine Regenbogenfahne über ihrem Ministerium hissen - allerdings zeigt die nicht nur die üblichen sechs Streifen. Nun gibt es Ärger mit Innenministerin Faeser.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es wäre vielleicht übertrieben, von einem Flaggenkrieg zu reden. Aber verzettelt hat sich die Bundesregierung jetzt doch in diesem Streit um Streifen und staatliche Symbolik. Pünktlich zum schwul-lesbisch-queeren Feiertag, dem Christopher Street Day, hat die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus in Berlin eine Regenbogenflagge aufgezogen. Allerdings zeigt das Stück Stoff nicht die üblichen sechs Streifen, die für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt stehen. Paus hisste die sogenannte Progress-Flagge, ein gestreiftes Tuch mit einem Dreieck darin, das an die Fahne von Südafrika erinnert.

Die Aktion wäre wohl nicht weiter aufgefallen in der stark beschäftigten Bundesregierung, hätte nicht Bundesinnenministerin Nancy Faeser ihr Veto eingelegt. Die Sozialdemokratin ist für das Flaggen an Bundesbehörden zuständig. Deutschlands erste Innenministerin war es auch, die im April erstmalig erlaubte, dass die Regenbogenflagge auf ihrem eigenen Ministerium weht, aber auch auf Bundestag und Kanzleramt. Die Flagge der Kollegin Paus allerdings, die mit dem Dreieck, müsse runter vom Mast, befand Faeser. Zweimal hat sie die Familienministerin ermahnt. Erfolglos. Das Ding hängt immer noch.

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"Wir als Haus beanspruchen ja die Vorreiterrolle für die Sichtbarkeit von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt", teilte die Sprecherin der Familienministerin am Mittwoch mit. Das zusätzliche Dreieck in der Progress-Flagge sei "ein Zeichen der Solidarität mit Trans-und Interpersonen". Transsexuelle Menschen identifizieren sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht, intersexuelle sind mit Geschlechtsorganen geboren, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. Und weil das Familienministerium gerade an einem Gesetz arbeitet, das die Diskriminierung ebensolcher Gruppen beendet, zog Paus die Progress-Flagge auf, die mit dem Dreieck für transsexuelle und intergeschlechtliche Personen und zwei pfeilförmigen Streifen für People of Colour, also nicht-weiße Menschen.

Warum was wo geflaggt wird - dafür gibt es einen Erlass

Innenministerin Faeser, die sich eigentlich schon an der Spitze des Fortschritts gesehen hatte, ist nun in der misslichen Lage, auf Regularien wie den "Erlass der Bundesregierung über die Beflaggung der Dienstgebäude des Bundes" verweisen zu müssen. Das Regelwerk, erschienen im Bundesanzeiger Nr. 61 vom 1. April 2005, Seite 4982, legt fest, warum was wo gehisst werden darf in Deutschland und an welchem Tag. "Zu flaggen ist an senkrecht stehenden Flaggenmasten", steht da etwa.

Es könne "nicht beliebig irgendwas geflaggt werden", ergänzte ein Sprecher des Innenministeriums. Selbstverständlich, versicherte er, sei es der ganzen Bundesregierung ein Anliegen, "die Akzeptanz und den Schutz sexueller Minderheiten und geschlechtlicher Vielfalt zu stärken". Daher habe Faeser auch die Regenbogenflagge an Bundesgebäuden erlaubt, ein "weltweit bekanntes Symbol für diese Bewegung". Die Genehmigung von "anderen Logo-Flaggen an Bundesgebäuden" hingegen werde "grundsätzlich nicht erteilt". Schließlich gehe es nicht um irgendein Textil sondern um die "Akzeptanz staatlicher Symbole in unserer Bevölkerung". Familienministerin Paus zeigte sich unbeeindruckt. Denn Sanktionen für falsches Flaggen gibt es nicht.

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